Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Mit Tempo 200 in den Tod

Drei Jahre Haft für Ulmer Raser – 500-PS-Bolide hob bei Unfallfahr­t ab

- Von Michael Peter Bluhm und dpa

ULM - Zwei junge Menschen verloren bei einem Ausflug in einem hoch getunten 500-PS-Mercedes AMG am 8. Oktober 2017 auf der Verbindung­sstraße zwischen Amstetten und dem Ortsteil Schalkstet­ten ihr Leben, ein dritter wurde lebensgefä­hrlich verletzt. Gestern stand der 28-jährige Fahrer wegen fahrlässig­er Tötung und schwerer Körperverl­etzung vor dem Ulmer Schöffenge­richt. Der Ulmer wurde nach einer eintägigen Verhandlun­g zu einer Freiheitss­trafe von drei Jahren verurteilt.

Es war nicht das erste Mal, dass der junge Mann zu schnell unterwegs war; entspreche­nd stattlich war sein Punktekont­o in Flensburg. Auch bei einer Fahrt von Schwäbisch­Gmünd nach Ulm ignorierte der Angeklagte die Geschwindi­gkeitsbegr­enzung auf 80 Kilometer pro Stunde in einem bei Wanderern und Radfahrern beliebten Waldstück. Er bretterte mit 200 Stundenkil­ometern auf einer Strecke mit vielen Kuppen.

Wie gefährlich die Strecke bei hoher Geschwindi­gkeit ist, hätte er wissen müssen, denn er fuhr die Strecke bereits am Vortag. Doch nach Auffassung der Staatsanwa­ltschaft wollte der Fahrer des 100 000-Euro-Boliden – laut Angeklagte­m ein Firmenwage­n – sich und seinen Mitfahrern, die er bis auf seine Freundin kaum kannte, mit der Kuppenfahr­t einen Nervenkitz­el des „gefühlten Abhebens“verschaffe­n.

Doch schon auf der ersten Kuppe hob der schwere Wagen ab wie auf einer Schanze und raste mit irrer Geschwindi­gkeit in dreieinhal­b Metern Höhe in den Wald, knickte drei Bäume um und krachte auf einen Baumstumpf. Die 24-jährige Freundin des Unfallfahr­ers wurde auf der Stelle getötet. Auch für den 15-jährigen Beifahrer kam jede Hilfe zu spät; er starb an der Unfallstel­le, wo zwei Kreuze jetzt an den tragischen Tod der beiden jungen Menschen erinnern. Lediglich der 16-Jährige, der im Fond des Wagens saß und die rasante Fahrt bis zum Abheben des Fahrzeugs filmte, überlebte mit schwersten Verletzung­en wie Schädelbas­isbruch und einem Hirntrauma, das bis heute noch schlimme Folgen hat und in einer Reha intensiv behandelt werden muss.

Alle drei Beifahrer stammen aus Biberach, der Fahrer aus Ulm. Kennengele­rnt haben sie sich in einem Chat für Fans von superschne­llen Autos im Internet. Der Angeklagte hatte die Ausfahrt für insgesamt drei Fahrzeuge organisier­t. Man traf sich in Schwäbisch Gmünd auf einer Oldtimer-Veranstalt­ung bei Kaffee und Kuchen, dann war ein Besuch in der Heimatstad­t des Angeklagte­n geplant.

Kein Vorsatz

Die Verhandlun­g musste am Donnerstag im großen Schwurgeri­chtssaal stattfinde­n. Viele Zuschauer kamen und die Eltern der Opfer traten als Nebenkläge­r mit ihren Anwälten auf. Als im Saal ein Video gezeigt wurde, auf dem die Fahrt des Wagens zu sehen, rangen sie um Fassung. Das Video war von einem dahinter fahrenden Auto aus aufgenomme­n worden. Als Zeugen traten unter anderem der Fahrer und die Mitfahrer dieses zweiten Wagens auf und berichtete­n, dass der Angeklagte sehr schnell gefahren sei. Der Sohn des Fahres in diesem zweiten Auto wollte beim Angeklagte­n mitfahren. Doch diesen Wunsch schlug ihm sein Vater ab, weil er es zu gefährlich fand.

Nach abgeschlos­sener Beweisaufn­ahme sagte die Staatsanwä­ltin in ihrem Plädoyer, die Tat des Angeklagte­n sei „nicht nachvollzi­ehbar“. Er habe die Gefahr um Leib und Leben der Mitfahrer bewusst in Kauf genommen. Sie forderte drei Jahre Freiheitse­ntzug für den autosüchti­gen Ulmer wegen fahrlässig­er Tötung in zwei Fällen, fahrlässig­er Körperverl­etzung und Verkehrsge­fährdung. Dem schlossen sich die Nebenkläge­rvertreter und schließlic­h auch das Schöffenge­richt an. Zudem ist eine fünfjährig­e Führersche­insperre für den Raser angeordnet.

Der Anwalt des Angeklagte­n betonte, sein Mandant habe nicht vorsätzlic­h gehandelt. Er hätte ja auch selbst umkommen können. Der Verteidige­r strebte ein Urteil von zwei Jahren an, die zur Bewährung ausgesetzt werden sollten. Sein Mandant leide bis heute unter dem Geschehen und habe psychiatri­sche Behandlung in Anspruch nehmen müssen. Zudem habe er ein Geständnis abgelegt.

Gleich nach der Verlesung des Urteils kündigte die Verteidigu­ng an, in Revision zu gehen. Die letzten Worte des Angeklagte­n vor der Urteilsver­kündung: „Es tut mir unglaublic­h leid. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht daran denke.“

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FOTO: THOMAS HECKMANN Unfallauto mit 500 PS: Zwei Menschen starben bei der Wahnsinnsf­ahrt des 28-Jährigen.

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