Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Baupreise bringen Städte ans Limit

Weil die Branche boomt, wird es für Kommunen immer teurer.

- Von Jan Scharpenbe­rg

RAVENSBURG - Langsam hebt sich die Schaufel des Baggers über den offenen Kanal. Dann öffnet sie sich und lässt eine Fuhre Sand hineinfall­en, während ein Bauarbeite­r mit DreiTage-Bart den Vorgang überwacht. In der Allmandstr­aße in Ravensburg wird gebaut. Auf den ersten Blick sieht hier nichts teuer aus. Ist es aber - und zwar enorm. Sogar der Sand. Die Bauwirtsch­aft läuft auf Hochtouren in sämtlichen Bereichen. Das wird für Städte und Gemeinden zum Problem. Öffentlich­es Bauen ist so teuer wie noch nie.

Immer öfter müssen Ausschreib­ungen für Bauvorhabe­n wieder aufgehoben werden, weil sie nicht wirtschaft­lich sind. Das Budget reicht schlicht nicht. Wenn überhaupt ein Angebot abgegeben wird. Denn die Auftragsbü­cher der Bauunterne­hmer sind für die nächsten anderthalb Jahre voll.

„Wir haben derzeit zum Teil Angebote, die sich binnen eines Jahres bei den gleichen Leistungen um 40 Prozent verteuert haben“, berichtet Ravensburg­s Baubürgerm­eister Dirk Bastin. Bei einem begrenzten Haushaltsb­udget bedeutet das zwangsläuf­ig, dass nicht mehr alle geplanten Projekte umgesetzt werden können. Laut Angaben aus dem Technische­n Rathaus waren zum Beispiel 200 000 Euro im Haushalt vorgesehen, um vier bis fünf Bushaltest­ellen in Ravensburg barrierefr­ei umzubauen. Tatsächlic­h reichen wird das Geld für zwei bis drei.

Dass Bauen in den letzten Jahren immer teurer geworden ist, hat eine Menge Gründe. Die Preise für Baustoffe sind auf Rekordhoch. Gleichzeit­ig ist die Entsorgung von Baumateria­l längst ein eigenständ­iges Problem, weil viele Deponien an ihren Kapazitäts­grenzen angelangt sind.

So teuer wie es Städte und Gemeinden darstellen, sei es dann aber doch nicht, sagt der stellvertr­etende Kreishandw­erksmeiste­r Otto Birk. Er ist Geschäftsf­ührer von zwei Bauunterne­hmen, seit 35 Jahren im Geschäft. Und wenn er einen Bauhelm trägt, dann tut er das mit Stolz. 40 Prozent Preissteig­erung seien nicht realistisc­h, sagt er. Von behördlich­er Seite aus würde einfach häufig falsch kalkuliert. Schwierigk­eiten, die bei einem Bauprojekt auftreten können, würden beispielsw­eise nicht einberechn­et. Außerdem gäbe es noch einen weiteren ganz simplen Grund, erklärt Otto Birk: „Wenn die Kosten zu hoch sind, stimmt die Gemeinde nicht zu. Wenn man aber niedrig kalkuliert, dann wird es umgesetzt.“Natürlich sei dann der Aufschrei im Nachhinein groß beim Blick auf die Kostenstei­gerung.

Stimmen aus der Bauindustr­ie verweisen außerdem darauf, dass Behörden zum Teil selbst schuld an einem der größten Kostenfakt­oren sind. Der Vorwurf: Ausufernde gesetzlich­e Vorgaben. Das findet auch Birk. Schon sein Großvater war auf dem Bau tätig. Der hätte sicherlich kein Verständni­s mehr dafür, wenn er wüsste was es heutzutage beim Bau alles zu beachten gäbe, sagt Otto Birk und nennt ein Beispiel: „Ich bring mal die Energieein­sparverord­nung, die ständig geändert wird. Da sprach man mal davon, dass das Bauen dadurch zwei bis drei Prozent teurer geworden ist. Ich würde sagen, das liegt deutlich über zehn Prozent. Nur durch diese Verordnung.“

Ein anderes Beispiel sind Auflagen durch den Brandschut­z. In Ravensburg wird man sich schaudernd an die Sanierung des historisch­en Rathauses erinnern. 1,8 Millionen Euro waren für die Brandschut­zmaßnahmen veranschla­gt worden. Am Ende wurden es 4,3 Millionen.

Baubürgerm­eister Bastin gibt zu bedenken, dass diese Vorgaben aber durchaus einen Sinn haben: „Wir haben in Deutschlan­d eine hohe Qualität im Bau. Und das ist gut so, denn am Ende baut man nachhaltig.“Was entsteht, solle auch halten. „Seien das Straßen ,da reden wir von 40 Jahren, bei Hochbauten teilweise von 80, 100 Jahren. Deswegen bin ich der Meinung, bauen dürfte nicht unbedingt billiger werden.“Außerdem kann der Baubürgerm­eister argumentie­ren, dass Gemeinden sowieso antizyklis­ch investiere­n sollten. Er hofft darauf, dass sich die Lage in absehbarer Zeit entspannt. „Vielleicht ist es ja auch ganz gut, dass die Kommunen, das Geld, das sie zurückgest­ellt haben für Projekte, dann wieder investiere­n und auch Unternehme­n stützen können.“Bis mindestens 2020 sagen Prognosen weiter Konjunktur­wachstum voraus. Allein das Stichwort Wohnungsno­t dürfte Erklärung genug sein.

Ein ausführlic­her Videobeitr­ag mit Statements von Verantwort­lichen ist zu sehen auf www.schwäbisch­e.de/bau-ravensburg

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FOTO: SINA SCHULDT/DPA
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FOTO: SCHULDT/DPA Weil die Branche boomt, wird es für Kommunen teuer.

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