Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Schützentrommler werden 50 Jahre alt
Wie alles begann: 1968 waren die Realschultrommler erstmals beim Rutenfest dabei
RAVENSBURG - Die Schützentrommler der Ravensburger Realschulen feiern in diesem Jahr das 50jährige Jubiläum. Dass zwei der Schützentrommlerbetreuer, die Brüder Frank und Ralf Enderle, in diesem Jahr auf 30 Jahre Engagement zurückblicken können, setzt das Tüpfelchen aufs i.
Seit 1988 sind Ralf und Frank Enderle für die trommelmusikalische Ausbildung sowie die technische und logistische Betreuung verantwortlich. Ralf Enderle ist mit seinen 46 Jahren der Jüngere der beiden. Er erinnert sich: „Ich war 1986 und 1987 selbst aktiver Schütro, 87 als Tambour. Dann hat man mich, damals 16 Jahre, gefragt, ob ich als Betreuer einsteigen will. Da bin ich hängengeblieben und seither nahtlos dabei. Mit 18 bin ich Mitglied der Rutenfestkommission geworden und seither den Schütros zugeteilt.“
Für alle Nichteingeweihten: Schütro ist der gebräuchliche Name der Schützentrommler. Damals sei es ihm dann doch ein wenig mulmig gewesen ob der Verantwortung und er fragte den großen, vier Jahre älteren Bruder Frank, ob er auch mitmache. Und der, 83 selbst aktiver Trommler, hat Ja gesagt. Frank Enderle: „Zwar hat sich vieles über die Jahre eingespielt, langweilig wurde es deswegen aber nie. Man hat ja immer mit vielen verschiedenen Menschen zu tun. Etwa die Hälfte der Schützentrommler ist jedes Jahr neu dabei. Einige kommen von der Realschule des Bildungszentrums St. Konrad, der Großteil von der Realschule Ravensburg.“Dabei seien es immer viel mehr Bewerber als Aufnahmen. In manchen Jahren hätten durchaus zwei Gruppen gestellt werden können.
Neue Traditionen geschaffen
Mit den Marsch- und Basstrommeln werden überwiegend historisch überlieferte Märsche gemischt mit selbst arrangierten, modernen Rhythmen getrommelt. In der Gründerzeit habe Otto Lutz mit seinem Sohn Märsche kreiert, die an die Fanfarenzüge angelehnt waren. Die Fahnenschwinger mit bis zu drei blauweißen Stadtfahnen und einer gelbschwarzen Landesflagge führen die Trommlergruppe stets an. „Es ist toll, dass 1968 nichts kopiert, sondern etwas Neues geschaffen wurde. Der Stil zu trommeln und die Märsche hatten etwas Eigenes, es wurde einst Traditionswürdiges geschaffen, das es zu erhalten gilt“, so Ralf Enderle.
In der achten Klasse können die Jungs einsteigen. Im ersten Jahr als Vortrommler, Chortrommler oder Fahnenschwinger. Im zweiten Jahr werden die Schüler in der Regel Basstrommler. Und in der zehnten Klasse kann ein Führungsamt als Schützenoberst oder Tambour erworben werden. Nach Einzelinterviews folgt eine Beratschlagung von Ausbildern und Schulleitung und in einem großen Gremium wird dann abgestimmt. Solch ein Führungsamt ist also schon eine große Ehre.
Dass Mädchen bei den Schütros mittrommeln, sei wie bei anderen Trommlergruppen am Rutenfest auch immer mal lose im Raum gestanden - allerdings noch nie konkret gewesen. Aus dem Wunsch einer Lehrerin, dass auch Schülerinnen sich musikalisch am Rutenfest beteiligen können, seien an der Realschule Ravensburg aber die Ratsmusikanten entstanden.
