Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Betriebswohnungen: Ravensburger Firmen winken dankend ab
Wohnungsnot und Personalmangel erhöhen den Druck – „Das ist nicht zeitgemäß“
RAVENSBURG - Die großen Arbeitgeber in Ravensburg haben kein Interesse daran, für ihre Mitarbeiter Wohnungen zu bauen. Die Kommunalpolitiker Wilfried Krauss und Rolf Engler hatten diesen Vorschlag gemacht, um der drängenden Wohnungsnot in der Stadt zu begegnen und gleichzeitig den Unternehmern ein handfestes Argument bei der schwierigen Personalsuche an die Hand zu geben. Doch die Firmen winken ab: Betriebswohnungen seien kein zeitgemäßes Instrument, sagt beispielsweise Vetter.
Wie berichtet, hatten mit Wilfried Krauss (Bürger für Ravensburg) und Rolf Engler (CDU) gleich zwei Stadträte das Thema „Werkswohnungen“aufgebracht. Die Stadt hat mit diesem Modell in der Vergangenheit in verschiedenen Quartieren eine Erfolgsgeschichte erlebt. Angesichts der aktuellen Probleme schlagen die Kommunalpolitiker jetzt vor: Die großen Unternehmen könnten auf dem Betriebsgelände oder in unmittelbarer Nähe dazu bauen. Die Betriebe sollen mit Bauträgern kooperieren, meint Engler und bekämen dann für die Wohnungen Belegungsrechte für ihre Leute. Die Aufgabe der Stadt dabei: „Sie muss den Firmen und Bauträgern Grundstücke zur Verfügung stellen.“Wilfried Krauss will zudem Hürden im Baurecht beseitigen, wenn Unternehmen auf eigenen Grundstücken Mitarbeiterwohnungen bauen wollten.
Doch die Firmen haben an diesem Modell offenbar kein großes Interesse. Zwar hat der Pharmariese Vetter gut 100 Stellen ständig vakant und wächst rasant weiter. Doch der größte Arbeitgeber der Stadt geht andere Wege: „Wir kennen die angespannte Wohnungssituation in Ravensburg sehr gut. Daher unternehmen wir vielfältige Aktivitäten, um den Start neuer auswärtiger Mitarbeiter in Ravensburg bestmöglich zu unterstützen“, sagt Unternehmenssprecher Markus Kirchner. Vetter unterstütze neue Kollegen individuell bei der Suche nach einer Wohnung. Kirchner: „Ein Mitarbeiter kümmert sich ausschließlich um den Wohnungs- und Umzugsservice. Er recherchiert beispielsweise aktuelle Immobilienangebote und leitet diese weiter.“
Darüber hinaus besitzt Vetter einige angemietete Wohnungen in und um Ravensburg. „Diese können wir neuen Mitarbeitern für ein bis zwei Jahre anbieten, bis sie einen eigenen Wohnraum gefunden haben“, so der Sprecher.
Den Bau von Betriebswohnungen sieht Vetter dagegen „generell als nicht zeitgemäßes Instrument an“. Die Begründung: „Diese Wohnform würde Mitarbeitern die Integration in eine neue Stadt erschweren.“Kirchner argumentiert, dass die Vetter-Leute dann neben der Arbeitzeit häufig auch noch die Freizeit miteinander verbringen würden und dadurch unter Umständen zu wenig Kontakt in die Stadt bekämen. Die Konsequenz: „Wir planen in dieser Hinsicht daher keine Aktivitäten. Betriebswohnungen auf Werksgeländen anzusiedeln halten wir zudem für ungeeignet, da eine Vermischung von Wohn- und Industrienutzung beispielsweise beim Thema Lärm häufig zu Konflikten führt. Dies widerspricht außerdem auch einer effizienten Nutzung der knappen Industrieflächen.“
Auch Ravensburger und EBZ wollen keine eigenen Wohnungen
Andere Unternehmen sehen das genauso: „Wir haben keine konkreten Pläne, selbst Mitarbeiter-Wohnungen zu bauen“, sagt Heinrich Hüntelmann von Ravensburger aus der Südstadt. Ähnlich klingt das bei EBZ, dabei wollte CDU-Stadtrat Rolf Engler dem prosperierenden Unternehmen bald in der Weststadt einen eigenen Wohnblock zur Verfügung stellen. Bei „EBZ bestehen hierzu bislang keine konkreten Gedanken“, sagt Sprecherin Verena Wirbitzky allerdings auf Nachfrage.