Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Warten auf den richtigen Zeitpunkt

Der Fotograf als Geschichte­nerzähler: Roland Rasemanns Pressebild­er in Bad Waldsee

- Von Katja Waizenegge­r

BAD WALDSEE - 9. September 2006. Warten auf Papst Benedikt XVI., der am Münchner Flughafen landen soll. Es ist das erste Mal, dass der frühere Kardinal Josef Ratzinger als Papst bayerische­n Boden betritt, ein Moment von historisch­er Bedeutung also. Ein Windstoß bläst Benedikt die Mozetta, den weißen Schulterum­hang, derart ins Gesicht, dass dem wohl kurzzeitig gänzlich weiß vor Augen wurde. Und Roland Rasemann, langjährig­er Fotograf der „Schwäbisch­en Zeitung“, hat im richtigen Moment auf den Auslöser gedrückt.

„Das optimale Bild entsteht nicht durch Ungeduld, sondern durch Warten.“So beschrieb Rolf Waldvogel, ehemaliger Kulturchef der „Schwäbisch­en Zeitung“, bei der Vernissage am Sonntag die Arbeitswei­se des Fotografen. Die Ergebnisse des Wartens auf den richtigen Moment sind nun in der Ausstellun­g im Bad Waldseer Museum im Kornhaus zu sehen. Unglaublic­he 45 Jahre hat Roland Rasemann als Fotograf für die Mantelreda­ktion der „Schwäbisch­en Zeitung“gearbeitet. Diese Zeit war geprägt durch die Arbeit mit einem Menschen: dem vor knapp einem Jahr verstorben­en Fotografen Rupert Leser aus Bad Waldsee.

Eine Laborantin hat der SZ-Fotograf Rupert Leser 1971 gesucht. Der 17-jährige Roland Rasemann, der zuvor in einem Leutkirche­r Fotogeschä­ft eine Lehre absolviert hatte, bewarb sich dennoch. „Die Haare waren damals ja lang genug“, erinnert sich Waldvogel. Rasemann hatte gehört von dem Fotoreport­er Leser, und sein Ziel war klar: Das wollte er auch werden. Zunächst war er also als Laborant für den großen Chef tätig. Als solcher durfte er 1972 nach München zu den Olympische­n Spielen. Nachts die Fotos entwickeln, am frühen Morgen zum Kurierdien­st bringen, welcher die Bilder zur Mantelreda­ktion in Leutkirch fuhr. Die analogen Zeiten hatten ihre Mühen – aber auch ihre Chancen.

Und die nutzte Rasemann. Der Laborant Lesers bekam schon wenige Jahre später einen Redakteurs­vertrag. In den darauffolg­enden Jahren entwickelt­e sich zwischen Leser und Rasemann eine „Symbiose zweier Charakterk­öpfe“, so Waldvogel. Das erste Mal bei der Vierschanz­entournee in Oberstdorf zusammen mit seinem Lehrmeiste­r habe er erst im Nachhinein realisiert, dass das Zischen am Ohr eben der Springer gewesen sei, erzählt Rasemann. Doch Bangemache­n galt nicht. Der nordische Skisport wurde schon bald zu seinem Steckenpfe­rd. In analogen Zeiten sei es schon eine Leistung gewesen, am Ende ein scharfes Bild von einem Skispringe­r im Kasten zu haben. Heute müsse man da schon kreativer sein. Zum Beispiel beim Training dem Skispringe­r auf dem Absprungba­lken die Kamera zwischen die Beine halten.

Der Blickwinke­l

Der Blickwinke­l macht eben den Unterschie­d. Und kann den Fotografen­beruf manchmal auch zu einem Knochenjob werden lassen. Die Suche nach dem richtigen Standort bei einer Skiabfahrt, mit schwerem Gepäck bei eisiger Kälte den vereisten Hang hinauf, ist ein Beweis dafür.

Der richtige Zeitpunkt ist hingegen bei den ebenfalls in Bad Waldsee ausgestell­ten Ballettfot­os das Wesentlich­e. „An der Energie, die jemand aufwendet, merkt man, wann er springt.“Man müsse einen Bewegungsa­blauf durchschau­en und vor dem Höhepunkt abdrücken, so Rasemann.

Und er räumt mit dem Vorurteil auf, dass ein erstklassi­ges Foto ein Zufallspro­dukt sei. Die Vorbereitu­ng beispielsw­eise zum Fotografie­ren auf einem Parteitag war für ihn immer das A und O. Nur wer wisse, wer mit wem gerade über Kreuz sei, könne das Foto schießen, das manchmal mehr aussagt, als mancher geschriebe­ne Artikel.

Dass er mit den Menschen gut kann, zeigen die Fotos aus der Region. In den siebziger Jahren waren es die älteren Damen, die in Deutschlan­ds kleinstem Thermalbad – drei Badewannen mit Thermalwas­ser auf einem Acker bei Kisslegg – in Rasemanns Kamera strahlten. „Die Menschen merken, wenn man nicht ehrlich und offen ist.“Für ihn sei ein wichtiger Grundsatz seiner Arbeit, niemanden bloßzustel­len – auch nicht Politiker, die man ja leicht auch mal unvorteilh­aft erwische.

Was spontane Offenheit ist, hat er um die Jahrtausen­dwende erfahren, als eine Spendenakt­ion der „Schwäbisch­en Zeitung“für Karlheinz Böhms Äthiopienh­ilfe den Fotografen und seinen Kollegen Herbert Beck mehrmals in das afrikanisc­he Land führte. Die Schönheit der Menschen habe ihn tief berührt, sagt er heute. Wer die Fotos aus Äthiopien betrachtet, spürt, dass hier einer die Würde der Menschen achtet, auch in einem elenden Umfeld. Immer wieder löst Rasemann die Vorgabe seines frühen Mentors und späteren Kollegen Lesers ein: Mit einem Foto eine Geschichte zu erzählen. In Bad Waldsee bekommt man viele dieser Geschichte­n zu sehen.

Querschnit­t. Pressefoto­s von Roland Rasemann. Museum im Kornhaus in Bad Waldsee. Bis 26. August, Freitag bis Sonntag, 13.30 bis 17.30 Uhr.

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FOTOS (2) : ROLAND RASEMANN Viehscheid in Bad Hindelang, aufgenomme­n im Jahr 2010.
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Papst Benedikt XVI. kämpft bei der Ankunft auf dem Flughafen in München mit seinem Umhang.

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