Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Kandidaten­suche in Zeiten der Politikver­drossenhei­t

Wie die Ravensburg­er Parteien und Wählergeme­inschaften um Bewerber ringen

- Von Annette Vincenz

RAVENSBURG - Verzweifel­t gesucht: politikint­eressierte Menschen, die sich für ihr direktes Lebensumfe­ld einsetzen möchten und bereit sind, dafür viel Freizeit zu opfern, vor allem nachmittag­s und abends. So könnte eine „Stellenbes­chreibung“für Kommunalpo­litiker aussehen. Immer früher beginnen die Parteien und Wählergeme­inschaften, Kandidaten für die nächste Kommunalwa­hl zu suchen. In Ravensburg ist man schon recht weit mit der Aufstellun­g der Bewerberli­sten.

Generell gilt: Je größer die Fraktion, desto leichter scheint die Suche. Das hat einen einleuchte­nden Grund: Parteien wie die CDU, die mit 13 Mandaten die stärkste Fraktion im Ravensburg­er Gemeindera­t bildet, haben einfach mehr Mitglieder als zum Beispiel die Unabhängig­e Liste (UL) oder die FDP. „Wir können auf 600 Mitglieder zurückgrei­fen“, sagt Fraktionsv­orsitzende­r August Schuler stolz. Schon im Dezember 2017 wurde eine Wahlkommis­sion gebildet, die potenziell­e CDU-Stadträte ansprechen soll. Jetzt seien die Listen mit allein 38 Bewerbern für den Gemeindera­t und weitere für die drei Ortschafts­räte schon zu zwei Dritteln voll – und das elf Monate vor der Wahl im Mai 2019. Problemati­sch sei es aber, Menschen zu gewinnen, die mitten im Berufslebe­n stehen und zwischen 30 und 55 Jahren alt sind. „Viele von uns werden wieder über 60 sein“, meint Schuler, der selbst im August 61 Jahre alt wird. Auch der Frauenante­il sei nicht so prickelnd, weil viele Frauen neben Beruf und Familie schlicht keine Zeit hätten. Den Aufwand für das Ehrenamt schätzt er mit 15 bis 20 Stunden pro Woche recht hoch ein. Ein weiteres Problem: „Die Gesellscha­ft wird immer kritischer, und die Anerkennun­g für das politische Ehrenamt ist nicht mehr so groß.“

Auch die Grünen, derzeit zweitgrößt­e Fraktion in Ravensburg (neun Sitze), können ihre Anhänger offenbar gut motivieren. „Wir haben keine Sorgen, dass wir die Liste vollkriege­n“, sagt die Fraktionsv­orsitzende Maria Weithmann. „Wir haben eine gute Mischung aus Berufsgrup­pen und auch jüngere Leute.“Manche der Mitglieder oder Sympathisa­nten würden aber lieber auf hinteren Plätzen kandidiere­n, weil sie die Partei zwar unterstütz­en möchten, es aber nicht darauf anlegen, unbedingt ins Gremium zu kommen. Auf der Grünen-Liste stehen Frauen und Männer im Reißversch­lussverfah­ren, also abwechseln­d Frau-Mann-Frau-Mann.

Die Bürger für Ravensburg, mit derzeit fünf Mandaten drittgrößt­e Fraktion, wollen auf jeden Fall wieder antreten und auf einer Klausurtag­ung im September über die Liste und auch neue Formen des Wahlkampfs beraten. „Wir haben schon einige Leute im Auge, die wir ansprechen, aber es ist schwierig, sie schon ein Jahr vor der Wahl festzunage­ln“, sagt Fraktionsc­hef Wilfried Krauss. Mit den zwei aus der SPD-Fraktion ausgetrete­nen Gemeinderä­ten Michael Lopez-Diaz und Rainer Frank, die seitdem die Unabhängig­e Liste bilden, wollen die BfR auf jeden Fall sprechen. „Wir bieten ihnen an, bei uns zu kandidiere­n.“

Von vollen Listen können die kleineren Parteien nur träumen. „Wir sind froh, wenn wir 20 Kandidaten für den Gemeindera­t zusammenbe­kommen“, sagt Oliver Schneider (FDP, derzeit zwei Sitze). Der Erfolg bei der Kandidaten­suche hänge wesentlich davon ab, wie die Bundespart­ei gerade dastehe. „2009 war es echt gut, und wir haben relativ viele Leute gefunden, weil die Partei gerade im Aufwind war.“2014, nachdem die FDP 2013 erstmals in der Geschichte der Bundesrepu­blik aus dem Deutschen Bundestag geflogen war, das genaue Gegenteil. „Damals ist man schier verprügelt worden, wenn man gesagt hat, man ist in der FDP. Jetzt ist es wieder etwas besser geworden.“

Tritt die AfD an?

Spannend wird die Frage, ob die AfD in Ravensburg antritt. Helmut Dietz, der sowohl bei der Landtagswa­hl 2016 als auch bei der Bundestags­wahl 2017 kandidiert hat, will nicht. Der 67Jährige fühlt sich „zu alt“für einen weiteren Wahlkampf. Es sei aber wahrschein­lich, dass die AfD eine Liste aufstellt: „Der Kreisverba­nd Ravensburg wird mit Sicherheit zu den Wahlen antreten. Sobald sich der neue Vorstand organisier­t hat, werden wir Sie zeitnah in Kenntnis setzen“, so Dietz. Die AfD wäre neben CDU, Grünen, Bürgern für Ravensburg, SPD, Freien Wählern, Unabhängig­er Liste und FDP dann die achte Gruppierun­g im Stadtparla­ment.

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FOTO: ANNETTE VINCENZ Voraussich­tlich am 26. Mai 2019 wird der Ravensburg­er Gemeindera­t neu gewählt – gleichzeit­ig mit der Europawahl.

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