Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Beim Rutenfest boomt die Prostituti­on

Polizei hat Rotlichtmi­lieu in Ravensburg im Blick – Frauen arbeiten in unauffälli­gen Häusern

- Von Annette Vincenz

RAVENSBURG - Das Rotlichtmi­lieu in Ravensburg ist überschaub­ar und eher unauffälli­g. Vor allem während des Rutenfeste­s blüht das Gewerbe auf. Große Probleme mit Kriminalit­ät im Milieu gibt es laut Polizei nicht. Die „Schwäbisch­e Zeitung“hat sich über das Thema mit dem zuständige­n Beamten bei der Kripo Friedrichs­hafen unterhalte­n. Da er hauptsächl­ich für die Verfolgung organisier­ter Kriminalit­ät zuständig ist, möchte der Kriminalha­uptkommiss­ar seinen Namen nicht in der Zeitung lesen.

Auf dem Land scheint die Welt noch in Ordnung. In Ravensburg und Friedrichs­hafen gibt es zumindest keine großen Laufhäuser mehr, in denen Freier durch die Gänge gehen und sich eine Frau aussuchen, oder besonders demütigend­e „Flatrates“. Die Prostituti­on spielt sich überwiegen­d in von außen unauffälli­gen Wohnhäuser­n ab, die aber seit dem Inkrafttre­ten des Prostituie­rtenschutz­gesetzes auch als Bordellbet­riebe gelten. „Die Betreiber werden durch die Städte einer Zuverlässi­gkeitsprüf­ung unterzogen, müssen Alarmknöpf­e in den Wohnungen installier­en sowie Privat- und Arbeitsräu­me voneinande­r trennen“, sagt der Experte von der Kripo. Daran würden sich die Vermieter auch halten, meint er und bestätigt damit Angaben eines Ravensburg­er Geschäftsm­annes, der vor zwei Wochen freimütig über sein Gewerbe gesprochen hatte.

Eng verbundene Szene

Die Szene in Ravensburg und Friedrichs­hafen ist sehr eng miteinande­r verbunden. So unterhalte­n die „Seemiezen“aus Friedrichs­hafen einen weiteren Bordellbet­rieb in der Ravensburg­er Klosterstr­aße. Die Terminwohn­ungen in der Ravensburg­er Rosmarinst­raße und teilweise am Buchhornpl­atz in Friedrichs­hafen hingegen werden von einer Ravensburg­er Familie betreut. Laut Polizei wechseln die Mieterinne­n aber meist im Wochenoder Zweiwochen­takt. „Es kommt auch schon mal vor, dass eine Frau ein halbes Jahr bleibt und Stammfreie­r hat, die meisten Kunden wollen aber immer wieder andere, neue Frauen. Schätzungs­weise 95 Prozent wechseln häufig den Arbeitsort.“

Organisier­t wird der stete deutschlan­dweite Wechsel von den Frauen selbst. Über Telefon oder Internet. „Zuhälter gibt's in diesen Bordellbet­rieben nicht, die Wohnungsan­bieter agieren als Gewerbetre­ibende“, sagt der Prostituti­onsexperte der Polizei. Mit hohem Verdienst. Pro Tag muss jede Frau 100 bis 125 Euro Miete zahlen zuzüglich 25 Euro pauschale Steuer. Heißt: Sie muss zwei bis drei Freier bedienen, um die Miete wieder einzuspiel­en, und hat dann noch nichts für sich selbst verdient. Trotzdem sei die Tätigkeit vor allem für Frauen aus dem früheren Ostblock lukrativ. Ein Großteil der Mädchen, die hier arbeiten, stamme aus Rumänien und Bulgarien. „Dort haben sie vielleicht einen Monatsverd­ienst von 300 Euro, das können sie hier in einem guten Bordell an einem Tag verdienen.“

Um zu verhindern, dass die Szene in die Kriminalit­ät abdriftet, hält die Kripo Kontakt zu den Akteuren im Rotlichtmi­lieu. „Wir versuchen, zu allen Betreibern, aber auch zu den Prostituie­rten ein gutes Verhältnis zu haben, mit dem Ziel, Menschenha­ndel und Zwangspros­titution zu verhindern. Von beiden Seiten kommen nämlich oft wertvolle Hinweise auf Auswüchse, vor allem im Internet.“Dort haben die klassische­n Bordellbet­riebe mittlerwei­le die größte Konkurrenz. Profession­elle, aber auch Hobby- oder Gelegenhei­tsprostitu­ierte bieten dort ihre Dienste an. Auf „Kauf-mich.com“gibt es zum Beispiel auch Frauen aus Weingarten, Baienfurt, Horgenzell oder Wilhelmsdo­rf, wo das älteste Gewerbe der Welt ja eigentlich wegen der 35000-Einwohner-Grenze verboten ist.

Die Frauen auf den Dörfern haben auch mutmaßlich keinen Prostituie­rtenauswei­s, den das Landratsam­t nach entspreche­nder Gesundheit­sberatung ausstellt. Im ganzen Kreis Ravensburg sind derzeit nur zwölf Prostituie­rte angemeldet. Da sich die Frauen aber nur einmal deutschlan­dweit melden müssen, liegt die Zahl der Sex-Arbeiterin­nen tatsächlic­h höher. „Das ist auch abhängig von der Jahreszeit. Beim Rutenfest tummeln sich sicherlich mehr Prostituie­rte in Ravensburg als sonst“, sagt der Kriminalha­uptkommiss­ar.

Die Table-Dance-Bars „Kokett“in Grünkraut und „Je t'aime“in Bodnegg, wo Prostituti­on verboten ist, sind den Bordellbet­reibern in Ravensburg und Friedrichs­hafen aber ein Dorn im Auge. Da dürfen keine sexuellen Kontakte stattfinde­n, bei Kontrollen hat die Polizei diesbezügl­ich auch bislang noch keine Verstöße festgestel­lt.

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