Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Feuer frei: Bürger können Problemstellen nennen
Bis 31. Juli kann man auf einer Internet-Karte markieren, wo es in Sachen Verkehr klemmt oder gefährlich ist
RAVENSBURG - Nun können die Bürger sich im Internet verbal austoben und zudem auf einer digitalen Karte markieren, wo es ihrer Ansicht nach in Sachen Verkehr klemmt oder gefährlich ist. Die Gelegenheit haben, seit die Online-Plattform am 18. Juni freigeschaltet wurde, schon etliche Leute genutzt. Der Startschuss zum Internet-Dialog fiel am Montagabend im Kultur- und Kongresszentrum Weingarten. 50 Leute waren gekommen. Damit geht der Verkehrsentwicklungsplan Mittleres Schussental nun in die nächste Runde.
Auf der Webseite wird beispielsweise moniert, dass „sehr viele Ampeln entlang der alten B 30 den Radverkehr stark ausbremsen“. Oder dass es weder an der Schlierer Straße noch entlang der Friedhofstraße einen Radweg von Ravensburg nach Fenken gibt. Stattdessen sei die Friedhofstraße „inzwischen bis oben voll mit parkenden Pendlern, die zu den Stoßzeiten eine unübersichtliche Situation verursachen und die Straße stark einengen, sodass man bei einem entgegenkommenden Auto mit dem Fahrrad nicht mehr durchkommt“. Ein weiterer Eintrag gibt zu bedenken: Das Wohngebiet oberhalb des Elisabethenkrankenhauses sei nicht an den öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) angeschlossen – dabei sei die dortige Bevölkerung „oft betagt und Autofahren die einzige Möglichkeit, sofern die Kondition zum Laufen nachlässt“. Gewünscht werden darüber hinaus während der Stoßzeiten etwa eine Extra-Busspur in der Wangener Straße und bessere Abstellmöglichkeiten für teure E-Bikes.
„Es braucht mutige Beschlüsse“
All diese Vorschläge werden gesammelt, dann folgen im Herbst BürgerWorkshops in den zum Gemeindeverband Mittleres Schussental (GMS) gehörenden Kommunen Ravensburg, Weingarten, Berg, Baienfurt und Baindt. Am Ende werden Ziele festgezurrt, wie die Mobilität in der Region zukunftsweisend aufgestellt werden kann. Die Bevölkerung kann sich einbringen, die Verkehrsplaner schlagen ein Maßnahmenbündel vor – entscheiden werden letztlich die Gemeinderäte. Wobei Ravensburgs Baubürgermeister Dirk Bastin schon jetzt fordert: In Anbetracht der „Zeitenwende“in Sachen Verkehr „braucht es mutige politische Beschlüsse“.
Das wird, wie die Ravensburger Grünen-Fraktionschefin Maria Weithmann es auf den Punkt brachte, nicht ohne Konflikte abgehen: „Wenn wir mehr Radwege wollen“, gab sie im Kuko zu bedenken, „wird das auf Kosten von was anderem gehen.“Weithmann stellt es sich aber schwierig vor, „eine Mehrheit dafür zu finden, etwa einige Parkplätze einzustampfen“. Ein Besucher aus Berg hält es für besser, statt der Autofahrer-Fraktion etwas wegzunehmen, Anreize für sie zu schaffen – indem der öffentliche Nahverkehr „günstiger und besser wird – auch wenn das einen Haufen Geld kostet“.
Momentan ist, wer mit Bus und Bahn zur Arbeit fährt, allerdings ziemlich gefrustet – selbst wenn er ein Überzeugungstäter ist: Viele Besucher kritisierten in Weingarten die Taktung, die ein Umsteigen etwa von der BOB-Bahn in den Bus gen Weststadt „sehr schwierig“macht. Ulrich Wolf, der seit 20 Jahren von Ravensburg nach Friedrichshafen zur Arbeit pendelt, kann ein Lied davon singen. Besonders ärgerlich: Seit der Fahrplanumstellung beim Stadtbus vor rund zwei Jahren braucht er statt 30 nun 40 Minuten, um von hier nach da zu kommen. Denn auf die Minute genau, wenn der Zug abends in Ravensburg ankommt, fährt sein Bus an der Meersburger Straße ab. Ulrichs Frau Bettina plädiert darüber hinaus für Kurzstreckentarife: Sie sieht nicht ein, warum sie für ein paar Stationen in der Weststadt genauso viel für ein Busticket bezahlen muss wie jemand, der bis nach Baienfurt fährt.
Zäher Prozess
Dennoch hoffen viele, dass der Verkehrsentwicklungsplan „zu einem Umdenken“führt, wie es der Weingartener Grünen-Stadtrat Klaus Keßel formuliert. Ein Online-Kommentar zielt in dieselbe Richtung: „Man muss sich grundsätzlich entscheiden, ob man dem ÖPNV oder dem Individualverkehr im Schusstental den Vorrang geben will.“Dass sich dieser Prozess zäh gestalten dürfte, machte Bastin mit Hinweis auf die Umgestaltung des Ravensburger Bahnhofsvorplatzes deutlich: Es habe drei Jahre gedauert, ehe sich der Frust der Autofahrer, dass man ihnen dort eine Spur weggenommen habe, „einigermaßen gelegt hat“.
Wer mitteilen und markieren möchte, wo’s im Schussental gefährliche Stellen im Straßenverkehr gibt oder Verbesserungsvorschläge hat, kann das im Internet tun unter www.verkehrsentwicklungsplan-schussental.de