Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Kultur leben
An Lateinamerika lässt sich Vieles beweisen – und leider viel Erschreckendes und Beunruhigendes. Dass der Kontinent, schlimmer als zu kolonialen Zeiten, für seine Rohstoffe geplündert, das Erbe der gesamten Menschheit, die Regenwälder, unwiderruflich vernichtet werden. Geplündert vor allem für die westlichen Konsumgesellschaften (inzwischen auch für die neuen Mittelschichten in Asien, im Orient. Gigantische Monokulturen wie Soja, Zuckerrohr (auch für Biosprit!), Bananen, Kaffee oder Rinderzucht werden sich in Savannen verwandeln. Wo Aluminiumkonzerne wie Norsk Hydro oder Ölmultis wie Texaco und Chevron Milliarden verdienen, hinterlassen sie vergiftete Felder und Flüsse. Wo Bananenplantagen aus Flugzeugen mit Pflanzengiften besprüht werden, steigt die Krebsrate unter den Arbeitern. An Lateinamerika lässt sich beweisen, dass den global players Mensch und Natur egal sind. Nein, weniger noch: Millionen Kleinbauern werden vertrieben in die Slums der Megacities. Die Bewegung der Landlosen wird kriminalisiert, ihre Anführer erschossen. Nicht anders die „Wächter der Natur“, die Indigenen Völker. 46 Umweltschützer wurden in Brasilien im letzten Jahr, ermordet, 32 in Kolumbien. Die „Sojakönige“mit ihren Privatarmeen kontrollieren mit Bestechung Parlamente und Justiz, nicht nur in Brasilien. Der ehemalige Sandinist Daniel Ortega machte Nicaragua zum Familienbesitz, die Zahl der von der Polizei erschossenen Demonstranten geht in die Tausende. Das ölreiche Venezuela ist unter dem Diktator Maduro zum Hungerland geworden. Lateinamerika entlarvt die Lobpreisungen der Globalisierung durch neoliberale Ökonomen als Lüge.
Und deshalb sind zwei Abendveranstaltungen der Akademie Weingarten im Rahmen der Lateinamerikagespräche 2018 von hoher Brisanz und Relevanz: Am 22. Juni um 19.30 Uhr geht es um Menschenrechte mit Eva Kalny, Universität Hannover, und Michael Krennerich, Universität ErlangenNürnberg. Am 29. Juni um 20 Uhr geht es um „Die Sicht indigener Völker auf den Schutz der Mutter Erde.“Es dürfte ein Abend von ganz seltener Authentizität werden, was mit der besonderen Erfahrung der neuen Leiterin des Tagungshauses Weingarten der Diözese zu tun hat: Heike Wagner studierte nicht nur in Quito, sondern promovierte über ecuadorianische Wanderarbeiterinnen in Madrid und unterrichtete an zwei ecuadorianischen Universitäten. Und so wird Patricia Gualinga von der indigenen Gemeinschaft der Sarayaku vom lebensbedrohlichen Kampf für den Erhalt der Regenwälder berichten, denn, so sagt sie, „wir kämpfen um unser, euer Überleben und das der ganzen Welt“. Die Ökonomien der Indigenen Lateinamerikas sind seit Urzeiten nachhaltig. In kolonialer Kulturarroganz meinte das „zivilisierte“Europa, den „Primitiven“den Fortschritt bringen zu müssen. Es ist Zeit, zu begreifen, wer für das Überleben der Menschheit die nachhaltigere Philosophie hat. Dieser Abend bietet eine wundervolle Chance. Anmeldungen zu beiden Veranstaltungen unter der Telefonnummer 0751-5686-413.
wolfram.frommlet@t-online.de