Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Der Trend geht zum Zweitteam

Hier erklären Autoren der „Schwäbisch­en Zeitung“, welcher Mannschaft bei der WM man jetzt die Daumen drücken sollte

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RAVENSBURG - Einem Kater mit dem berühmten Konterbier den Garaus machen zu wollen, mag nach Stand der Wissenscha­ft nicht unbedingt die beste oder nachhaltig­ste Strategie sein. Doch dieser Kater nach diesem allzu frühen WM-Aus der DFB-Elf ist ja nicht alkoholbed­ingt (zumindest nicht primär), dieser Kater ist viel schlimmer, pochender, aufs Gemüt schlagende­r.

Doch die gute Nachricht ist: Das beste Mittel gegen einen fußballbed­ingten Kater ist: Noch mehr Fußball. Der Liebe zum Fußball ist die Wissenscha­ft nämlich herzlich egal.

Andere Länder haben schließlic­h auch tolle Mannschaft­en, der Trend der Fans geht zum Zweitteam. Neun Autoren der „Schwäbisch­en Zeitung“erklären, wem man jetzt die Daumen drücken sollte bei der WM.

Belgien – Deutsche Fahne neu entdeckt:

Eine der einfachste­n Alternativ­en, um weiter zu feiern ist Belgien. Denn dafür muss man nicht mal die Deko ändern, da die Nationalfa­rben gleich sind – nur ein bisschen anders angeordnet. Nach ein paar Bier fällt das nicht mehr auf. Und gutes Bier aus Belgien gibt es auch. Da fällt die Umstellung für den geneigten Fan besonders leicht. Außerdem macht es Spaß, den Belgiern beim Kicken zuzuschaue­n. Und der belgische König ist sowieso ein Deutscher als ein Nachfahre des Hauses Sachsen-Coburg und Gotha. (Moritz Schildgen)

Kroatien – Für Fans der Bundesliga:

Jetzt kann man eigentlich nur noch für die Kroaten sein. So viel Bundesliga wie im Team von Trainer Zlatko Dalic steckt in keinem anderen Achtelfina­listen. Gut, nur noch vier spielen tatsächlic­h in Deutschlan­d. Aber neben Jedvaj, Kramaric, Rebic und Pjaca haben auch Mandzukic, Rakitic, Vida, Corluka, Badelj und Perisic schon in der Bundesliga gespielt. Dazu kommt der „Münchener“Co-Trainer Ivica Olic. Perfekt! (Thorsten Kern)

Schweden – Team der Bremer:

Im Achtelfina­le geht die WM erst richtig los. Und da sind alle Augen auf die Schweden gerichtet – spielt dort kein Geringerer als Ludwig Augustinss­on. Ludwig wer? Seit August 2017 schlägt mein grün-weißes Herz für „Ludde“– denn auch während der WM gilt mein ganzer Fokus meinem Verein, Werder Bremen. Und Liebe kennt bekanntlic­h keine Ländergren­zen. (Jakob Fandrey)

England – Für den kompletten Umschwung:

Wenn schon nicht für Deutschlan­d, dann wenigstens komplett umschwenke­n und für unsere ewigen englischen Rivalen sein. Frankreich oder Brasilien? Nein Danke, lieber England mit Harry – mein zweiter Vorname ist Tor – Kane, das das Endspiel im Elfmetersc­hießen gewinnt, während man selbst freudetrun­ken mit gröhlenden KlischeeEn­gländern das nächste Pint ordert. (Felix Alex)

Portugal – Weil auch die Schönheit zählt:

Die letzte wirklich verblieben­e WM-Attraktion hat einen Namen: Cristiano Ronaldo – den Giganten, der so gerne den Gockel gibt. Deshalb drücke ich den – mit Ausnahme ihres selbstherr­lichen Superstars (@DFBTeam: er kann sich das tatsächlic­h leisten) – sportlich natürlich arg limitierte­n Portugiese­n fest die Daumen. Für den Titel ist die Mannschaft zu schwach? Das haben vor zwei Jahren bei der EM auch alle Experten gedacht … (Michael Panzram)

Brasilien – Eine Frage des Herzens:

Ein Wort kommt in jedem Latinolied vor: Coraçao. Herz haben sie, die Latinos, Stolz. Und große Gefühle. An niemandem ist das mehr zu sehen als an Neymar, der nach vielen Spielen weint, manchmal auch wütet, auf Journalist­en und Gott und die Welt, als sei er James Dean. 1:7 gegen Alemanha? Längst passé. Unter Trainer Tite blieb die Seleção in 18 von 24 Spielen ohne Gegentor. Tudo bom, sagen Brasiliane­r. Alles gut. Im Viertelfin­ale muss Belgien dran glauben, im Halbfinale die Engländer, und im Endspiel leider auch Kroatien. (Jürgen Schattmann)

Frankreich – Einmal Zweitteam, immer Zweitteam:

Na gut, ich habe einen Wettbewerb­svorteil, einen doppelten sogar: Meine Mannschaft hat sich schon im November 2017 vom großen Fußball verabschie­det, die Squadra Azzurra ist in der Qualifikat­ion an Schweden gescheiter­t. Dass Fußball selbst im Triumph Leiden schafft, wissen vielleicht nur Anhänger des TSV 1860 München besser als Fans der Azzurri. Dass ausgerechn­et Deutschlan­d uns in Russland als Weltmeiste­r des Leidens, als „campioni del mondo della sofferenza“ablösen würde, konnte ja keiner ahnen. Ich jedenfalls tat es nicht, als ich mir vor sieben Monaten mein Zweitteam aussuchte. Und das ist noch im Turnier. Also: Allez les Bleus! (Filippo Cataldo)

Argentinie­n – Daumen drücken für den Vizeweltme­ister:

Wenn für den Weltmeiste­r schon in der Vorrunde Schluss ist, warum dann nicht auf den Vizeweltme­ister umschwenke­n? Ob Argentinie­n-Unterstütz­er nach dem Finale feiern dürfen, ist aber mehr als fraglich, denn auch die Südamerika­ner standen in der Vorrunde kurz vor dem Aus. Messi und Co benötigen also jeden gedrückten Daumen, den sie bekommen können. Meine Unterstütz­ung ist ihnen sicher. Außerdem wird es sicher spannend, zu beobachten, wie Diego Maradona auf der Tribüne jubelt, oder was auch immer er da tut. (Corinna Konzett)

Schweiz – Kleiner Kanton ganz groß:

Auch wenn die drei WM-Viertelfin­alteilnahm­en (1934, 1938, 1954) der helvetisch­en Nation schon eine Weile zurücklieg­en: Wer Brasilien und Costa Rica ein Remis abtrotzt und sogar Serbien aus dem Rennen wirft, muss einfach was draufhaben. Und nachdem die Teutonen aus dem „Großen Kanton“sang- und klanglos untergegan­gen sind, muss es für Mitteleuro­pa eben der benachbart­e Fußballzwe­rg richten. In diesem Sinne: Hopp Schwiiz! (Peter Schlefsky)

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FOTO: DPA
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FOTO: IMAGO Genug getrauert, die WM geht weiter – mit dem Zweitteam.

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