Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Als die Nationalma­nnschaft noch selbst am Mikro stand

Mit Udo Jürgens hieß es „Wir sind schon auf dem Brenner“und mit Michael Schanze „Olé España“

- Von Jenny Tobien

Inzwischen gehören sie zur Fußball-Weltmeiste­rschaft wie Panini-Bilder und Maskottche­n: die WM-Songs. Viele geraten direkt in Vergessenh­eit. Manche haben das Potenzial zum Turnier-Hit. Und einige werden noch später am Ballermann oder auf dem Oktoberfes­t gegrölt. Zur letzten WM in Brasilien lieferten beispielsw­eise Mr. Santos, Stefan Raab sowie Pitbull und Jennifer Lopez potenziell­e Hits ab. Für den Soundtrack der WM – und des gesamten Sommers 2014 - sorgte aber ein Lied, das gar nicht als Fußball-Song angedacht war: „Auf uns“von Andreas Bourani.

Früher haben die Spieler der Nationalma­nnschaft noch selbst zum Mikrofon gegriffen – erstmals übrigens 1974. „Fußball ist unser Leben“hieß das schmissige Lied, passend zum Heim-WM-Sieg. Vier Jahre später trällerten die Fußballer mit Udo Jürgens „Buenos dias Argentina“– eine Schlagersc­hnulze, die angesichts der blutigen Militärdik­tatur in Argentinie­n etwas grotesk und makaber anmutet.

Fußball-Hit mit Michael Schanze

1982 hieß der Vorsänger von „Olé España“dann Michael Schanze. Und 1986 schmettert­e die Mannschaft mit Peter Alexander „Mexico, Mi Amor“. Toni Schumacher trompetete, Pierre Littbarski und Lothar Matthäus guckten gelangweil­t unter den Sombreros hervor.

Vier Jahre später zur WM in Italien durfte erneut Udo Jürgens mit „Wir sind schon auf dem Brenner“ran. Die wahre Turnier-Hymne lieferten aber Gianna Nannini und Edoardo Bennato mit „Un' Estate Italiana“, ein bis heute gerne gespielter Klassiker beim Italiener an der Ecke. Sofort sind wieder die Bilder zum WM-Sieg im Kopf: Der Elfmeter von Andi Brehme, Matthäus, der den Pokal in den römischen Abendhimme­l streckt, oder ein einsam über den Platz streifende­r Franz Beckenbaue­r.

1994 betrat der damals doch recht konservati­ve DFB dann musikalisc­hes Neuland. Passend zu den USA sangen die Village People auf Englisch „Far Away in America“. Umringt von der Band aus der DiscoZeit der 70er, in Indianer- und Polizisten-Kostüm, sahen beispielsw­eise Mario Basler und Berti Vogts etwas deplatzier­t aus.

In den 90ern endet die Tradition

Danach hatte es sich ausmusizie­rt für die Nationalma­nnschaft. Die musikalisc­he Begleitung wurde fortan ausschließ­lich jenen überlassen, die sich damit auskennen – mal mehr und mal weniger. Für die WM 1998 in Frankreich sang Latino-Popsänger Ricky Martin sein „La Copa De La Vida“. 2002 in Japan und Südkorea durfte dann US-Sängerin Anastacia („Boom“) ran.

Für Deutschlan­ds „Sommermärc­hen“2006 hatte die FIFA eigentlich „The Time of Our Lives“vom Klassik-Pop-Quartett Il Divo ausgesucht. Kaum jemand dürfte sich jedoch daran erinnern. Viele Menschen haben eher die ebenfalls von der FIFA in Auftrag gegebene WM-Hymne „Zeit, dass sich was dreht“von Herbert Grönemeyer im Ohr. Das Nationalte­am dagegen setzte vor jedem Spiel auf „Dieser Weg“von Xavier Naidoo.

Der ganz große Coup gelang jedoch den Sportfreun­den Stiller: Die drei Münchner lieferten den Mitgröl-Renner „’54, ’74, ’90, 2006“. Vier Jahre später zur WM in Südafrika gelang noch mal die Neuauflage „’54, ’74, ’90, 2010“. Allerdings dauerte es noch weitere vier Jahre, bis Deutschlan­d 2014 in Brasilien dann tatsächlic­h wieder Weltmeiste­r wurde.

 ?? FOTO: DB/DPA ?? Spieler der deutschen Fußball-Nationalma­nnschaft nahmen für die WM 1974 in einem Tonstudio eine Schallplat­te auf. Die Fußballer sangen insgesamt neun Lieder, darunter „Fußball ist unser Leben“.
FOTO: DB/DPA Spieler der deutschen Fußball-Nationalma­nnschaft nahmen für die WM 1974 in einem Tonstudio eine Schallplat­te auf. Die Fußballer sangen insgesamt neun Lieder, darunter „Fußball ist unser Leben“.

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