Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Ravensburg hat keine Gewerbeflächen mehr
Betriebe können nur noch in die Höhe wachsen – Stadt lockert die Vorschriften
RAVENSBURG - Viele Firmen wollen wachsen. Aber so einfach ist das in Ravensburg nicht (mehr) – das Schussental ist eng und die Flächen sind endlich. Weil alle Gewerbegebiete so gut wie voll sind, fährt die Stadtverwaltung nun eine Doppelstrategie: Sie checkt ab, ob und in welche Richtung sich bestehende Gewerbegebiete doch noch ausdehnen könnten. Und sie lockert die Vorschriften, um – etwa durch höhere Gebäude – mehr Nachverdichtung zu ermöglichen.
Eigentlich hätten die 24 Hektar in Erlen an der B 33 Richtung Bavendorf bis 2022 reichen sollen – nun sind dort aber nur noch mickrige zwei Grundstücke übrig. Das ist ein Problem, denn: Weder um Erlen noch um andere Gewerbegebiete herum hat die Stadt Vorratsflächen. Der Bedarf von insgesamt 70 Hektar NettoBauland läuft ins Leere. „Nicht ein Quadratmeter gehört uns“, bringt Baubürgermeister Dirk Bastin das Dilemma auf den Punkt. Da bleibt nur eins: Die bestehenden Flächen besser auszunutzen. Zumindest so lange, bis der neue Flächennutzungsplan fertig ist und man neue Gewerbegebiete ausweisen kann. Das dauert aber mindestens noch fünf Jahre.
Damit Unternehmen nicht so lange warten müssen, um sich auszubreiten, darf eine Halle in Erlen beispielsweise mittlerweile zwölf statt wie vormals nur neun Meter hoch werden – Vetter Pharma hat den Spielraum beim zweiten Bauabschnitt bereits genutzt. Bürogebäude können um viereinhalb auf 25 Meter aufgestockt werden. Das schafft Fläche – bedeutet aber auch einen größeren Eingriff ins Landschaftsbild. In Sachen Arbeitsplatzdichte wurden hingegen neue Vorgaben eingeführt: So muss ein Dienstleister in Erlen nun mindestens neun, ein Produktionsbetrieb fünf Mitarbeiter auf 1000 Quadratmetern beschäftigen.
Zwar gibt es laut Bastin für Mariatal, wo sich ebenfalls die Anfragen häufen, „noch keinen konkreten Plan“– doch findet der Baubürgermeister: „Hier bietet sich eine Ausweitung an.“Bis es so weit ist, könnten etwa die Stellplätze in einem Parkhaus gestapelt oder die Baufenster auf den Grundstücken erweitert werden, um Druck rauszunehmen. Auch Karrer ist durch die Lage direkt an der B 30 neu ein interessanter Standort. Dort klopft das Stadtplanungsamt derzeit ab, in welche Richtung das Gewerbegebiet wachsen könnte. Fest steht: Das Areal „eignet sich grundsätzlich für eine Weiterentwicklung“, so Bastin. Und: Es müssen „mindestens zehn Hektar“dabei herausspringen.
Wobei Gewerbegebiete weder Wald noch Wohngebieten zu nahe kommen dürfen. Auch Naturschutzbelange gilt es zu berücksichtigen. Nutzungskonflikte wie beispielsweise Obstplantagen oder Tierhaltung können sich ebenfalls als K.o.-Kriterium erweisen. Und oft gehören infrage kommende Flächen unterschiedlichen Eigentümern, die häufig gar nicht verkaufen wollen. Fazit: „Einfache Gewerbeflächen gibt es nicht mehr“, so Bastin. In Ravensburg mit seiner topografischen Lage, bei der nicht zuletzt die Kaltluftschneisen zu berücksichtigen sind, schon gar nicht. Darum steht für den Baubürgermeister außer Frage, „dass wir uns für interkommunale Flächen öffnen müssen“. Infrage kommen insbesondere große, verkehrsgünstige Areale in Baindt und Baienfurt.