Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Für Löw geht die WM noch eine Woche

Bundestrai­ner, fast alternativ­los, kann sich nur selbst entlassen – Wer dann infrage käme

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FRANKFURT (dpa/SID/fil) - Joachim Löw saß wie ein Häuflein Elend auf Platz 2C. Seine schwarz-rot-goldenen Glücksbänd­chen hatte der mit seiner Mannschaft so blamabel gescheiter­te Weltmeiste­rcoach längst achtlos abgelegt, als er auf dem Sonderflug nach Frankfurt hoch über den Wolken mit DFB-Präsident Reinhard Grindel, Teammanage­r Oliver Bierhoff und Kapitän Manuel Neuer über seine persönlich­e Zukunft nachdachte. Eine Antwort hatte der Bundestrai­ner bei der Landung am Donnerstag­nachmittag in Frankfurt noch nicht parat.

„Der Schmerz hält mich noch gefangen“, sagte Löw. Und: „Ich muss mich selber hinterfrag­en. Es braucht Zeit, ein paar Gespräche, und dann werden wir eine klare Antwort geben“. Ein einfaches Weiter-so kann und darf es aber auch aus seiner Sicht nicht geben. „Es braucht tiefgreife­nde Maßnahmen, es braucht klare Veränderun­gen. Das müssen wir jetzt besprechen, wie wir das tun“. Dieser Nachsatz verriet immerhin eine klare Tendenz: Nach Rücktritt klang er nicht, Löw will die Scherben wohl selbst zusammenke­hren. Auch wenn er sich bewusst ist: An diesem schwarzen Abend in Kasan ist etwas zerbrochen. „Vieles, das wir uns aufgebaut haben“, sei an der Wolga kaputtgega­ngen, sagte er.

Will Sammer noch mal Trainer werden?

Recht klar scheint am Tag danach: Löw entscheide­t, er kann sich nur selbst entlassen – durch einen Rücktritt.

Für Grindel, der Löw schon vor dem Spiel gegen Südkorea eine Jobgaranti­e abgab, hat sich durch das WM-Debakel nichts an seiner grundsätzl­ichen Einschätzu­ng des Bundestrai­ners geändert. Der Verband habe den Vertrag mit seinem wichtigste­n Angestellt­en deshalb verlängert, weil er diesem den Neuaufbau der Mannschaft in Richtung EM 2020 und WM 2022 zutraue, hatte Grindel der „FAZ“gesagt. „Diese Meinung gilt für mich nach wie vor“, sagte er am Donnerstag. Und: Er habe „keine Anzeichen“für einen vorzeitige­n Abschied Löws. Zudem empfahl Grindel allen Beteiligte­n einen „kühlen Kopf “.

Doch Grindel erwartet von der sportliche­n Leitung um Löw und Bierhoff „eine saubere Analyse“. Dann „werden wir darüber sprechen und die notwendige­n Konsequenz­en ziehen“. Welche? Das ist offen.

Bierhoff, der wie Löws Assistente­n Thomas Schneider, Marcus Sorg und Andreas Köpke ebenfalls bis 2022 verlängert hatte, geht „fest davon aus, dass Jogi weitermach­t“.

Der Bundestrai­ner hat sein Tun nach jedem Turnier reflektier­t. Gerne zog er sich dafür in die Sonne zurück – um nach ein paar Tagen weißen Rauch aufsteigen zu lassen: Ja, ich will (noch)! So könnte es auch diesmal kommen, meinte Bierhoff. „Die Situation ist bei ihm wie nach jedem Turnier, das muss man erstmal sacken lassen.“Bierhoff glaubt aber auch: „Die Energie kommt schnell wieder. Dann muss man die Ärmel hochkrempe­ln und die Mannschaft wieder auf Kurs bringen.“Er erwartet, dass Löw „im September die Sachen wieder richtig angeht“. Dann steht das nächste Länderspie­l an.

Während sich eine Mehrheit der Deutschen am Tag nach dem Debakel laut einer repräsenta­tiven Umfrage des Instituts Civey im Auftrag des Nachrichte­nportals t-online.de für einen Rücktritt Löws aussprach – 55 Prozent der Befragten befürworte­ten einen Wiederaufb­au ohne den Bundestrai­ner, erhielt Löw von seinen Spielern und den DFB-Funktionär­en also viel Zuspruch.

Auch, weil der DFB im Falle von Löws Rücktritt keinen sofortigen Plan B parat hätte. Große Lösungen wie Jürgen Klopp (FC Liverpool) oder Thomas Tuchel (Paris SaintGerma­in) sind nicht frei. Und ob Matthias Sammer, einst BVB-Meistertra­iner, Sportdirek­tor beim DFB und derzeit vor allem als hochkompet­enter Experte bei Eurosport tätig, noch einmal Lust hat, Trainer zu werden?

DFB-Allzweckwa­ffe Hrubesch

Dem Vernehmen nach war vor Löws Vertragsve­rlängerung in den sehr kurzen Diskussion­en um mögliche Alternativ­en oder Notlösunge­n beim DFB der frühere Löw-Assistent und Ex-Hoffenheim-Manager Hansi Flick genannt worden. Dass es jetzt so kommt – ähnlich unwahrsche­inlich wie eine Novizen-Lösung à la Klinsmann 2004. Miroslav Klose, in Russland Offensivtr­ainer und demnächst eigentlich als Jugendcoac­h beim FC Bayern München vorgesehen, zum Nationaltr­ainer machen?. Spektakulä­r, aber auch sehr riskant.

Zumindest als Übergangsl­ösung denkbar wäre die DFB-Allzweckwa­ffe Horst Hrubesch, der Mann für alle Aufgaben. Der Ex-Nationalsp­ieler und Kopfballun­geheuer a.D. führte zahlreiche Juniorenau­swahlen zu Titelehren, gewann mit der Olympiaaus­wahl Silber in Rio de Janeiro und ist derzeit damit beschäftig­t, mal eben die wankende Frauennati­onalmannsc­haft wieder auf Kurs zu bringen.

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FOTO: DPA Joachim Löw nach der Landung in Frankfurt.

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