Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Mit Tempo 200 in den Tod
Drei Jahre Haft für Ulmer Raser – 500-PS-Bolide hob bei Unfallfahrt ab
ULM - Zwei junge Menschen verloren bei einem Ausflug in einem hoch getunten 500-PS-Mercedes AMG am 8. Oktober 2017 auf der Verbindungsstraße zwischen Amstetten und dem Ortsteil Schalkstetten ihr Leben, ein dritter wurde lebensgefährlich verletzt. Gestern stand der 28-jährige Fahrer wegen fahrlässiger Tötung und schwerer Körperverletzung vor dem Ulmer Schöffengericht. Der Ulmer wurde nach einer eintägigen Verhandlung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.
Es war nicht das erste Mal, dass der junge Mann zu schnell unterwegs war; entsprechend stattlich war sein Punktekonto in Flensburg. Auch bei einer Fahrt von SchwäbischGmünd nach Ulm ignorierte der Angeklagte die Geschwindigkeitsbegrenzung auf 80 Kilometer pro Stunde in einem bei Wanderern und Radfahrern beliebten Waldstück. Er bretterte mit 200 Stundenkilometern auf einer Strecke mit vielen Kuppen.
Wie gefährlich die Strecke bei hoher Geschwindigkeit ist, hätte er wissen müssen, denn er fuhr die Strecke bereits am Vortag. Doch nach Auffassung der Staatsanwaltschaft wollte der Fahrer des 100 000-Euro-Boliden – laut Angeklagtem ein Firmenwagen – sich und seinen Mitfahrern, die er bis auf seine Freundin kaum kannte, mit der Kuppenfahrt einen Nervenkitzel des „gefühlten Abhebens“verschaffen.
Doch schon auf der ersten Kuppe hob der schwere Wagen ab wie auf einer Schanze und raste mit irrer Geschwindigkeit in dreieinhalb Metern Höhe in den Wald, knickte drei Bäume um und krachte auf einen Baumstumpf. Die 24-jährige Freundin des Unfallfahrers wurde auf der Stelle getötet. Auch für den 15-jährigen Beifahrer kam jede Hilfe zu spät; er starb an der Unfallstelle, wo zwei Kreuze jetzt an den tragischen Tod der beiden jungen Menschen erinnern. Lediglich der 16-Jährige, der im Fond des Wagens saß und die rasante Fahrt bis zum Abheben des Fahrzeugs filmte, überlebte mit schwersten Verletzungen wie Schädelbasisbruch und einem Hirntrauma, das bis heute noch schlimme Folgen hat und in einer Reha intensiv behandelt werden muss.
Alle drei Beifahrer stammen aus Biberach, der Fahrer aus Ulm. Kennengelernt haben sie sich in einem Chat für Fans von superschnellen Autos im Internet. Der Angeklagte hatte die Ausfahrt für insgesamt drei Fahrzeuge organisiert. Man traf sich in Schwäbisch Gmünd auf einer Oldtimer-Veranstaltung bei Kaffee und Kuchen, dann war ein Besuch in der Heimatstadt des Angeklagten geplant.
Kein Vorsatz
Die Verhandlung musste am Donnerstag im großen Schwurgerichtssaal stattfinden. Viele Zuschauer kamen und die Eltern der Opfer traten als Nebenkläger mit ihren Anwälten auf. Als im Saal ein Video gezeigt wurde, auf dem die Fahrt des Wagens zu sehen, rangen sie um Fassung. Das Video war von einem dahinter fahrenden Auto aus aufgenommen worden. Als Zeugen traten unter anderem der Fahrer und die Mitfahrer dieses zweiten Wagens auf und berichteten, dass der Angeklagte sehr schnell gefahren sei. Der Sohn des Fahres in diesem zweiten Auto wollte beim Angeklagten mitfahren. Doch diesen Wunsch schlug ihm sein Vater ab, weil er es zu gefährlich fand.
Nach abgeschlossener Beweisaufnahme sagte die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer, die Tat des Angeklagten sei „nicht nachvollziehbar“. Er habe die Gefahr um Leib und Leben der Mitfahrer bewusst in Kauf genommen. Sie forderte drei Jahre Freiheitsentzug für den autosüchtigen Ulmer wegen fahrlässiger Tötung in zwei Fällen, fahrlässiger Körperverletzung und Verkehrsgefährdung. Dem schlossen sich die Nebenklägervertreter und schließlich auch das Schöffengericht an. Zudem ist eine fünfjährige Führerscheinsperre für den Raser angeordnet.
Der Anwalt des Angeklagten betonte, sein Mandant habe nicht vorsätzlich gehandelt. Er hätte ja auch selbst umkommen können. Der Verteidiger strebte ein Urteil von zwei Jahren an, die zur Bewährung ausgesetzt werden sollten. Sein Mandant leide bis heute unter dem Geschehen und habe psychiatrische Behandlung in Anspruch nehmen müssen. Zudem habe er ein Geständnis abgelegt.
Gleich nach der Verlesung des Urteils kündigte die Verteidigung an, in Revision zu gehen. Die letzten Worte des Angeklagten vor der Urteilsverkündung: „Es tut mir unglaublich leid. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht daran denke.“