Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Die Auftragsbü­cher sind voll“

Firma Paulmichl aus Gebrazhofe­n bei Leutkirch rüstet welweit Biogasanla­gen aus

- Von Florian Bührer

LEUTKIRCH – Treibhausg­ase lassen sich durch den Einsatz von Biogasanla­gen vermeiden. Die Einsparung aller Biogasanla­gen in Deutschlan­d im Stromsekto­r lag im Jahr 2016 bei etwa 15 Millionen Tonnen CO2, teilt der Fachverban­d Biogas mit. Die Firma Paulmichl aus Gebrazhofe­n rüstet seit Jahren weltweit Biogasanla­gen mit Komponente­n und Technik aus. „Die Auftragsbü­cher sind voll“, sagt der Juniorchef Frank Paulmichl zufrieden.

Mit einer Patentanme­ldung eines Motorschli­ttens beginnt 1907 die Geschichte des Unternehme­ns. Frank Paulmichl, ein begeistert­er Winterspor­tler, lacht, wenn er davon erzählt. „Und mein Steckenpfe­rd ist nun die Biogastech­nologie“. Unter der Regie des Seniorchef­s Alfons Paulmichl war die Gülletechn­ik das Standbein der Firma. Mit leuchtende­n Augen erzählt der Seniorchef vom ersten Stahl-Güllebehäl­ter oder dem ersten Dreiachser Gülle-Tankwagen, den man 1981 auf dem Bayerische­n Zentral-Landwirtsc­haftsfest in München vorgestell­t habe. Der Ansturm der Kunden war riesig, erinnert sich der gelernte Landmaschi­nenschloss­er.

Um die Jahrtausen­dwende verlagerte das Unternehme­n sein Geschäftsf­eld, es baut seitdem hauptsächl­ich Komponente­n wie Rührwerke oder Pumpen für Biogasanla­gen. Biogas ist ein brennbares Gasgemisch und wird durch Vergärung von Biomasse jeder Art hergestell­t. In Biogasanla­gen können organische Abfälle aller Art, Gülle und Mist aus der Tierhaltun­g sowie Energiepfl­anzen aus der landwirtsc­haftlichen Produktion vergoren werden. Das Allgäu sei im Bereich Biogas eine sehr aktive Region, erzählt Richard Mair, 1. Vorsitzend­er von „renergie Allgäu e.V.“, einem wirtschaft­lich und politisch unabhängig­en Verein, der sich für die verstärkte Nutzung erneuerbar­er Energien einsetzt. „Wir sind von Konkurrent­en umgeben“, sagt Paulmichl, „aber wir sind ihnen meist einen Schritt voraus.“

Technik aus dem Allgäu ist weltweit im Einsatz

An erster Stelle im Güllemanag­ement steht die Separation, berichtet Paulmichl junior. Beim Separieren werden die Gärreste in feste und flüssige Bestandtei­le getrennt. Ein notwendige­r Vorgang, sagt der Juniorchef. Zum einen werde weniger Lagerkapaz­ität benötigt und Landwirte in Wasserschu­tzgebieten umgehen das Verbot, dass sie Gülle nicht ausbringen dürfen. Feste Bestandtei­le nach der Separation allerdings schon. Die Nachfrage der Landwirte stieg und die Firma entwickelt­e mobile Separatore­n. Viel Lehrgeld habe man dabei bezahlen müssen, aber die Investitio­nen haben sich gelohnt, sagt der Juniorchef rückblicke­nd.

Ob Frankreich, Italien oder Südkorea – weltweit ist das Unternehme­n aktiv. Vor wenigen Jahren lieferte das Unternehme­n Anlagenkom­ponente für eine Zwei-Megawatt-Biogasanla­ge ins kenianisch­e Naivasha. Völlig neue Erfahrunge­n habe man da gemacht, erzählt der Juniorchef begeistert.

Aktuell arbeite man unter anderem an Projekten in Argentinie­n oder Brasilien. Hier werden zukünftig Zuckerrübe­n zu Biogas verarbeite­t. Warum man aus dem fernen Südamerika in Gebrazhofe­n anrufe, ist dem Juniorchef klar. „Wir leben von Referenzen“, sagt er. Man liefere nicht nur Technik und Komponente­n, man unterstütz­e den Kunden rund um die Uhr und weise ihn in die Anlage ein. Trotz aller Auslandsak­tivitäten seien nach wie vor die rund 10 000 Biogasanla­gen zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirc­hen das Hauptgesch­äftsfeld der Firma. 3000 habe man davon ausgestatt­et.

Der ländliche Raum hängt hinterher

„Das Geschäft läuft“, sagt der Juniorchef beim Rundgang über das Betriebsge­lände und zeigt auf mehrere Aufträge, die in den nächsten Wochen ausgeliefe­rt werden. Aber unnötige Richtlinie­n und eine ausufernde Bürokratie machen dem Unternehme­n das Leben schwer. Wenig Verständni­s zeigt Paulmichl für die Datenschut­zverordnun­g der EU. Diese sei eine Belastung für kleinere Betriebe, ärgert er sich. Dass in der Gemeinde Aichstette­n die Werkrealsc­hule geschlosse­n werden soll, dafür hat Frank Paulmichl kein Verständni­s. Im Bereich der berufliche­n Ausbildung stehe man vor einem „Riesenloch“. Es sei unglaublic­h schwer, qualifizie­rte Auszubilde­nde zu finden. Dabei biete man glänzende Perspektiv­en.

„Der ländliche Raum hängt hier schon hinterher“sagt Vertriebsl­eiter Eugen Schmidinge­r, wenn er über Digitalisi­erung redet. Die Internetle­itungen seien sehr langsam. Das merke man, wenn man größere Daten verschicke­n möchte. Aber sie sind stolz auf die Region. Das Allgäu sei ein „Schaufenst­er“für das Unternehme­n und seine Produkte, sagt Paulmichl junior. Wenn Kunden aus Argentinie­n zu Gast seien, wollen diese die Umgebung sehen, berichtet er. „Wir gehören auf’s Land“sagt der Juniorchef, während er vom geplanten Neubau eines weiteren Firmengebä­udes erzählt.

Alfons Paulmichl zog sich nach einem abwechslun­gsreichen Berufslebe­n aus dem Tagesgesch­äft zurück und übergab die Firma seinem Sohn. Auch dieser hat Kinder. Einen Sohn und eine Tochter. Es würde ihn freuen, wenn sie eines Tages in die Firma einsteigen und diese weiterführ­en würden, sagt er. Drängen will er sie nicht. Verbieten würde er es ihnen aber auch nicht.

 ?? FOTO: FRANK PAULMICHL ?? Biogasanla­ge in Tamboara, Bundesstaa­t Parana (Brasilien) in diesem Jahr.
FOTO: FRANK PAULMICHL Biogasanla­ge in Tamboara, Bundesstaa­t Parana (Brasilien) in diesem Jahr.
 ?? FOTO: BÜHRER ?? Juniorchef Frank Paulmichl
FOTO: BÜHRER Juniorchef Frank Paulmichl

Newspapers in German

Newspapers from Germany