Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Den Hassreden etwas entgegensetzen
Diözesanakademie und Demokratiezentrum widmen sich gemeinsam einem gesellschaftspolitischen Problem
WEINGARTEN - Schon immer hat sich die Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart mit ihrer Außenstelle in Weingarten als eine Institution verstanden, die über den Tellerrand innerkirchlicher Diskussionen hinausblickt. So auch am vergangenen Wochenende, als sie zusammen mit dem Demokratiezentrum Oberschwaben Multiplikatoren aus der Jugendarbeit einlud zum Thema „Hate Speech – dagegen reden“, zur Frage also, wie man Hassreden im Internet wirksam begegnen kann.
Als versierten Experten stellten dazu Christa Reich von der Akademie sowie Stefanie Kruse und Friederike Höhndorf vom Demokratiezentrum Oberschwaben den Jugendreferenten Mathieu Coquelin vor, der nach einigen Jahren praktischer Erfahrung in der offenen Jugendarbeit die Fachstelle Extremismusdistanzierung beim Demokratiezentrum Baden-Württemberg leitet.
Rassistische Angriffe
Politische Extremisten, so seine Erkenntnis, nutzten gesellschaftliche Probleme, um Minderheiten pauschal verächtlich zu machen. Das gelte für Geflüchtete ebenso wie für Homosexuelle, Menschen mit Behinderung, für Muslime, Juden oder andere, die sie als Zielscheibe rassistischer Angriffe ausgemacht haben. Vielfach komme man solchen Hasspredigern nicht mit juristischen Mitteln bei, weil der Tatbestand der Volksverhetzung im Strafgesetzbuch sehr eng umrissen sei, erklärte Coquelin. Mit gezielten Provokationen verschiebe beispielsweise die AfD die Grenzen des Sag- und Zumutbaren sehr geschickt.
Als wirksames Mittel dagegen empfahl er, entsprechenden Stellungnahmen im Internet sachlich zu widersprechen, um anderen Nutzern zu zeigen, dass Hassreden dort keinesfalls auf ungeteilte Zustimmung stoßen. Man finde im Netz aber auch Institutionen, die Meldungen über angebliche Straftaten beispielsweise von Zuwanderern überprüfen und öffentlich verbreiteten Lügen entgegentreten. Wer solche faktengestützten Richtigstellungen teilt, setze ein wichtiges Gegengewicht zu Hate Speech und Fake News.
„Versuchen Sie allerdings nicht, Anhänger von Verschwörungstheorien oder anderen abstrusen Gedanken zu missionieren“, riet der Referent: „Aber sie können in Diskussionen kritische Fragen stellen und so erreichen, dass andere erkennen, wo die wunden Punkte ihrer Argumentation liegen.“An einem Beispiel zeigte der Referent auf, wie antisemitische Propaganda unverändert aus der Nazizeit weiter verbreitet werden, wenn von der drohenden Unterwerfung des christlichen Abendlands durch das Weltjudentum die Rede sei. Nicht so offensichtlich, dafür aber umso gefährlicher für die Werte einer christlich geprägten Demokratie ist für ihn eine Sprache, die unterschwellig eine Bedrohung unserer Mehrheitsgesellschaft durch Minderheiten suggeriert, indem beispielsweise von einer Flüchtlingswelle gesprochen werde.