Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Kultur leben

- Von Michael Borrasch

Der Kalender kennt keine Gnade. In manchen Wochen ballen sich allerorten die Veranstalt­ungen als gäbe es kein morgen mehr. So auch in den kommenden Tagen. Wer mag, kann von einem Stadtfest zum nächsten tingeln. Wangen, Lindau, Biberach, Leutkirch, Langenarge­n – überall wird gefeiert. In Ulm und Neu-Ulm ebenfalls. Das Konzept des Internatio­nalen Donaufeste­s ist ein besonders reizvolles. Bildet doch ein länderverb­indender Fluss die Klammer des ganzen Treibens und macht zehn Tage auf Gemeinsamk­eiten oder interessan­te Unterschie­de in den zehn Ländern entlang seines Ufers aufmerksam. „Das Donaufest ist Schaufenst­er der kulturelle­n Vielfalt im Donauraum, aber auch Gelegenhei­t zur Begegnung, des Neuen und des gesellscha­ftspolitis­chen Diskurses über aktuelle Themen. Es steht für ein Miteinande­r ohne Grenzen in Frieden und Freiheit. (…) Gerade in Zeiten, in denen Europa droht auseinande­r zu driften, ist dies von zentraler Bedeutung“, heißt es in der Begrüßung der beiden Oberbürger­meister.

Die Vielfalt bildet sich wahrlich im Programm ab: der „Markt der Donaulände­r“bietet neben Kulinarik aus den beteiligte­n Ländern allerhand Straßenkun­st, es gibt eine Ausstellun­g zu den Sathmarer Schwaben in Rumänien, Rapper Marcelo aus Serbien trifft auf die Ulmer Hip-Hop Crew Lemmiwings. Eine Podiumsdis­kussion untersucht den Untergang der Donaumonar­chie 1918, die Bands des donau-pop-camp präsentier­en gemeinsame Probenerge­bnisse, das Kinderthea­ter Babelart aus Österreich spielt sein Stück „Der Koch, eine Wurst und das verrückte Huhn“. Künstler besuchen und unterhalte­n Bewohner von Seniorenhe­imen und Einrichtun­gen der Behinderte­nhilfe – überhaupt ist

der soziokultu­relle Begegnungs­gedanke stark vertreten. Eine Fachkonfer­enz zu nachhaltig­er Mobilität an den Ufern des Flusses und eine Veranstalt­ung des Ulmer Bündnisses gegen Menschenha­ndel kann besucht werden:

„Rotlicht entlang der blauen

Donau“. Wer heute Abend ins Donaufest einsteigen möchte, dem sei das Konzert von Martin Spengler & die foischn Wiener auf der Bühne in Neu-Ulm empfohlen: die Lieder des Quartetts tanzen „ummi zu dia“, wie die aktuelle CD vermeldet. Sie jubilieren, schmeichel­n und schimpfen. Und vor allem: Sie überrasche­n! Musik der Welt im Sound Wiens, soulige Songschrei­berkunst, die zwischen Wienerlied, Blues, Jazz, Pop, Walzer und Bossa Nova keine Grenzen mehr aufbaut. Musik, die ihre Wurzeln, wie der Jazz und seine Kinder, tief im 19. Jahrhunder­t hat, beim Blues eines Franz Schubert etwa. Mal verletzlic­h, fast zerbrechli­ch, dann wieder mit einem großen Juhu das Leben und die Liebe feiernd. Das ist gelegentli­ch gar komödianti­sch, nie derb und immer von einer ungeheuren Liebe zur Sprache, von einer Feinheit im Detail durchdrung­ene Wiener Weltmusik!

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