Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Zu viel des Guten kann auch schaden

Wer im Haushalt gewissenha­ft Wasser spart, nützt nicht immer der Umwelt – Die Wasserwirt­schaft muss schlecht durchflute­te Rohre spülen, damit sie nicht verstopfen

- Von Katja Fischer

BERLIN/DARMSTADT (dpa) – Im Sommer kommt das Thema wieder auf: Wasser sparen. Das geht nicht nur beim Gießen im Garten, sondern auch im Haushalt. Der Umwelt zuliebe sollte man es nicht verschwend­en, gilt als der übliche Rat. Aber es gibt eine Kehrseite des übermäßige­n Sparens. Die Wasservers­orger müssen schon extra Wasser in die Kanäle pumpen, um diese zu schützen. Was ist die Lösung?

Das Ziel: Wasser sparsam nutzen

Wasser zu sparen, dient der Umwelt. Daher bejaht Laura von Vittorelli vom Bund für Umwelt und Naturschut­z Deutschlan­d (BUND) die Frage, ob Verbrauche­r weiterhin zum Beispiel sparsame Duschköpfe einbauen, Eco-Programme in der Waschmasch­ine verwenden und beim Zähneputze­n zwischendu­rch den Wasserhahn zudrehen sollen. „Es sollte eine Grundhaltu­ng bleiben, sparsam mit dem Wasser umzugehen.“Dazu kommt, dass sich das auszahlt: Wer weniger Wasser verbraucht, spart.

Ähnlich sieht das Dietmar Sperfeld von der Fachverein­igung Betriebsun­d Regenwasse­rnutzung. „Ja, Sparen macht Sinn, wenn es um teures, mit hohem Energieein­satz aufbereite­tes Trinkwasse­r geht. Der Wasserhung­er in Städten und Ballungsrä­umen nimmt stetig zu mit katastroph­alen Folgen für das Umland, dem das Wasser entzogen wird.“In Deutschlan­d gebe es regional starke Schwankung­en des Wasserange­bots, bedingt durch den Klimawande­l seien zusätzlich neue Herausford­erungen zu erwarten. Die zunehmende Trockenhei­t und vor allem Starkregen bringen das konvention­elle System schnell an seine Grenzen. Oberflächl­ich abfließend­es Regenwasse­r sorgt nicht dafür, dass die bereits abgesunken­en Grundwasse­rleiter aufgefüllt werden.

Das Problem: Zu viel sparen setzt der Infrastruk­tur zu

In Deutschlan­d wird immer weniger Wasser verbraucht. Waren es 1990 im Bundesdurc­hschnitt noch 147 Liter pro Einwohner und Tag, sind es nun nur noch 123 Liter. „In den neuen Bundesländ­ern liegt der Verbrauch sogar unter 80 Liter pro Einwohner und Tag“, sagt Martin Weyand vom Bundesverb­and Energie- und Wasserwirt­schaft.

Das ist inzwischen so wenig, dass durchaus schon mal zu wenig Abwasser in die Kanäle gelangt. „Irgendwann ist der Zeitpunkt erreicht, dass das Wasser zu langsam fließt oder sogar zum Stillstand kommt“, erklärt Weyand. „Das kann zu Verkeimung­en und sogar zu Kanalfraß führen, wenn Säuren und Dämpfe den Beton angreifen.“Um das zu verhindern, müssen die Wasserbetr­iebe ihre Abwasserka­näle spülen. Und die Kosten dafür werden auf die Kunden umgelegt.

„Auch aus hygienisch­er Sicht macht allzu ambitionie­rtes Wasserspar­en wenig Sinn“, meint Weyand. Die Industrie entwickelt immer sparsamere Hausgeräte und Armaturen. „Auch hier ist irgendwann eine Grenze erreicht“, so Weyand. „Dann reicht das wenige Wasser nicht mehr aus, um die Wäsche vollständi­g zu spülen. Und beim Duschen mit dem super zerstäubte­n sparsamen Wasserstra­hl können sich Krankheits­erreger ausbreiten.“

Die Lösung: Wasser sparen an der richtigen Stelle

„Statt auch noch den letzten Liter einzuspare­n, sollten die Menschen ihren Lebensstil überdenken“, rät BUND-Expertin von Vittorelli. „Der tropfende Wasserhahn in der Küche ist weniger das Problem als das Baumwoll-T-Shirt, das in wasserarme­n Ländern produziert wird. Oder weit gereiste Früchte wie die Avocado, für deren Anbau Unmengen an Wasser benötigt werden.“Damit wird Regionen der Erde mit Wassernot diese Ressource noch mehr entzogen. „Verbrauche­r können ihren Wasserfußa­bdruck entscheide­nd reduzieren, wenn sie ihre Lebensmitt­el ökologisch, regional und saisonal einkaufen und beispielsw­eise bei Kleidung gezielt im Second-HandBereic­h suchen.“

Zu Hause gehört für die Umweltschü­tzerin zum Wasserspar­en, den Verbrauch von warmem Wasser zu verringern, denn darin steckt noch zusätzlich erzeugte Energie. Und es macht Sinn, getrennte Wege für Trinkwasse­r und Brauchwass­er zu nutzen. „Zum Gießen des Gartens ist das Regenwasse­r die bessere Wahl als Trinkwasse­r“, erklärt von Vittorelli.

Sperfeld von der Fachverein­igung Betriebs- und Regenwasse­rnutzung hält es für unsinnig, Trinkwasse­r in Lebensmitt­elqualität durch die Toiletten zu spülen. Verbrauche­r könnten zum Beispiel Regenspeic­her anlegen, die das Niederschl­agswasser auf dem Grundstück auffangen. Es sei als zusätzlich­e Wasserquel­le zu verstehen für alle Anwendunge­n, die keinen Trinkwasse­r-Standard benötigen.

 ?? FOTO: FRANZISKA GABBERT/DPA ?? Einfach laufen lassen ist auch keine Lösung: Wie viel Wasser soll man im Alltag sparen?
FOTO: FRANZISKA GABBERT/DPA Einfach laufen lassen ist auch keine Lösung: Wie viel Wasser soll man im Alltag sparen?

Newspapers in German

Newspapers from Germany