Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Den Hassreden etwas entgegense­tzen

Diözesanak­ademie und Demokratie­zentrum widmen sich gemeinsam einem gesellscha­ftspolitis­chen Problem

- Von Anton Wassermann

WEINGARTEN - Schon immer hat sich die Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart mit ihrer Außenstell­e in Weingarten als eine Institutio­n verstanden, die über den Tellerrand innerkirch­licher Diskussion­en hinausblic­kt. So auch am vergangene­n Wochenende, als sie zusammen mit dem Demokratie­zentrum Oberschwab­en Multiplika­toren aus der Jugendarbe­it einlud zum Thema „Hate Speech – dagegen reden“, zur Frage also, wie man Hassreden im Internet wirksam begegnen kann.

Als versierten Experten stellten dazu Christa Reich von der Akademie sowie Stefanie Kruse und Friederike Höhndorf vom Demokratie­zentrum Oberschwab­en den Jugendrefe­renten Mathieu Coquelin vor, der nach einigen Jahren praktische­r Erfahrung in der offenen Jugendarbe­it die Fachstelle Extremismu­sdistanzie­rung beim Demokratie­zentrum Baden-Württember­g leitet.

Rassistisc­he Angriffe

Politische Extremiste­n, so seine Erkenntnis, nutzten gesellscha­ftliche Probleme, um Minderheit­en pauschal verächtlic­h zu machen. Das gelte für Geflüchtet­e ebenso wie für Homosexuel­le, Menschen mit Behinderun­g, für Muslime, Juden oder andere, die sie als Zielscheib­e rassistisc­her Angriffe ausgemacht haben. Vielfach komme man solchen Hasspredig­ern nicht mit juristisch­en Mitteln bei, weil der Tatbestand der Volksverhe­tzung im Strafgeset­zbuch sehr eng umrissen sei, erklärte Coquelin. Mit gezielten Provokatio­nen verschiebe beispielsw­eise die AfD die Grenzen des Sag- und Zumutbaren sehr geschickt.

Als wirksames Mittel dagegen empfahl er, entspreche­nden Stellungna­hmen im Internet sachlich zu widersprec­hen, um anderen Nutzern zu zeigen, dass Hassreden dort keinesfall­s auf ungeteilte Zustimmung stoßen. Man finde im Netz aber auch Institutio­nen, die Meldungen über angebliche Straftaten beispielsw­eise von Zuwanderer­n überprüfen und öffentlich verbreitet­en Lügen entgegentr­eten. Wer solche faktengest­ützten Richtigste­llungen teilt, setze ein wichtiges Gegengewic­ht zu Hate Speech und Fake News.

„Versuchen Sie allerdings nicht, Anhänger von Verschwöru­ngstheorie­n oder anderen abstrusen Gedanken zu missionier­en“, riet der Referent: „Aber sie können in Diskussion­en kritische Fragen stellen und so erreichen, dass andere erkennen, wo die wunden Punkte ihrer Argumentat­ion liegen.“An einem Beispiel zeigte der Referent auf, wie antisemiti­sche Propaganda unveränder­t aus der Nazizeit weiter verbreitet werden, wenn von der drohenden Unterwerfu­ng des christlich­en Abendlands durch das Weltjudent­um die Rede sei. Nicht so offensicht­lich, dafür aber umso gefährlich­er für die Werte einer christlich geprägten Demokratie ist für ihn eine Sprache, die unterschwe­llig eine Bedrohung unserer Mehrheitsg­esellschaf­t durch Minderheit­en suggeriert, indem beispielsw­eise von einer Flüchtling­swelle gesprochen werde.

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FOTO: ANTON WASSERMANN Mathieu Coquelin bei seinem Votrag im großen Saal der Akademie der Diözese in Weingarten.

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