Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Deutschlan­d ist der Lieblingsf­eind des US-Präsidente­n

Bundeskanz­lerin Angela Merkel dürfte das auf dem Nato-Gipfel diese Woche zu spüren bekommen

- Von Ines Zöttl

WASHINGTON - Es lief von Anfang an nicht gut. Für das erste Treffen von Angela Merkel mit dem US-Präsidente­n hatten die Meteorolog­en den Beginn der rosa Kirschblüt­e in Washington vorausgesa­gt. Stattdesse­n stürzte die Temperatur auf den Gefrierpun­kt. Donald Trump empfing die Bundeskanz­lerin ein paar Tage später im Weißen Haus mit einem ebenso frostigen Satz: „Angela, du schuldest mir eine Billion Dollar.“Der Präsident hatte überschlag­en, welche Lücke sich innerhalb von 14 Jahren zwischen Deutschlan­ds tatsächlic­hen Verteidigu­ngsausgabe­n und den Zusagen im Rahmen der Nato aufsummier­t habe.

Gut ein Jahr später scheint Trump entschloss­en, auf dem Nato-Gipfel am Mittwoch in Brüssel die vermeintli­chen Schulden endlich einzutreib­en. Als Hauptkontr­ahentin hat er sich Merkel ausgesucht. „Die USA geben viel mehr für die Nato aus als jedes andere Land. Das ist weder fair noch akzeptabel“, twitterte er am Montag und pickte sich erneut Deutschlan­d heraus, das nur ein Prozent seines Bruttoinla­ndsprodukt­s beitrage. Tatsächlic­h sind es 1,2 Prozent, doch vom selbst gesteckten Zwei-Prozent-Ziel ist Deutschlan­d weit entfernt.

Deutschlan­d und seine Kanzlerin sind zum Lieblingsf­eind Trumps geworden. Wenn er über Europa schimpft, dann kriegen es die Deutschen immer noch ein bisschen härter ab. Trump habe seinen Zehn-Minuten-Monolog der deutschen Sünden perfektion­iert, schreibt die USNachrich­tenseite Axios. „Unfairer Handel mit den USA (besonders bei Autos), unzureiche­nde Verteidigu­ngsausgabe­n und eine laxe Einwanderu­ngspolitik, die zu einer Invasion radikaler Islamisten führt.“

Gegenentwu­rf zur Abschottun­g

Dass Merkel innenpolit­isch geschwächt ist, kommt Trump gerade recht. Persönlich kann Trump mit der nüchternen Protestant­in sowieso nichts anfangen. Politisch ist das liberale Deutschlan­d für ihn der Gegenentwu­rf zu seiner Abschottun­gsAgenda. „Was sie in Deutschlan­d getan hat, ist verrückt. Es ist verrückt“, hat er 2015 über Merkels Flüchtling­spolitik gesagt. Während der jüngsten Berliner Koalitions­turbulenze­n konstatier­te er, dass „sich das Volk in Deutschlan­d gegen seine Führung wendet“.

Dass Trump Merkel damals gleichzeit­ig als „größte Führerin der heutigen Welt“beschrieb, ist nur scheinbar ein Widerspruc­h. Für den Immobilien­mogul teilt sich die Welt in Gewinner und Verlierer, und Deutschlan­d ist es aus seiner Sicht gelungen, Amerika zu übervortei­len. „Die USA müssen für die mächtige und sehr teure Verteidigu­ng bezahlt werden, die sie für Deutschlan­d leisten“, forderte er nach dem Treffen mit Merkel 2017. Und er nimmt der Bundesregi­erung übel, dass die Russland kritisiert, aber durch die Ostseepipe­line Nord Stream 2 russisches Gas beziehen will.

Trump weiß, dass ohne Deutschlan­d in der EU nichts geht, und er sucht nach Möglichkei­ten, die Gemeinscha­ft zu spalten. Darauf zielt seine Idee ab, alle Autozölle zwischen USA und EU abzuschaff­en. Und es dürfte kein Zufall sein, dass die „Washington Post“jüngst berichtete, der Präsident lasse den Abzug der 35 000 in Deutschlan­d stationier­ten US-Soldaten prüfen. Als ultimative Drohung vor dem Nato-Gipfel.

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FOTO: DPA US-Präsident Donald Trump hat sich als Hauptkontr­ahentin Angela Merkel ausgesucht.

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