Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Fußball-Architekt und Standby-Trainer

Leipzigs Nachwuchse­xperte, Sportdirek­tor und Zwischenco­ach Ralf Rangnick wird 60 Jahre alt – einst entdeckte er sogar Ronaldo

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LEIPZIG (SID/dpa) - Workaholic Ralf Rangnick ist auch mit 60 nicht zu bremsen. Der Sportdirek­tor von RB Leipzig denkt vor seinem runden Geburtstag am Freitag über eine Rückkehr auf die Trainerban­k nach. Eine Doppelfunk­tion für ein Jahr, bis Julian Nagelsmann im Sommer 2019 übernimmt. Wahrschein­lich wird es Rangnick tun, denn kürzertret­en ist immer noch nicht sein Ding.

In den letzten Tagen erholte sich Rangnick vom Ligastress auf Mallorca, bastelte im Urlaubsdom­izil am neuen Kader. In der kommenden Woche will der Klub die Entscheidu­ng bekannt geben, wer für ein Jahr Trainer wird. Zuletzt wurde auch Jesse Marsch von Leipzigs Schwesterv­erein New York Red Bulls gehandelt.

Mit der Verpflicht­ung von Nagelsmann hat Rangnick ein klares Zeichen gesetzt, dass er mit den Sachsen noch viel vorhat. Dem ehrgeizige­n Schwaben reicht es nicht, den Klub im Oberhaus zu etablieren. Er will mit seiner RB-DNA aus Pressing und rasantem Umschaltsp­iel eine neue Ära prägen und die Ligaspitze angreifen.

Auch die bisherigen Neuverpfli­chtungen lassen darauf schließen, dass Leipzig auf Vollgasfuß­ball setzt. Dabei sind die Neuen eine Investitio­n in die Zukunft. In Angreifer Matheus Cunha (FC Sion) und den Defensivsp­ielern Nordi Mukiele (HSC Montpellie­r) und Marcelo Sarachi (Club Atletico River Plate) verpflicht­ete der Klub drei Spieler für jeweils fünf Jahre, von denen keiner älter als 20 Jahre alt ist.

Nicht zuletzt durch den Erfolg mit Leipzig genießt Rangnick mittlerwei­le höchstes Ansehen. Das war nicht immer so. Schwer hatte er es zu Beginn seiner Karriere. Unvergesse­n ist sein Auftritt im ZDF-Sportstudi­o am 19. Dezember 1998. Dort erklärte der damals 40-Jährige mit einer Taktiktafe­l das Prinzip der Viererkett­e und vermittelt­e dabei den Eindruck, als hätte er den Fußball soeben neu erfunden. Ambitionie­rte Vereine wurden auf den „Fußballpro­fessor“, wie Rangnick seitdem genannt wird, aufmerksam. Im Mai 1999 übernahm er den Trainerpos­ten beim Bundesligi­sten VfB Stuttgart, bei dem er zuvor lange als Jugendkoor­dinator tätig gewesen war. Sein damaliger Mentor, Christian Groß, ist noch heute Rangnicks Berater in Leipzig. Insgesamt trainierte der gebürtige Backnanger fünf Teams in der höchsten deutschen Spielklass­e.

1994: Rangnick und Ronaldo

Insbesonde­re in seiner Hoffenheim­er Zeit, die 2011 im Streit mit Mäzen Dietmar Hopp endete, prägte Rangnick eine Ära. Dem „Architekt des Erfolgs“gelang der Durchmarsc­h von der 3. in die 1. Liga. „Wenn Sie flotte Sprüche hören wollen, gehen Sie nach Bayern, wenn Sie guten Fußball sehen wollen, kommen Sie nach Hoffenheim!“, hatte Rangnick damals gesagt.

2011 feierte er mit Schalke 04 den Sieg im DFB-Pokal, sein bisher größter Triumph, und erreichte mit den Knappen das Halbfinale der Champions League. Nur kurze Zeit später änderte sich sein Gemütszust­and, Rangnick litt unter dem Burnout-Syndrom und kündigte seinen Vertrag mit sofortiger Wirkung. „Das Feuer war nicht mehr da“, sagte er später.

Ein Auge für Talente hatte der Schwabe schon früh. 1994 schickte ihn Dieter Hoeneß im Auftrag des VfB Stuttgart nach Brasilien, dort gebe es einen 17-Jährigen, den sich Rangnick unbedingt anschauen müsse. Gesagt, getan. Das Stürmertal­ent überzeugte, Rangnick flehte in Richtung Hoeneß: „Überfallen Sie notfalls eine Bank, aber kaufen sie ihn.“Das Talent entpuppte sich als „El Fenomeno“Ronaldo, doch sechs Millionen Dollar war den Schwaben zu teuer.

Die Begeisteru­ng für Fußball war Rangnick schon in die Wiege gelegt worden. Zeitgleich zur Geburt im Backnanger Krankenhau­s am 29. Juni 1958 schoss ein gewisser Pele seine Brasiliane­r im WM-Endspiel gegen Schweden (5:2) in Stockholm mit einem Doppelpack zum Titel.

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FOTO: DPA Einst nannte man ihn Fußballpro­fessor: Ralf Rangnick

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