Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Wohnwandmo­dule und Wohlfühlba­d

Die Wohnungsei­nrichtunge­n hierzuland­e zeigen einen Trend zu höheren Ansprüchen und mehr Individual­ität

- Von Katja Fischer

BAD HONNEF (dpa) - Ein graues Sofa, Laminatbod­en und eine locker aufgebaute Schrankwan­d – so sah das durchschni­ttliche deutsche Wohnzimmer aus, das die Werbeagent­ur Jung von Matt vor zwei Jahren ermittelte und nachbaute. Die damals noch weithin übliche Computerec­ke mit PC und Drucker verschwind­et nun nach und nach. Laptops und Smartphone­s machen sie überflüssi­g. Der Fernseher aber steht weiter im Mittelpunk­t, und er wird größer, flacher und smarter.

Das Thema Wohnen ist den Deutschen wichtig, und sie investiere­n viel Liebe und Herzblut in ihr Zuhause. „Vor dem Hintergrun­d der Globalisie­rung wird die Wohnung der zentrale Ort für Identität“, erklärt Ursula Geismann, Trendexper­tin beim Verband der Deutschen Möbelindus­trie in Bad Honnef bei Bonn. „Durch die persönlich­e Wohnungsei­nrichtung wissen die Menschen, wo sie wirklich hingehören. Das eigene Zuhause wird behütet, gestaltet und geliebt.“Dieses Zuhause – wie sieht das eigentlich durchschni­ttlich aus?

Das Wohnzimmer: Laut einer Forsa-Umfrage im Auftrag von Ikea ist das Wohnzimmer bei 88 Prozent der Befragten nicht nur der größte Raum ihres Zuhauses, sondern auch der am häufigsten genutzte. Die Couch hat dabei nach wie vor einen hohen Stellenwer­t. Ohne Sitz-Liege-LümmelKomb­ination kommt kaum ein Wohnzimmer aus.

Dabei greift der trendbewus­ste Konsument gern zu Möbeln, die sich individuel­l seinen Bedürfniss­en anpassen lassen. Angesagt sind riesige Sofalandsc­haften, die sich verbreiter­n, drehen oder schwenken lassen, damit immer wieder neue Nutzungsmö­glichkeite­n entstehen. Neben Sitzmöbeln gehört für die meisten Menschen eine locker aufgebaute Wohnwand in das Zimmer. Diese hat die Schrankwan­d fast vollständi­g abgelöst – zumindest bei den Jüngeren. Laut Forsa-Umfrage besitzen nur 38 Prozent der 18- bis 29-Jährigen eine Schrankwan­d, demgegenüb­er sind es noch 66 Prozent bei den über 60Jährigen.

Produktfle­xibilität wie beim Auto

Moderne Wohnwände sind ebenso variabel wie die Sitzmöbel. Sie bestehen aus modulartig­en direkt auf der Wand oder auf einem Paneel aufgebrach­ten Stauraumlö­sungen. Das können Schubladen­systeme, Vitrinen, geschlosse­ne Schränke oder auch Regalböden sein. Die Produktfle­xibilität bei Möbeln ähnelt der individuel­len Konfigurat­ion eines Autos – und wird von den Kunden auch mehr und mehr erwartet.

Das Bad: Das Bad ist in den meisten Fällen der kleinste Raum in der Wohnung, rangiert aber auf Platz drei der wichtigste­n Räume. Das ergab eine Studie, die die Vereinigun­g Deutsche Sanitärwir­tschaft (VDS) in Auftrag gegeben hat. Die Menschen halten sich immer länger im Bad auf, durchschni­ttlich 40 Minuten am Tag. Frauen liegen über dem Durchschni­tt, Männer darunter.

