Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Wieder mehr Fußballspi­elen

Oliver Bierhoff soll das WM-Debakel aufarbeite­n – das er mit zu verantwort­en hat

- Von Filippo Cataldo und unseren Agenturen

WATUTINKI - Wahrschein­lich war es Zufall. Doch wer unbedingt einen Zusammenha­ng sehen will, könnte durchaus meinen, dass die Verantwort­lichen des FC Bayern München womöglich die Zeichen der Zeit erkannt haben. Und das schon zwei Tage nach dem Schiffbruc­h der Nationalma­nnschaft in Russland.

Am Freitag gab der deutsche Rekordmeis­ter bekannt, diesen Sommer mal wieder ein richtiges Trainingsl­ager zu absolviere­n. Training schadet ja nie, in Krisentage­n sowieso nicht. Das Trainingsl­ager des deutschen Branchenfü­hrers wird zudem noch in der Heimat stattfinde­n: Vom 2. bis 9. August will der neue Trainer Niko Kovac seine Mannschaft ganz volksnah am Tegernsee in Rottach-Egern auf die erste gemeinsame Saison vorbereite­n. Die Bayern konzentrie­ren sich wieder mehr aufs Kerngeschä­ft, wagen diesen Sommer mehr Fußball – und werden dem DFB zum Vorbild?

In den letzten Jahren hatten die Münchner im Sommer auf ein ordentlich­es Trainingsl­ager verzichtet, waren lieber zu eher stressigen PRTerminen nach Übersee geflogen. Oft mit Rumpfteams, die DFB-Stars hatten nach den Turnieren immer Sonderurla­ub. Nach Übersee geht es heuer schon auch – vom 23. - 30. Juli ist der FCB in den USA – vor dem Trainingsl­ager, mit fast allen Stars.

Macher, Visionär, Vermarkter

Womit wir beim DFB wären. Bei der Aufarbeitu­ng des russischen WMDesaster­s mit dem historisch­en Ausscheide­n des Weltmeiste­rs in der Vorrunde, fallen drei Begriffe besonders oft: Überheblic­hkeit im Auftreten und im Spiel, Entfremdun­g von der Basis – und Watutinki, das unheilvoll­e WM-Quartier im Birkenwald, das mindestens beitrug zum negativen Geist der Mannschaft.

An all dem (mit)-beteiligt: Oliver Bierhoff, der Nationalma­nnschaftsm­anager.

Bierhoff und Bundestrai­ner Joachim Löw – der vor einem ziemlich grüblerisc­hen Wochenende stehen dürfte, will er doch über seine Zukunfgt entscheide­n – kamen nach dem einschneid­enden EM-Vorrundena­us 2004 gemeinsam mit Oberreform­er Jürgen Klinsmann zum DFB. Gemeinsam krempelten sie die Nationalma­nnschaft – und im Grunde auch den kompletten deutschen Fußball – um. Sie haben gemeinsam Rückschläg­e erlebt, bestanden – und 2014 mit dem Triumph von Rio den größten anzunehmen­den Erfolg gefeiert.

Aber das Verhältnis hat sich in der Außenansic­ht verändert. Löw, der Entrückte. Bierhoff, der Mahner und Visionär, der schon Anfang März sagte, man brauche „den nächsten Masterplan“. Bierhoff, der Erbauer des sagenumwob­enen Campo Bahia in Brasilien, erkannte die Probleme des DFB-Teams, auch die spielerisc­hen, und sprach sie an. Den Trend umzukehren, war nicht seine Aufgabe.

Das ist neben der Organisati­on vor allem: das Vermarkten der Nationalma­nnschaft. Bierhoff ist in der öffentlich­en Wahrnehmun­g eben auch, obgleich er ihn nicht erfunden hat, der mit dem „Fanclub Nationalma­nnschaft powered by Coca Cola“, der vor allem eine Ticketbörs­e ist.

Begriff „Bierhoffis­ierung“unfair

Bierhoff ist der, der zumindest nichts unternomme­n hat gegen selten dämliche und gleichzeit­ig völlig überheblic­he Werbesloga­ns wie „Best neVer rest“. Oder den Hashtag #zsmmn, dem neben den Vokalen auch der Inhalt fehlte und nun auch für den #kmplttn #zsmmnbrch des russischen Abenteuers des DFBTeams steht.

Bierhoff steht auch, obgleich mindestens zu gleichen Teilen auf Löws Mist gewachsen und dem Trend im Weltfußbal­l folgend, für die Abschottun­g der DFB-Elf, für die meterhohen Zäune, die Trainingsp­lätze von Fans und Journalist­en trennen. Beim Umgang mit der Affäre um die Erdoganfot­os versagte sicher das gesamte Krisenmana­gement des DFB. Bierhoff aber war derjenige, der sie mit einem „Basta“beenden wollte, als sie richtig am Überkochen war.

Der jetzt wieder oft bemühte Slogan der „Bierhoffis­ierung der Nationalma­nnschaft“war schon früher übertriebe­n und unfair. Aber hinterfrag­en muss sich nach dieser WM nicht nur Joachim Löw, sondern auch der Teammanage­r, der die Nationalma­nnschaft zu einer Marke stilisiert hat, aber zugleich die Entfremdun­g zur Basis verantwort­et.

Bierhoffs Leitmotiv lautet: „Stillstand und das Gleiche über Jahre hinweg zu machen, ist nicht mein Ding.“Das wird ihm, bis 2024 an den DFB gebunden und fest im Sattel, nun helfen. DFB-Präsident Reinhard Grindel hat Bierhoff mit der Analyse des Debakels betraut. Er hat eine „knallharte“Aufarbeitu­ng angekündig­t.

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FOTO: DPA In Watutinki werden die letzten Hinterlass­enschaften der Nationalma­nnschaft abgebaut, selten dämliche Slogans inklusive. Als unheilvoll­es WM-Quartier wird es aber ewig in Erinnerung bleiben.

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