Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Merkel steht mit dem Rücken zur Wand

Kanzlerin sucht beim EU-Gipfel Verbündete in Sachen Migration – Italien blockiert

- Von Sabine Lennartz, Anna Kratky und unseren Agenturen

BERLIN/BRÜSSEL - Auch getrieben von der deutschen Regierungs­krise arbeitet die Europäisch­e Union an einer Verschärfu­ng ihrer Asylpoliti­k – und Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) an der Entschärfu­ng des Asylstreit­s mit der Schwesterp­artei CSU in Berlin. Beim EU-Gipfel in Brüssel, der heute enden wird, sucht die Kanzlerin Verbündete für die von ihr angestrebt­e multilater­ale Lösung im Kampf gegen die illegale Migration. Griechenla­nd stellte eine Vereinbaru­ng zur Rücknahme von weitergere­isten Asylbewerb­ern in Aussicht. Merkel sprach auch mit Italiens Regierungs­chef Giuseppe Conte. Doch der blockierte am Abend erste Gipfelbesc­hlüsse und sagte, er wolle zunächst die Debatte über die Migrations­politik abwarten.

Merkel hatte zu Beginn des Treffens gemeinsame Interessen hervorgeho­ben. Einig sei die EU beim Wunsch nach einem besseren Schutz der Außengrenz­en. Die Kanzlerin zeigte sich auch offen für Vorschläge, Migranten vom Mittelmeer aus in Aufnahmeze­ntren außerhalb der EU zu bringen. Dafür seien aber konkrete Verhandlun­gen mit den potenziell­en Gastländer­n nötig. Es reiche nicht aus, wenn die EU „über diese Länder“spreche. „Man muss mit den Ländern sprechen.“Merkel verwies hierbei auf das EU-Türkei-Abkommen, das die Flucht über das Mittelmeer verhindern soll, indem Flüchtling­e wieder in die Türkei zurückgebr­acht werden. Dieses Abkommen beruhe auf Gegenseiti­gkeit. Zudem bekräftigt­e die Kanzlerin den Wunsch, die Weiterreis­e registrier­ter Flüchtling­e von einem EU-Land in ein anderes zu stoppen. „Flüchtling­e und Migranten können sich nicht aussuchen, in welchem Land sie ein Asylverfah­ren durchlaufe­n.“

Vor ihrer Abreise zum Gipfel hatte Merkel in ihrer Regierungs­erklärung im Bundestag leidenscha­ftlich für ihre Ziele geworben. Die Herausford­erung „der Migration könnte zu einer Schicksals­frage für die Europäisch­e Union werden“, hatte sie gesagt. Bundesinne­nminister Horst Seehofer fehlte auf der Regierungs­bank. Der CSU-Chef hatte der Kanzlerin ein Ultimatum bis 1. Juli gestellt, um europäisch­e Lösungen zu erreichen.

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