Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Jurist aus Bayern fürs Bamf
Hans-Eckhard Sommer wird neuer Chef des Bundesamts
BERLIN (dpa/KNA) - Hans-Eckhard Sommer wird neuer Leiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf). Der bisherige Leiter des Sachgebiets Ausländer- und Asylrecht im bayerischen Innenministerium folgt auf die von Innenminister Horst Seehofer (CSU) entlassene Jutta Cordt.
Seehofer hatte bereits „eine tiefgreifende Reform“der Behörde angekündigt. Das Bamf war massiv in die Kritik geraten, als bekannt wurde, dass seine Bremer Außenstelle 1200 Menschen Asyl ohne die nötige Rechtsgrundlage gewährt hatte.
Auch Klagen über organisatorische Mängel bei der Behörde häuften sich, etwa darüber, dass unzureichend ausgebildete Mitarbeiter über das Schicksal von Flüchtlingen entscheiden würden. Auf Sommer, der sich 2015 kurzzeitig für das Amt des Landrats im Kreis Ravensburg interessiert hatte, warten damit große Herausforderungen.
Die Affäre wegen Unregelmäßigkeiten bei der Asylvergabe hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) in eine tiefe Vertrauenskrise gestürzt. Auf Hans-Eckhard Sommer, den neuen Leiter der Bundesbehörde, wartet eine Herkulesaufgabe: Er muss vor allem die Affäre in der Bremer Außenstelle aufklären und die Behörde reformieren. Nicht zuletzt muss er den Mitarbeitern aber auch wieder das Selbstvertrauen geben, um angemessene Entscheidungen zu treffen.
Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise lag beim Bamf ein Berg von 1,4 Millionen Anträgen. Deshalb wurde die Zahl der Entscheider erhöht. Zugleich wuchs aber auch der Druck auf sie, schneller zu arbeiten. Damit nahm die Zahl der absichtlichen oder unbeabsichtigten Fehlentscheidungen zu. Nicht nur in der Bremer Bamf-Stelle gibt es Zweifel an der Qualität der Asylentscheide. Zwar gelten bundesweit die gleichen Regeln. Dennoch hängt die Erfolgsquote auch davon ab, in welchem Bundesland ein Antrag gestellt wird.
Die höchste Chance auf Schutz hatten etwa Afghanen 2017 in Bremen (65,2 Prozent), die geringste in Bayern (37,8 Prozent). Die neue Leitung muss auch hier die Verfahren vereinheitlichen. Denn diese Unterschiede provozieren geradezu Widerspruch und führen zu einer großen Zahl von Verfahren bei den Verwaltungsgerichten. Bislang haben sich nach Angaben von Robert Seegmüller, Vorsitzender des Bundes Deutscher Verwaltungsrichter, 350 000 bis 400 000 Asylverfahren bei den Verwaltungsgerichten angesammelt.
Im Bundesamt selbst könnte sich umgekehrt die Zahl der Widerrufsprüfungen erhöhen, bei denen untersucht wird, ob der Schutzstatus eines anerkannten Asylbewerbers tatsächlich gegeben ist. Denn durch den Druck, möglichst schnell zu entscheiden, könnten Bamf-Mitarbeiter auf die Idee gekommen sein, in Grenzfällen eher für Anerkennung zu plädieren als für Ablehnung. Denn für die Anerkennung war lediglich ein Schriftsatz von etwa zwei Seiten ohne jegliche Begründung nötig. Eine Ablehnung musste in einem vielseitigen Schriftsatz erklärt werden, war also wesentlich arbeitsintensiver.
Durch Fehlentscheidungen – in die eine wie in die andere Richtung – kommen also viele Überprüfungen auf das Bamf zu. Der eben erst abgebaute Berg von Fällen wird wieder steigen. Innenminister Horst Seehofer (CSU) hat angekündigt, befristete Stellen von Mitarbeitern zu entfristen. Hans-Eckhard Sommer muss die Mannschaft völlig neu aufstellen. Zudem muss die technische und insbesondere die digitale Ausrüstung wesentlich verbessert werden.
Wie gesagt: Es wartet eine Herkulesaufgabe.