Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Hajo Leuter kehrt der WM den Rücken
Waldseer Fußballfan erlebte in Kasan eine „saft- und kraftlos dahinspielende deutsche Elf“
BAD WALDSEE - Aus, vorbei, Wunden lecken, Heimflug buchen: So lässt sich die Stimmungslage des Waldseer Fußball-Fans Hajo Leuter beschreiben, die ihn am Mittwoch nach dem vorzeitigen WM-Aus für die deutsche Nationalmannschaft in Russland ereilte. „Selten“habe er in einem Entscheidungsspiel „eine derart saft- und kraftlos dahinspielende deutsche Elf erlebt“wie in Kasan. „Somit ist die Teuerste dahingeschieden und die Berichterstattung ’Russia 2018’ für die SZ beendet“, lautet folgerichtig sein Fazit. Niedergeschlagen habe er nach Abpfiff im Stadion seine „Bad-Waldsee-Fahne“eingerollt und TRAUERANZEIGEN die Rückreise angetreten ins 800 Kilometer entfernte Moskau.
Auch in Leuters Heimatstadt war das letzte Vorrundenspiel der Löw’schen Truppe mit großer Spannung erwartet worden. Schon 15 Minuten vor Spielbeginn waren die Straßen von Bad Waldsee ebenso auto- und menschenleer wie das Freibad und die Geschäfte der Innenstadt. Reger Betrieb herrschte während der Spielübertragung aus Kasan nur noch in den Gaststätten rund um den Stock, wo viele Fans das angebotene „Public Viewing“im Freien in Anspruch nahmen. Und die Ernüchterung nach Abpfiff war hier mindestens so groß wie am Austragungsort an der Wolga, wo Leuter und all die anderen DeutschlandFans die Köpfe hängen ließen nach diesem Fußball-Debakel. „Statt Samara oder St. Petersburg herrscht hier jetzt Katerstimmung. Wunden lecken und die Heimat sind angesagt“, berichtet Leuter am Donnerstagmorgen aus dem DFB-Camp in Moskau, wohin er direkt nach Spielende geflogen ist. Getreu der Devise: Nichts wie weg aus Kasan!
„Hier reisen heute 30 neue Fans aus dem Bundesgebiet an, die erst ab dem Achtelfinale gebucht haben – leider umsonst...“, lautet das Statement des Bankkaufmanns, der das Spiel der deutschen Nationalelf gegen Südkorea förmlich in der Luft zerreißt: „Die Mannschaft war nach 60 Minuten platt und konnte die Löcher im Mittelfeld nicht mehr zulaufen, das Umschaltspiel war viel zu statisch. Wenn sich Löw keine so großen Verdienste um den deutschen Fußball gesichert hätte, dann hätte er jetzt fertig“, weiß Leuter.
Seinen neuerlichen WM-Trip bereut er dennoch nicht, auch wenn die Reise unerwartet schon nach zwei Wochen zu Ende geht. „Mein Rückflug war terminiert auf den 16. Juli nun werde ich schon heute zum Flughafen gehen und mit Aeroflot verhandeln, damit ich früher abreisen kann“, berichtete er gestern morgen der SZ aus Moskau. Und was kostete ihn dieser emotionsreiche Urlaub der etwas anderen Art? „Das kann ich immer erst am Ende einer Tour sagen, da ich auch Karten weiterverkaufe. Ich habe drei deutsche Teamserien erhalten. Eine deutsche kostete in Kategorie III/Kurve und für acht Spiele einschließlich eines möglichen Spiels um Platz 3 exakt 1642 US-Dollar. Allein das Endspiel kostet in dieser Kategorie 504 Dollar - ein Vorrundenspiel ist für 105 Dollar zu haben.“Damit bekommt der 55-Jährige jetzt ein paar Tausend Dollar von der FIFA zurück. „Das ist allerdings eine unfreiwillige Freude“, so ein resignierter Leuter. Die Flüge seien für die Vorrunde bereits nach Weihnachten gebucht worden. „Das ist dann nicht so wild.“Auch die Preise für die Unterkunft bewegten sich mit 40 Euro pro Nacht samt Frühstück auf niedrigem Niveau. Unterm Strich spart der (Ober)Schwabe durch seine vorzeitige Abreise Geld. Dabei hätte Leuter viel lieber „seine Elf“im Endspiel gesehen, um dort abschließend nochmals die neue „Bad-Waldsee-Fahne“zu hissen.