Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Planungschef will Parkplätze eindampfen
Christian Herrling hängt an seiner Heimatstadt und will trotzdem im Job neutral bleiben
RAVENSBURG - Nach Jahrzehnten hat Ravensburg wieder einen Stadtplanungsamtsleiter, der aus Ravensburg stammt: Christian Herrling (42) ist in der Weststadt aufgewachsen, war Ministrant in Dreifaltigkeit, hat im AEG gebüffelt, bei den Landsknechten getrommelt, bekommt beim Anböllern des Rutenfestes feuchte Augen und kennt seine Heimatstadt aus dem Effeff. Da ist es eine Herausforderung, trotzdem die nötige Distanz im Amt zu bewahren.
Viele seiner Bekannten nutzen seit April den kurzen Draht zu ihm ins Technische Rathaus. Damit hat Herrling gerechnet, damit kann er umgehen: „Ich kann nicht zaubern, nur weil ich jemanden kenne“, sagt er. Und fügt hinzu: „Aber natürlich versuche ich zu helfen – schließlich sind wir als Stadtverwaltung, na klar, Dienstleister.“
Unterschiedliche Parteien zusammenführen
Darum reitet der Stadtplaner und Architekt nicht auf Paragrafen herum – wichtiger ist es ihm, unterschiedliche Parteien zusammenzuführen: „Ich will Türen öffnen und Dinge möglich machen“, stellt Herrling klar. Ohne dabei zum Fähnchen im Wind zu werden. Manchmal, das war ihm klar, als er nach zwölf Jahren im Lindauer Stadtplanungsamt in seine Heimatstadt wechselte, „muss ich aber auch hinstehen“.
Eine erste Bewährungsprobe war die Angerstraße in der Weststadt. Dort will die Stadt auf einer hübschen grünen Wiese rund 60 Sozialwohnungen hinstellen – das schmeckt längst nicht jedem. Auch wenn er selbst auf eben dieser Wiese früher herumgetollt hat und verstehen kann, dass man die Bebauung „erst mal scheiße findet“, verteidigt Herrling das Vorhaben: „Man muss lernen, die persönliche Brille abzulegen und die Gesamtstadt im Blick haben – ich denke, dass ich das kann.“Weil Veränderung eben ihren Preis habe, kann er etwa auch damit leben, dass das einst grüne Gelände „Am Hofgut“sich zu einem Wohngebiet gewandelt hat – obwohl er an diesem Areal „persönlich hing“, früher dort fürs Adlerschießen übte und es gern naturnah belassen hätte.
Generell findet Herrling, dass sich in Ravensburg eine Menge zum Positiven verändert hat – sei es die Umgestaltung des Gänsbühl-Centers, die Konversion des BeznerAreals in der östlichen Vorstadt oder die Sanierung der Altstadt. Letztere will er fortführen: „Das ist eine Daueraufgabe.“Überhaupt sei bei aller Bautätigkeit vieles, auch Grünflächen, erhalten geblieben in Ravensburg – vom Schwarzwäldle über den Lumperwald bis zum Leibinger-Kreuzweg.
Und wo macht Herrling die Schandflecke der Türmestadt aus? Nun ja, dass die Domäne Hochberg früher zum sozialen Brennpunkt gekippt sei, findet er „nicht so den Hit“. Auch wie sich das (Gewerbe-)Gelände in Weißenau entwickelt hat, „muss man nicht mögen“. Und in Grüner-Turm- oder Charlottenstraße beispielsweise sieht der Stadtplanungsamtsleiter sanierungstechnisch noch Luft nach oben.
Ganz oben auf Herrlings persönlicher Prioritätenliste stehen bezahlbare Wohnungen – kriegt er doch ständig mit, wie Freunde und Bekannte, selbst Doppelverdiener, händeringend nach einer innenstadtnahen Bleibe suchen, die sie sich leisten können. „Toll“an seinem Job findet der 42-Jährige, dass die Stadt Ravensburg – im Gegensatz zu Lindau – selbst Grundstücke kauft und entwickelt: „Da hat man viele Gestaltungsmöglichkeiten.“Wichtig ist ihm, bei der Bauleitplanung ganz besonders den Verkehr mitzudenken. Beispiel Rinker-Areal: „Wenn wir für Radler und Fußgänger was erreichen wollen, darf das Eindampfen von Stellplätzen kein Tabu mehr sein“, macht Herrling deutlich. In der östlichen Vorstadt forciert er zudem eine Brücke über die Wangener Straße.
Mittlerweile in Ravensburg angekommen
Dass er in Ravensburg bleiben wird, steht für den Regierungsbaumeister, der in Karlsruhe studiert hat, außer Frage: Hier hat er sich mit seiner Frau Gina ein 50er-Jahre-Haus in der Schlierer Straße gekauft. Hier kickt sein Sohn Emil, hier kann er von zu Hause ins Büro radeln. Und hier guckt ihn keiner verwundert an oder versucht gar, ihn während dieser Zeit zu erreichen, wenn er sich übers Rutenfest freinimmt. 1993 war Christian Herrling Landsknecht – der Freundeskreis, der sich aus dieser Zeit entwickelt hat, trifft sich alle Jahre wieder am Rutenfest.
Doch damit nicht genug: Seit drei Jahren ist die vierköpfige Familie auch beim Festumzug mit von der Partie. Töchterchen Matilda hatte seinen ersten Einsatz bei der Humpisgruppe vor zwei Jahren – im Kinderwagen.