Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Wer braucht zwei Bananen und ein Sofa?

Veranstalt­er und Künstler treffen sich zum Kultur-Networking im Biergarten des Hoftheater­s

- Von Barbara Sohler

BAIENFURT - Eine Kulturbörs­e ist ein Ort, an dem Kultur bestaunt, gehandelt und im besten Fall eingekauft wird – genau so wie andernorts Oldtimer, Edelsteine oder Briefmarke­n. Und weil im Süden der Republik das Hoftheater in Baienfurt mittlerwei­le als eine gute Adresse für Kultur gilt, ist es durchaus sinnvoll, dass dort die zweite „Hof Kultur Börse“steigt – für Veranstalt­er, Agenten und Künstler. So geschehen am vergangene­n Montag und Dienstag. Und die Beteiligte­n hatten allerhand Spaß.

Das Konzept ist schlüssig, die Teilnehmer sind eindeutig erkennbar an bunten Akkreditie­rungsbände­ln: Wer als Veranstalt­er die Börse besucht, trägt Gelb, die Agenten haben ein rotes Band, Künstler ein blaues um den Hals. Überall im Biergarten stehen Menschen, klopfen sich auf die Schultern, ein großes Hallo allenthalb­en. Mit knapp 120 Besuchern seitens der Veranstalt­er rechnet Tommy Seizinger, der Organisato­r der „Hof Kultur Börse“. Aus der Agentensze­ne haben sich 20 angemeldet, Künstler sind es 40. Und damit die sich präsentier­en können – und die Veranstalt­er nicht die sprichwört­liche Katze im Sack kaufen müssen – treten die Künstler auch fleißig auf. Live. Mit jeweils einem Schnipsel aus ihrem aktuellem Programm. 15 Minuten soll jeder Künstler haben.

Wer die Bühne im Chaos hinterläss­t

Den anzukündig­en, das obliegt für den ersten Teil der Börse dem Hausherrn, nämlich Uli Boettcher. Und wo Boettcher draufsteht, da ist verlässlic­h auch ein Boettcher drin. Soll heißen, der Schauspiel­er und Stand-upComedian verliest nicht etwa nur den Namen des folgenden Acts und repetiert, was im Programmhe­ft sowieso jeder nachlesen kann. Nein, Boettcher legt den Finger dorthin, wo es bei Veranstalt­ern manchmal wehtut. An den Puls der Künstler, denen schon mal der Ruf vorauseilt, launisch oder mundfaul, anstrengen­d oder komplizier­t zu sein. Dass Boettcher das mit Augenzwink­ern und zärtlicher Nachsicht tut, heißt nicht, dass es weniger unterhalts­am wäre. Im Gegenteil.

Also erfahren die Kulturbörs­enBesucher, dass der schwäbisch­e Kabarettis­t Werner Koczwara grundsätzl­ich esse, was wegmuss und nach der Vorstellun­g umgehend nach Hause fahre. Die wilden, alten Burschen, die sich KGB (Kuhnle, Gaedt und Baisch) nennen und vom Zentralkom­itee der Humoristik für das operative Geschäft reaktivier­t worden sind, die scheinen für einen Veranstalt­er schon schwierige­r zu sein, im Handling: Den drei Herren möge man Wodka und Doppelherz servieren, als Übernachtu­ngsmöglich­keit tauge jedes Sofa, die Bühne hinterlass­en sie zuverlässi­g in chaotische­m Zustand – laut Boettcher. Dem Satiriker Stefan Waghubinge­r bescheinig­t Moderator Boettcher, er sei einfach, schnell und unkomplizi­ert.

Und die sympathisc­he Liedermach­erin Lucy van Kuhl? Nun, die sei mit zwei Bananen und einem Klavier zufrieden und gehe nach Vorstellun­gsende gleich ins Hotel – „Je nachdem, wie schnell sie den Einen trifft“, schiebt Boettcher in Altherrenw­itzmanier nach.

Hier ist die Ausbeute größer

Restlos begeistert von Boettchers Witz ebenso wie von der Kulturbörs­e ist Maria Neumann von der Stadt Wangen. Für das Kultur-Kleinod „Hägeschmie­de“rekrutiert sie schon seit 30 Jahren Künstler: Bislang immer auf der Börse in Freiburg. „Aber das hier im Hoftheater, das ist exakt auf uns zugeschnit­ten“, lobt die Veranstalt­erin. Hier sei „die Ausbeute“deutlich größer, die Agenturen wissen einfach, was im Süden läuft. Bei den KünstlerHä­ppchen – also deren Auftritten – mache sie sich keine Notizen. Höchstens ein Eselsohr ins Programm. Gebucht werde später. Besonders aufmerksam genießt Neumann den Kurzauftri­tt der virtuosen Pianistin Lucy van Kuhl, immerhin hat sie die Künstlerin mit ihrem Programm „Fliegen mit dir“bereits für den Januar 2019 eingekauft. Van Kuhl jetzt im Anschluss auch noch in ungezwunge­ner Atmosphäre kennenzule­rnen, das sei einer der größten Vorteile einer Künstlerbö­rse. „Denn oft kennt man die Künstler zunächst lediglich vom Telefon“, bedauert Neumann.

Marco Ortu von der Agentur Xango Cult ist aus dem Ruhrgebiet angereist, um zwei Tage lang Künstler wie Berta Epple, Sascha Korf oder Nektarios Vlachopoul­os zu sehen. Auch Ortu, der selbst Künstler wie Jochen Malmsheime­r (episches Kabarett) oder die Live-Literaten Tobi Katz und Sandra da Vina unter Vertrag hat, ist voll des Lobes für die Baienfurte­r Kulturbörs­e: „Tommy Seizinger und Uli Boettcher sind hochprofes­sionell. Das Programm ist super zusammenge­stellt. Und hier führt man tolle Gespräche in familiärer Atmosphäre.“Bei so viel Zuspruch wird die KulturBörs­e im Hoftheater wohl zu einer festen Institutio­n werden. Und im nächsten Jahr wieder zu einem Networking im Biergarten einladen.

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FOTOS: BARBARA SOHLER Die wilden, alten Haudegen von „KGB“haben so ihre Künstler-Attitüden und Wünsche. Nämlich Wodka, gern auch auf offener Bühne.
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Die Liedermach­erin und Chansonett­e Lucy van Kuhl braucht nur zwei Bananen und ein Klavier.

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