Anfänge waren nicht leicht
„Früher hat Rektor Eckehard Assfalg als Gründer der Schützentrommler den Schützenoberst einfach bestimmt“, weiß Frank Enderle. Ohne den engagierten Einsatz dieses Mannes und seines Mitstreiters Otto Lutz hätten die Schütros vermutlich niemals das Licht der Welt erblickt. „Dass die beiden das 50-Jährige nicht mehr erleben dürfen, ist sehr schade. Es war nicht einfach, eine neue Gruppe auf die Beine zu stellen. Am Anfang mussten sie schon hartnäckig dafür kämpfen“, sagt Frank Enderle. In einer Chronik ist zu lesen: „Am 13. Mai 1968, also knapp drei Monate vor dem Rutenfest, bekräftigte Eckehard Assfalg sein Bestreben mit konkreten Details. Kalkulierte Kosten in Höhe von 1500 D-Mark für Trommeln und gleichen Betrag für die Kostüme wurden veranschlagt. Man kann sich vorstellen, dass die Rutenfestkommission (RFK) nicht gerade Jubelsprünge in ihrer Sitzung veranstaltet hatte. Doch Otto Lutz, der bei der Kreissparkasse Ravensburg arbeitete, wartete mit der freudigen Botschaft auf, dass sein Arbeitgeber eine großzügige Spende zusagte und die Finanzierung gesichert sei.“Also machten sich die Mütter eiligst an die Kostüme. Doch Filze seien damals Mangelware gewesen, so entstanden Hosen und Capes aus Moltonstoff, den es allerdings auch nicht in einheitlichen Farben gab. So waren, wie man auf Fotos sehen kann, die Schützentrommler bei ihrem ersten Auftritt 1968 recht bunt gekleidet.
Für dieses 50. Jubiläumsjahr wurden extra neue Uniformen in der Schneiderei der RFK gefertigt. Teilweise haben Eltern dafür gespendet, auch Einnahmen der Rutenfestbändchen werden dafür verwendet, den Hauptteil trägt die RFK. Die Form bleibt erhalten, nur wird kein empfindlicher Filz mehr verwendet, sondern beständiges und pflegeleichtes Material. „Für die Unterstützung sind wir der RFK unendlich dankbar“, so die Brüder Enderle. Die Sandalen werden von den Schülern eigens bezahlt. Diese und die Hüte dürfen die Schütros nach der aktiven Zeit behalten. Die Hüte aus grünem Filz sind von Hutmode Edelmann. So ein Trommlerhut wird mit Schießplaketten bestückt und über Jahre hinweg gehegt und gepflegt.
Neun Schützenkönige
Übrigens gingen in den 50 Jahren neun Schützenkönige beim Bogenschießen aus den Schützentrommlern hervor. „Einen Schützenoberst aus den eigenen Reihen zu stellen, ist natürlich etwas ganz Besonderes, daher wird vor dem Rutenfest das Bogenschießen auch verstärkt trainiert“, berichtet Frank Enderle.
Nach der aktiven Zeit treten Schütros immer wieder auch den örtlichen Fanfarenzügen bei, auch die Ursprünge der Dudelsackgruppe Mehlsäcke sind einst aus den Schütros hervorgegangen. Oder Ehemalige werden Mitglied im Förderverein, der die Schützentrommler logistisch und ideell unterstützt. Dieser ist das ganze Jahr aktiv, zum Beispiel wenn einer heiratet oder einen runden Geburtstag hat, wird zu dessen Ehre getrommelt. „Es ist einfach genial, auf diese Weise zusammenzukommen“, so Frank Enderle.
Was sich in den Jahren geändert habe, beantwortet Ralf Enderle: „Die Eltern sind heute viel stärker involviert. Sie fahren zum Beispiel am Rutenfest zu den Antrommeladressen und wollen stärker informiert werden. Ein Mitglied des Ausbilderteams ist daher auch zuständig für die Elternkommunikation.“Auch mit den Jugendlichen sei es spannend. Die 14- bis 15-Jährigen dafür zu begeistern, an einer Sache zu bleiben und Traditionen zu leben, sei das Bemühen aller Ausbilder. Das, und natürlich die Art des Rutenfestes, mache die Arbeit so großartig.
Was sich nicht geändert hat: Auch nach 30 Jahren macht es den beiden Brüdern großen Spaß. Nach wie vor begleiten sie „ihre“Schütros mit viel Idealismus. Sie sind stolz darauf, wenn sie am Rutenfest sehen, was erreicht wurde. Trotz viel Zeit, die sie investieren, „ist man am Ende des Tages glücklich. Das ist toll“, so beide einhellig.
Mit zum Ausbilderteam gehören auch Jürgen Landgraf, Fabian Schattner und Manuel Harrer, Lehrer Benedikt Braun schlägt als Betreuungslehrer die Brücke zur Schule selbst.