Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Mexikos Hoffnungsträger will die Revolution
Der Mann, der Mexiko revolutionieren will, hat ein Durchhaltevermögen, das selbst Gegnern Respekt abnötigt. Andrés Manuel López Obrador, kurz AMLO, bestreitet seinen dritten Präsidentschaftswahlkampf. Seit zwölf Jahren ist der 64-Jährige im Wahlkampfmodus. 2006 war der Linkspolitiker fast am Ziel, wurde aber auf der Zielgeraden vom konservativen Kandidaten Felipe Calderón abgefangen.
Nun aber steht López Obrador kurz davor, sich seinen Lebenstraum zu erfüllen. Diesen hegte er schon, als er im tropischen und armen Bundesstaat Tabasco in einfachen Verhältnissen heranwuchs. Sollte er am kommenden Sonntag die Wahl gewinnen, will er Mexiko einen epochalen Wechsel bescheren. Laut Umfragen hat er mit seiner „Bewegung zur Erneuerung Mexikos" beste Chancen, das zweitgrößte Land Lateinamerikas und die zweitgrößte Volkswirtschaft der Region zu regieren.
Die Wut auf die Regierungen der Korruptionspartei PRI und der konservativen PAN ist so groß, dass viele AMLO aus purer Verzweiflung wählen. Schlimmer, so die Annahme, könne es nicht mehr kommen. Die Mexikaner haben die Nase voll von der PRI, die Mexiko mit Unterbrechungen seit einem Dreivierteljahrhundert regiert und für Korruption, misslungene Armutsbekämpfung und verfehlten Kampf gegen die Organisierte Kriminalität steht.
In seiner Amtszeit sollte alles besser werden, versprach der scheidende Präsident Enrique Peña Nieto vor sechs Jahren. Weniger Tote im Drogenkrieg, mehr Wachstum und niedrigere Preise dank der Strukturreformen. Fakt ist: Alles ist schlechter geworden. 32 000 Morde wird es geschätzt in diesem Jahr geben, doppelt so viele wie vor vier Jahren. Zudem fallen Menschenrechtsverbrechen wie das Verschwinden der 43 Studenten von Ayotzinapa im September 2014 in Peña Nietos Amtszeit.
Das Wachstum stockt
Auf dem Korruptionsindex von Transparency International hat Mexiko unter Peña Nieto 30 Plätze eingebüßt und liegt nun mit Russland auf Platz 135. Die Öffnung des Energiesektors hat vor allem eines bewirkt: höhere Benzin- und Strompreise. Und die Wirtschaft wuchs unter ihm gerade mal um 2,5 Prozent pro Jahr, was ein schwacher Wert für ein Schwellenland ist. Der Mindestlohn von umgerechnet etwas über 100 Euro liegt nach Berechnungen der UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika (CEPAL) unter der Armutsgrenze. Vier von zehn Mexikanern können sich nicht alle Produkte des Warenkorbs leisten. López Obrador ist der einzige Kandidat, der wirklich an diesem Status quo etwas ändern und für die 50 Prozent Armen und Ausgeschlossenen in Mexiko Politik machen wolle, sagt der Analyst Jorge Zepeda Patterson.
López Obrador sei dabei kein klassischer Linker moderner Prägung. Experten halten ihn viel mehr für einen typischen Politiker, der sich an der mexikanischen Revolution orientiert. Er ist in der Form eher autoritär und hierarchisch, Zivilgesellschaft ist ihm suspekt. In sozialen Themen wie Schwangerschaftsabbruch und gleichgeschlechtlicher Ehe ist AMLO konservativ. Auch das Thema Menschenrechte, das in Mexiko immer größere Bedeutung erlangt, interessiert ihn nur am Rande.