Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Fall Lindau: Rentner wurde erwürgt
In der Verhandlung in Kempten geht es um Mord, Brandstiftung und Diebstahl
LINDAU - Für die Staatsanwaltschaft ist klar: Der 76-jährige Rentner aus Zech musste sterben, weil die rumänische Bettlerbande einen Raub vertuschen wollte. Laut exklusiven Informationen der LZ wurde der Mann erwürgt, bevor die Täter sein Haus in Brand gesteckt haben. Die Verhandlung gegen zwei Verdächtige beginnt in eineinhalb Wochen vor dem Landgericht in Kempten. Der 37-jährige Hauptverdächtige ist unter anderem wegen Mordes angeklagt.
Denn laut Staatsanwaltssprecher Bernhard Menzel sind Mordmerkmale klar gegeben. „Es ist Mord, weil es eine Verdeckungstat war. Er hat einen Menschen getötet, um eine Straftat zu vertuschen“, sagt er im Gespräch mit der LZ. Für die Staatsanwaltschaft hat sich in der Nacht auf den 9. März in etwa Folgendes abgespielt: Mitglieder einer rumänischen Bettlerbande sind in das ehemalige Bahnwärterhäuschen in Zech eingedrungen, um Taschen, Werkzeug und Alkohol zu stehlen. „Sie waren in der Wohnung, um die Sachen zu entwenden“, sagt Menzel. „Dabei wurden sie offenbar gestört.“
Die Polizei wusste schon länger, wie der 76-jährige Mann umgebracht wurde. Aus ermittlungstaktischen Gründen hielt sie diese Informationen allerdings zurück. Nun sagt Menzel auf Anfrage der LZ: „Der Mann wurde erwürgt.“Um die Tötung zu vertuschen, sollen die Verdächtigen dann das Bahnwärterhäuschen angezündet haben.
Aus diesem Grund ist der 37-jährige Hauptverdächtige neben Mordes auch wegen besonders schwerer Brandstiftung und versuchtem schweren Bandendiebstahl angeklagt. Mit ihm auf der Anklagebank sitzt ein 27-jähriger Mann, der laut Polizei wahrscheinlich das Fluchtauto gefahren hat. Ihm wirft die Staatsanwaltschaft versuchten schweren Bandendiebstahl vor.
Der Mordfall hatte im vergangenen Jahr eine ganze Sonderkommission monatelang in Atem gehalten: In der Nacht zum 9. März brannte das ehemalige Bahnwärterhäuschen in Zech lichterloh. Rettungskräfte finden in dem Haus den leblosen Körper eines 76-jährigen Rentners. Bald stellt sich heraus: Der Mann wurde vor dem Brand getötet.
Schnell war klar, dass sich die Ermittlungen schwierig gestalten würden, die Polizei gründete eine 30köpfige „Sonderkommission Eichwald“, zu der neben Kriminalpolizisten aus Lindau auch Beamte aus Kempten gehörten. Direkt nach der Tat nahmen die Ermittler einen damals 47-jährigen, wohnungslosen Slowaken fest, der sich um den Tatzeitpunkt in der Nähe des Bahnwärterhäuschens aufgehalten haben soll.
Daraufhin führte die Spur nach Rißtissen bei Ehingen. Eine Befragung von 150 Anwohnern führte die Ermittler schließlich zu einem damals 36-jährigen Mann, der zu einer rumänischen Bettlerbande gehörte, die in Lindau bereits bekannt war: Die Schleierfahnder hatten die Rumänen einige Zeit zuvor in der Nähe des Bahnwärterhäuschens kontrolliert.
Wenig später nahmen die Beamten den Verdächtigen auf einem Supermarktparkplatz in Ulm fest. Er sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Kurz nach der Festnahme des Rumänen wurde der 47-jährige Slowake aus der Haft entlassen. Anfang Juli vergangenen Jahres verhaftete die Lindauer Kripo einen damals 26-jährigen Mann in Lindau. Er gehört zur selben rumänischen Bettlergruppe wie der 36-jährige Tatverdächtige und soll das Fluchtauto gefahren haben.
Die Polizei ging von Anfang an davon aus, dass an der Tat noch mehr Mitglieder der Bettlergruppe beteiligt waren. Trotzdem hat die Staatsanwaltschaft bereits Anfang des Jahres Anklage gegen die beiden Tatverdächtigen erhoben. „Es gibt einen Beschleunigunsgrundsatz“, erklärt Staatsanwalt Menzel. Danach könne man die beiden Tatverdächtigen nicht ewig in Untersuchungshaft sitzen lassen – auch wenn die Ermittlungen in dem Fall noch nicht vollständig abgeschlossen sind. „Bei einem U-Häftling wird alle sechs Monate untersucht, ob er noch zurecht in Haft sitzt.“
Die Verhandlung gegen die beiden Tatverdächtigen beginnt am Dienstag, 17. Juli. Das Landgericht Kempten hat dafür sieben Verhandlungstage angesetzt, was darauf hindeutet, dass einige Zeugen vernommen werden. Auch die Sprachbarriere könnte während der Verhandlung Zeit kosten: Die Polizei arbeitete während ihrer Ermittlungen mit Dolmetschern zusammen, die mutmaßlichen Täter sprechen nur wenig Deutsch.