Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Wer braucht zwei Bananen und ein Sofa?
Veranstalter und Künstler treffen sich zum Kultur-Networking im Biergarten des Hoftheaters
BAIENFURT - Eine Kulturbörse ist ein Ort, an dem Kultur bestaunt, gehandelt und im besten Fall eingekauft wird – genau so wie andernorts Oldtimer, Edelsteine oder Briefmarken. Und weil im Süden der Republik das Hoftheater in Baienfurt mittlerweile als eine gute Adresse für Kultur gilt, ist es durchaus sinnvoll, dass dort die zweite „Hof Kultur Börse“steigt – für Veranstalter, Agenten und Künstler. So geschehen am vergangenen Montag und Dienstag. Und die Beteiligten hatten allerhand Spaß.
Das Konzept ist schlüssig, die Teilnehmer sind eindeutig erkennbar an bunten Akkreditierungsbändeln: Wer als Veranstalter die Börse besucht, trägt Gelb, die Agenten haben ein rotes Band, Künstler ein blaues um den Hals. Überall im Biergarten stehen Menschen, klopfen sich auf die Schultern, ein großes Hallo allenthalben. Mit knapp 120 Besuchern seitens der Veranstalter rechnet Tommy Seizinger, der Organisator der „Hof Kultur Börse“. Aus der Agentenszene haben sich 20 angemeldet, Künstler sind es 40. Und damit die sich präsentieren können – und die Veranstalter nicht die sprichwörtliche Katze im Sack kaufen müssen – treten die Künstler auch fleißig auf. Live. Mit jeweils einem Schnipsel aus ihrem aktuellem Programm. 15 Minuten soll jeder Künstler haben.
Wer die Bühne im Chaos hinterlässt
Den anzukündigen, das obliegt für den ersten Teil der Börse dem Hausherrn, nämlich Uli Boettcher. Und wo Boettcher draufsteht, da ist verlässlich auch ein Boettcher drin. Soll heißen, der Schauspieler und Stand-upComedian verliest nicht etwa nur den Namen des folgenden Acts und repetiert, was im Programmheft sowieso jeder nachlesen kann. Nein, Boettcher legt den Finger dorthin, wo es bei Veranstaltern manchmal wehtut. An den Puls der Künstler, denen schon mal der Ruf vorauseilt, launisch oder mundfaul, anstrengend oder kompliziert zu sein. Dass Boettcher das mit Augenzwinkern und zärtlicher Nachsicht tut, heißt nicht, dass es weniger unterhaltsam wäre. Im Gegenteil.
Also erfahren die KulturbörsenBesucher, dass der schwäbische Kabarettist Werner Koczwara grundsätzlich esse, was wegmuss und nach der Vorstellung umgehend nach Hause fahre. Die wilden, alten Burschen, die sich KGB (Kuhnle, Gaedt und Baisch) nennen und vom Zentralkomitee der Humoristik für das operative Geschäft reaktiviert worden sind, die scheinen für einen Veranstalter schon schwieriger zu sein, im Handling: Den drei Herren möge man Wodka und Doppelherz servieren, als Übernachtungsmöglichkeit tauge jedes Sofa, die Bühne hinterlassen sie zuverlässig in chaotischem Zustand – laut Boettcher. Dem Satiriker Stefan Waghubinger bescheinigt Moderator Boettcher, er sei einfach, schnell und unkompliziert.
Und die sympathische Liedermacherin Lucy van Kuhl? Nun, die sei mit zwei Bananen und einem Klavier zufrieden und gehe nach Vorstellungsende gleich ins Hotel – „Je nachdem, wie schnell sie den Einen trifft“, schiebt Boettcher in Altherrenwitzmanier nach.
Hier ist die Ausbeute größer
Restlos begeistert von Boettchers Witz ebenso wie von der Kulturbörse ist Maria Neumann von der Stadt Wangen. Für das Kultur-Kleinod „Hägeschmiede“rekrutiert sie schon seit 30 Jahren Künstler: Bislang immer auf der Börse in Freiburg. „Aber das hier im Hoftheater, das ist exakt auf uns zugeschnitten“, lobt die Veranstalterin. Hier sei „die Ausbeute“deutlich größer, die Agenturen wissen einfach, was im Süden läuft. Bei den KünstlerHäppchen – also deren Auftritten – mache sie sich keine Notizen. Höchstens ein Eselsohr ins Programm. Gebucht werde später. Besonders aufmerksam genießt Neumann den Kurzauftritt der virtuosen Pianistin Lucy van Kuhl, immerhin hat sie die Künstlerin mit ihrem Programm „Fliegen mit dir“bereits für den Januar 2019 eingekauft. Van Kuhl jetzt im Anschluss auch noch in ungezwungener Atmosphäre kennenzulernen, das sei einer der größten Vorteile einer Künstlerbörse. „Denn oft kennt man die Künstler zunächst lediglich vom Telefon“, bedauert Neumann.
Marco Ortu von der Agentur Xango Cult ist aus dem Ruhrgebiet angereist, um zwei Tage lang Künstler wie Berta Epple, Sascha Korf oder Nektarios Vlachopoulos zu sehen. Auch Ortu, der selbst Künstler wie Jochen Malmsheimer (episches Kabarett) oder die Live-Literaten Tobi Katz und Sandra da Vina unter Vertrag hat, ist voll des Lobes für die Baienfurter Kulturbörse: „Tommy Seizinger und Uli Boettcher sind hochprofessionell. Das Programm ist super zusammengestellt. Und hier führt man tolle Gespräche in familiärer Atmosphäre.“Bei so viel Zuspruch wird die KulturBörse im Hoftheater wohl zu einer festen Institution werden. Und im nächsten Jahr wieder zu einem Networking im Biergarten einladen.