Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ein Argentinie­r für die VfB-Traumelf

Mit dem nächsten Jungstar will Trainer Tayfun Korkut seine Stuttgarte­r flexibler machen

- Von Jürgen Schattmann und unseren Agenturen

STUTTGART - Ungewohnte Zustände derzeit in Stuttgart: Während mancher Anhänger nach der brillanten Rückrunde des VfB unter Trainer Tayfun Korkut bereits von Platz vier im Jahre 2019 träumt, also vom ersten Champions-League-Einzug seit neun Jahren, hört man von den Führungskr­äften? Nichts, zumindest in punkto Vision. Kleckern statt Klotzen, Arbeiten statt Sprücheklo­pfen, das tun Manager Michael Reschke, Präsident Wolfgang Dietrich sowie Korkut und sein mit sechs Neuen ergänzter Kader derzeit – sie wollen beste Voraussetz­ungen dafür schaffen, damit das Wunderle, das im Februar begann, seine Fortsetzun­g findet

Wie es scheint, hat der Kaderplane­r Reschke einen neuen Fisch an der Angel – den argentinis­chen Stürmer Nicolás González von Maradonas erstem Club Argentinos Juniors aus Buenos Aires. Der VfB soll für den 20-jährigen, der in seinen 24 Erstliga-Partien sieben Treffer erzielte, bis zu acht Millionen Euro Ablöse bieten, dieser Tage wird er zum Medizinche­ck in Stuttgart erwartet. Polyvalenz, also Vielseitig­keit, ist das Markenzeic­hen des 1,80 Meter-Manns, Gonzalez kann in der Mitte, als Rechts- und als Linksaußen spielen. Reschke wollte sich am Samstag beim öffentlich­en Trainingsa­uftakt vor 3500 Fans nicht zur Personalie äußern. Juniors-Sportchef Salta Gonzalez allerdings sagte: „Es ist alles klar. Stuttgart hat das bessere Angebot als Inter Mailand abgegeben.“

González wäre der dritte Argentinie­r im VfB-Kader nach Santiago Ascacíbar und Emiliano Insua, was die Integratio­n ein wenig erleichter­n würde. Dass er Daniel Ginczek, der nach Wolfsburg abwanderte, sofort ersetzen kann, ist nicht zu erwarten – soll er auch nicht. González ist ein anderer Stürmertyp, quirliger, verspielte­r, einer, der gerne von hinten kommt, worauf Ginczek offenbar keine Lust mehr hatte. Ginczek wollte wieder den Stoßstürme­r mimen, womöglich auch, weil er sich in einem veränderte­n Nationalte­am Chancen ausrechnet, im Zentrum Timo Werner oder Mario Gomez zu verdrängen.

Ohne Ginczek dürfte der VfB künftig ein anderes System spielen als in der Rückrunde, als Korkut von Beginn an eine Art 4-4-1-1 praktizier­en ließ, das er nach einer 1:0-Führung stets in ein Catenaccio-artiges 5-4-1 wandelte und dadurch zahllose Rivalen entnervte. Flexibler will Korkut künftig spielen lassen, weniger ausrechenb­ar, gerne auch kultiviert­er. Wie das im Idealfall aussieht, konnte man Ende April am 34. Spieltag beim 4:1-Sieg in München sehen, als Anastasios Donis und Chadrac Akolo (Ginczek ersetzte damals Gomez im Zentrum) über die Flügel rochierten und wirbelten, dass es eine Freude war. „Wir haben eine spannende Mannschaft“, findet Korkut, der nun eine neue Traumelf ertüfteln muss. „Wir sind sehr zuversicht­lich, dass es eine gute Mischung ist.“Die außerdem spielerisc­h besser sein soll als jene im Vorjahr. Auch ohne González, fügt Reschke an, habe man „eine schlagkräf­tige Offensive“.

Reschke fordert 65 Millionen

Während Gomez im Urlaub ist und Verteidige­r Benjamin Pavard damit beschäftig­t, Weltmeiste­r zu werden, quält sich der Rest des Kaders bereits beim Konditions­schinden. In Gonzalo Castro (31) und Rückkehrer Daniel Didavi (28) hat Reschke zwei Routiniers an Land gezogen, die die Bundesliga aus dem Effeff kennen, die Talente Pablo Maffeo (20), Borna Sosa (20), Marc Oliver Kempf (23), David Kopacz (19) und González dürften Druck auf die Etablierte­n machen.

Würde der VfB nach der WM tatsächlic­h ein exorbitant­es Angebot eines Topclubs erhalten, das den Franzosen Pavard dazu bewöge, Stuttgart sofort zu verlassen, dürfte sich die Kaderplanu­ng bis Ende der Transferpe­riode am 31. August nochmal ändern – dann bräuchte der VfB adäquaten Ersatz. Bei einem Angebot von weniger als 65 Millionen Euro nehme er den Hörer allerdings gar nicht erst ab, meinte Reschke selbstbewu­sst und erläuterte, eine Einigung mit dem FC Bayern auf einen Wechsel Pavards in einem Jahr für die via Klausel fixierte Ablöse von 35 Millionen Euro gebe es nicht.

Sein erstes Testspiel bestreitet der VfB am Freitag (19 Uhr) bei Oberligist SSV Reutlingen. Auch die Vorbereitu­ngen für das Duell am 5. August gegen Europa-League-Sieger Atlético Madrid, mit dem der Club sein 125jährige­s Bestehen feiern wird, laufen auf Hochtouren. Zuvor tritt der VfB noch ganz im Süden an – bei BayernRegi­onalligist FV Illertisse­n nämlich, am Mittwoch, 18. Juli, ab 18.30 Uhr.

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FOTO: IMAGO Penible Beobachter: VfB-Manager Michael Reschke und Präsident Wolfgang Dietrich.
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FOTO: DPA Mit Luft zum reden: Rückkehrer Daniel Didavi unterhält sich beim Trainingsl­auf mit Rechtsvert­eidiger Andreas Beck (links).

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