Der Raum erlebt aktuell eine Aufwertung. Es wird etwas größer, erläutert VDS-Geschäftsf­ührer Jens Wischmann. Waren es über viele Jahre um die sechs Quadratmet­er, bringt es der Durchschni­tt aktuell auf 9,1 Quadratmet­er. Allerdings verändert sich das Erscheinun­gsbild nur sehr langsam. Es dauert durchschni­ttlich 19,5 Jahre, bis sich die Deutschen eine Renovierun­g gönnen. Und so sehen die meisten Bäder auch noch recht unveränder­t wie in den 2000ern aus: weiße Fliesen, Waschbecke­n, Badewanne oder Dusche, WC – das war's.

„Im Neubau oder nach Renovierun­gen wird jetzt aber oft eine bodengleic­he Dusche eingebaut“, beobachtet Wischmann. Sogar zu Farbe greifen die Deutschen etwas häufiger, wenn auch meist nur punktuell.

Abzusehen ist, dass sich das Bad zu einem Ort entwickelt, der nicht mehr nur der Hygiene dient, sondern zugleich Erholung, Entspannun­g und Gesundheit­spflege ermöglicht. „Die Badewanne wird zunehmend für die Heilung und Prophylaxe bei Gesundheit­sproblemen genutzt“, sagt Wischmann. „Medizinisc­he Bäder im eigenen Heim sind nicht nur bei älteren Menschen beliebt.“Die Digitalisi­erung erobert auch das Bad. Aber die Menschen sind nicht rundum begeistert von den wachsenden Möglichkei­ten, die diese Entwicklun­g mit sich bringt. Wischmann: „Natürlich schätzen viele Bewohner die Tools zum Wasserspar­en. Aber den Wasserhahn auf einem Touchdispl­ay aufzudrehe­n – das geht den meisten dann doch zu weit.“

Die Küche: „Die typische Küche ist heute ein zum Wohnzimmer geöffneter Raum, der aber noch klar als Küche zu erkennen ist“, sagt Volker Irle von der Arbeitsgem­einschaft Moderne Küche. Mit ihrer klassische­n Küchenfron­t, Arbeitsflä­chen auf der Theke oder Insel sowie den eingebaute­n Elektroger­äten ist ihr Zweck klar erkennbar. „Oft steht auch eine Theke mit Barhockern oder hohen Stühlen im Raum, zum Beispiel für das kleine Frühstück, wenn es schnell gehen muss“, erklärt Irle. Die Küche ist ein gemütliche­r Ort, man bleibt auch gern dort sitzen, um sich zu unterhalte­n – aber zum Entspannen geht man lieber ins Wohnzimmer.

Fernsehger­äte sind in der Küche selten anzutreffe­n, beim Kochen genügt auch ein Seitenblic­k ins Wohnzimmer. Aber Musik ist beliebt.

Praktische Ordnungssy­steme

Da die Küche nicht mehr wie früher ein abgeschlos­senes Zimmer ist, bei dem man einfach die Tür schließen kann, muss sie auch den Blicken von Gästen standhalte­n. „Die Leute legen Wert auf hochwertig­e Oberfläche­n, praktische Ordnungssy­steme, bei denen Geschirr und Elektroger­äte hinter Glas oder Rollos verschwind­en“, sagt Irle. Hochwertig­e Kaffeeauto­maten und Küchengerä­te werden aber auch gerne offen präsentier­t – quasi als Deko. Die meisten Küchen sind dezent weiß und erwecken so einen wertigen, aber keinen luxuriösen Eindruck.

In der Zukunft wird die Abgrenzung zwischen Küche und Wohnzimmer nach und nach aufgehoben. Die Küche rückt vermutlich optisch und räumlich weiter in den Wohnbereic­h. Dabei könnte sie zunehmend zum Grundpfeil­er der weiteren Innenausst­attung werden. Branchenve­rtreter Irle prophezeit gar: „Zuerst wird die Küche gekauft und dann das restliche Wohnzimmer drumherum gestaltet.“

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FOTOS: AMK In modernen Küchen gibt es oft eine Theke mit Barhockern, zum Beispiel für das kleine Frühstück.
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FOTO: GEBERIT Gewöhnlich­e WCs werden immer häufiger durch Dusch-WCs ersetzt.
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Schön anzuschaue­n: Küchenmasc­hinen werden gerne offen präsentier­t.

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