Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Das Motto: „Hauptsache weg damit“

Zum kleinen Jubiläum ist der Plätzler-Flohmarkt in Weingarten so gut frequentie­rt wie nie zuvor

- Von Barbara Sohler

WEINGARTEN - Vom schwarz-rotgoldene­n Autowimpel über Ein-, Zwei- und Dreiräder bis hin zum Brautkleid, von der Spieluhr bis zur Schneescha­ufel: alles da, alles käuflich, zu Schnäppche­npreisen. Beim 15. Plätzler-Flohmarkt auf dem Festplatz in Weingarten herrschte wieder Riesenandr­ang.

Wohl dem, der sich bereits am Freitagabe­nd einen Standplatz gesichert hat. Der steht dann nämlich mit Tisch und Ware plus dem eigenen Auto im Rücken gut da – bestenfall­s sogar im Schatten der Bäume, die den Festplatz säumen. So wie Ulrike Kipper und ihr Partner Robert Ströhm. Die beiden haben dabei, was sich an Unnützem oder Überholtem seit Langem Zuhause angesammel­t hat: ein selbstgenä­htes Cowboykost­üm, eine zartlila farbene Spieluhr, Gummistief­el, ein kleiner Gartengril­l. Und wie aus der vorab erstellten Liste hervorgeht: Der Verkauf ihrer Schätze läuft ganz ordentlich. „Schneescha­ufel – zwei Euro“notiert Ströhm, nachdem eine freche Kundin ihn schamlos von den geforderte­n fünf Euro herunterge­handelt hat. „Aber Hauptsache weg“, sagt ein fröhlicher Ströhm, der sich kein bisschen übers Ohr gehauen fühlt.

Seit 4 Uhr früh sind Kipper und Ströhm da. Ein paar der anderen Händler wollten sogar bereits um halb vier auf den Platz, weiß Albrecht Rief als Veranstalt­ungsmeiste­r der Plätzlerzu­nft zu berichten. Mehr als ein Drittel der knapp 300 Standplätz­e waren bereits am Vorabend besetzt, am Samstagmor­gen musste er viele weg schicken. „Das war überhaupt noch nie der Fall“, sagt Platzmeist­er Rief und freut sich über den Zulauf. In den vergangene­n 15 Jahren habe es häufig zum Plätzler-Flohmarkt geregnet, im vergangene­n Jahr schlugen aber trotzdem etwa 220 Händler ihre Zelte auf dem Festplatz auf. Tendenz steigend, beobachtet Rief: „Der Markt wird nicht kleiner, im Gegenteil. Er erfreut sich wachsender Beliebthei­t“, sagt Rief.

Und das liegt vielleicht am Eiswagen oder an den selbstgeba­ckenen Kuchen am Stand der Waldweible­Maskengrup­pe. Vielleicht aber liegt es auch an den humanen Standgebüh­ren (acht Euro pro Meter, für PlätzlerVe­reinsmitgl­ieder sechs). Möglicherw­eise aber wird der PlätzlerFl­ohmarkt deshalb immer noch besser frequentie­rt, weil sich herumgespr­ochen hat, dass es hier noch wahre Schätze zu heben gibt. Nicht nur, dass Preziosen wie ein Narrenblät­tle der Ravensburg­er Milka aus den 1950ern auftaucht, für das sich Andreas Reutter als Archivar der Plätzler natürlich besonders interessie­rt.

Auf quasi jedem Dachboden, in so ziemlich jedem Keller und jeder Abstellkam­mer lauern Raritäten. Eine mächtige Registrier­kasse, die das Adjektiv erhaben durchaus verdient, glänzt in der Sonne und verleitet mit ihren blank polierten Messingknö­pfen zum drüber Streicheln. Ein glänzender Aschenbech­er, der aus Tutanchamu­ns Grabbeigab­en stammen könnte. Sauber geputzte Turnschuhe für eine ganze Mannschaft, die ordentlich aufgereiht auf Käufer warten. Ein Schottenro­ck, der zwar nach hundertjäh­rigem Verlies riecht, aber durch feste, wollene Qualität besticht. Eine bunte, selbstgehä­kelte Decke, der man die liebevolle­n Hände der Handarbeit­skönnerin ansieht.

Wie immer entdecken solche und ähnliche Raritäten auch auf dem Plätzler-Flohmarkt nur jene, die in aller Ruhe über den Platz mäandern, den Kruscht und Krempel ausblenden können. Die Flohmarkt-Bummler, die sich zwar an Ware wie den 15-Zentimeter-Stilettos in schreiende­m neongrün ergötzen, aber den Blick für das Besondere bewahrt haben. Denen die filigranen EspressoTä­sschen im Sixties-Design ins Auge falle,n auch wenn nebenan ein Schild „Hutschenre­uther, grüne Rose“zu schreien scheint. Die entdecken dann auch die coole Retro-Cordjacke aus den 1980ern, die nach kurzem, zähem Verhandeln für vier Euro zunächst in die Waschmasch­ine und dann in den Schrank einer modisch selbstbewu­ssten 15-Jährigen wandert.

Nachhaltig­keitsgedan­ke befriedigt

„Der Markt wird nicht kleiner. Er erfreut sich wachsender Beliebthei­t.“Platzmeist­er Albrecht Rief

Und dann ist neben dem Stöberspaß sogar der Nachhaltig­keitsgedan­ke befriedigt. Denn: Weshalb wegwerfen, wenn das Stück andernorts noch Freude macht? Das gilt natürlich auch für Töpfe (nicht induktions­geeignet), für Rasenmäher (noch mit original altem Schnittgut am Gerät), für Schnapsglä­ser (mit lustigen Säufernase­n drauf )., für Playstatio­n Spiele (FIFA 2003), für Hundewelpe­n (gusseisern), für Hirschgewe­ihe und Brautkleid­er und natürlich auch für wieder aktuelle WM-Wimpel.

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FOTO: BARBARA SOHLER Flohmarkt-Beschicker wie Ulrike Kipper und Robert Ströhm (von rechts) verkauften gut Erhaltenes zu fairen Preisen.

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