Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Das Motto: „Hauptsache weg damit“
Zum kleinen Jubiläum ist der Plätzler-Flohmarkt in Weingarten so gut frequentiert wie nie zuvor
WEINGARTEN - Vom schwarz-rotgoldenen Autowimpel über Ein-, Zwei- und Dreiräder bis hin zum Brautkleid, von der Spieluhr bis zur Schneeschaufel: alles da, alles käuflich, zu Schnäppchenpreisen. Beim 15. Plätzler-Flohmarkt auf dem Festplatz in Weingarten herrschte wieder Riesenandrang.
Wohl dem, der sich bereits am Freitagabend einen Standplatz gesichert hat. Der steht dann nämlich mit Tisch und Ware plus dem eigenen Auto im Rücken gut da – bestenfalls sogar im Schatten der Bäume, die den Festplatz säumen. So wie Ulrike Kipper und ihr Partner Robert Ströhm. Die beiden haben dabei, was sich an Unnützem oder Überholtem seit Langem Zuhause angesammelt hat: ein selbstgenähtes Cowboykostüm, eine zartlila farbene Spieluhr, Gummistiefel, ein kleiner Gartengrill. Und wie aus der vorab erstellten Liste hervorgeht: Der Verkauf ihrer Schätze läuft ganz ordentlich. „Schneeschaufel – zwei Euro“notiert Ströhm, nachdem eine freche Kundin ihn schamlos von den geforderten fünf Euro heruntergehandelt hat. „Aber Hauptsache weg“, sagt ein fröhlicher Ströhm, der sich kein bisschen übers Ohr gehauen fühlt.
Seit 4 Uhr früh sind Kipper und Ströhm da. Ein paar der anderen Händler wollten sogar bereits um halb vier auf den Platz, weiß Albrecht Rief als Veranstaltungsmeister der Plätzlerzunft zu berichten. Mehr als ein Drittel der knapp 300 Standplätze waren bereits am Vorabend besetzt, am Samstagmorgen musste er viele weg schicken. „Das war überhaupt noch nie der Fall“, sagt Platzmeister Rief und freut sich über den Zulauf. In den vergangenen 15 Jahren habe es häufig zum Plätzler-Flohmarkt geregnet, im vergangenen Jahr schlugen aber trotzdem etwa 220 Händler ihre Zelte auf dem Festplatz auf. Tendenz steigend, beobachtet Rief: „Der Markt wird nicht kleiner, im Gegenteil. Er erfreut sich wachsender Beliebtheit“, sagt Rief.
Und das liegt vielleicht am Eiswagen oder an den selbstgebackenen Kuchen am Stand der WaldweibleMaskengruppe. Vielleicht aber liegt es auch an den humanen Standgebühren (acht Euro pro Meter, für PlätzlerVereinsmitglieder sechs). Möglicherweise aber wird der PlätzlerFlohmarkt deshalb immer noch besser frequentiert, weil sich herumgesprochen hat, dass es hier noch wahre Schätze zu heben gibt. Nicht nur, dass Preziosen wie ein Narrenblättle der Ravensburger Milka aus den 1950ern auftaucht, für das sich Andreas Reutter als Archivar der Plätzler natürlich besonders interessiert.
Auf quasi jedem Dachboden, in so ziemlich jedem Keller und jeder Abstellkammer lauern Raritäten. Eine mächtige Registrierkasse, die das Adjektiv erhaben durchaus verdient, glänzt in der Sonne und verleitet mit ihren blank polierten Messingknöpfen zum drüber Streicheln. Ein glänzender Aschenbecher, der aus Tutanchamuns Grabbeigaben stammen könnte. Sauber geputzte Turnschuhe für eine ganze Mannschaft, die ordentlich aufgereiht auf Käufer warten. Ein Schottenrock, der zwar nach hundertjährigem Verlies riecht, aber durch feste, wollene Qualität besticht. Eine bunte, selbstgehäkelte Decke, der man die liebevollen Hände der Handarbeitskönnerin ansieht.
Wie immer entdecken solche und ähnliche Raritäten auch auf dem Plätzler-Flohmarkt nur jene, die in aller Ruhe über den Platz mäandern, den Kruscht und Krempel ausblenden können. Die Flohmarkt-Bummler, die sich zwar an Ware wie den 15-Zentimeter-Stilettos in schreiendem neongrün ergötzen, aber den Blick für das Besondere bewahrt haben. Denen die filigranen EspressoTässchen im Sixties-Design ins Auge falle,n auch wenn nebenan ein Schild „Hutschenreuther, grüne Rose“zu schreien scheint. Die entdecken dann auch die coole Retro-Cordjacke aus den 1980ern, die nach kurzem, zähem Verhandeln für vier Euro zunächst in die Waschmaschine und dann in den Schrank einer modisch selbstbewussten 15-Jährigen wandert.
Nachhaltigkeitsgedanke befriedigt
„Der Markt wird nicht kleiner. Er erfreut sich wachsender Beliebtheit.“Platzmeister Albrecht Rief
Und dann ist neben dem Stöberspaß sogar der Nachhaltigkeitsgedanke befriedigt. Denn: Weshalb wegwerfen, wenn das Stück andernorts noch Freude macht? Das gilt natürlich auch für Töpfe (nicht induktionsgeeignet), für Rasenmäher (noch mit original altem Schnittgut am Gerät), für Schnapsgläser (mit lustigen Säufernasen drauf )., für Playstation Spiele (FIFA 2003), für Hundewelpen (gusseisern), für Hirschgeweihe und Brautkleider und natürlich auch für wieder aktuelle WM-Wimpel.