Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Abi-Feierlichkeiten im Wandel der Zeit
Ein Schulabschluss ist ein Einschnitt, ein Abschied und ein Schritt ins Leben. Einst spielte das Schulorchester im Konzerthaus, der „Direx“trat ans mit Grünzeug geschmückte Rednerpult, sprach Weisheiten von Platon, Sokrates und Konrad Adenauer aus, lobte, pries und zeichnete die besten Abiturienten und Abiturientinnen mit Sonderpreisen aus, hob die Bedeutung des örtlichen Gymnasiums für die Zukunft der Stadt, der Region und der Gesellschaft hervor, verschwieg die Durchfallquote und machte das Rednerpult frei für die Ansprache des Scheffelpreisträgers, bester Abiturient der Nachkriegszeiten! Auch in seiner Rede, voll des Dankes ans Kollegium, an Eltern und Vorfahren bis ins Mittelalter, wimmelte es von Weisheiten Altvorderer, während Mittelstufen – Schüler und die jüngsten unruhig auf den Stühlen ruckelten.
Als ich endlich das Abitur bestanden hatte, verzichtete meine Klasse wie manche auf überkommene Abschlussfeiern samt Brimborium. Am nahe gelegenen Waldweiher gab’s ein Fest ohne Angehörige und Kollegium, wohl aber mit damals durchgefallenen Klassenkameraden, immerhin sieben von 23. Heftig und schmerzlos! Dass diese Veranstaltung auch nicht der Weisheit letzter Schluss war, dämmerte uns später. Inzwischen takeln sich höhere Töchter mit teuren Kleidchen für den von Event-Agenturen gestylten Abiball auf. Knaben und Eltern erscheinen glatt geschniegelt wie die gehaltenen Reden. Fast wie einst. (glo)