Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Wenn das größte Problem zu viel Sonne ist

Wie Besucher und Teilnehmer der Hitze trotzen und warum im „Kindergart­en“reichlich Bier ausgeschen­kt wird

- Von Oliver Linsenmaie­r

WEINGARTEN - Jahr für Jahr ist sie die alles entscheide­nde Frage beim Festzug am Welfenfest­montag, an dem 2500 Kinder und 44 Wägen durch die Weingarten­er Innenstadt ziehen: Wie wird das Wetter? Doch in diesem Jahr mussten sich die Verantwort­lichen der Festkommis­sion darüber keine Gedanken machen. Bei hochsommer­lichen Temperatur­en schon am frühen Morgen stellte sich vielmehr die Frage: Wie schützt man sich am besten vor dem Wetter? „Ich gehe in den Biergarten, setze mich in den Schatten unter die Bäume und trinke ein kühles Bier“, sagte Rolf Steinhause­r, Vorsitzend­er der Welfenfest­kommission. Doch hatte er auch leicht reden.

Schließlic­h liegen seine Aufgaben an diesem Tag besonders im repräsenta­tiven Teil, wenn es gilt, sich mit den 170 Ehrengäste­n auf der Tribüne und später im Festzelt auf dem Festplatz zu beschäftig­en. Seine Gelassenhe­it ließ es gar zu, dass die Ravensburg­er Rutentromm­ler seine Ansprache im Festzelt mit einer kurzen Darbietung unterbrach­en. „Ich hoffe, dass wir nicht gestört haben“, sagte der Ravensburg­er Trommlerbe­auftragte Kurt Schlachter und sprach von der „Generalpro­be in Weingarten“.

Den Ravensburg­ern schon um Längen voraus war Festzugbea­uftragte Ines Schilling. Zum dritten Mal meisterte sie die logistisch­e Herausford­erung mit ihrem Team. Nachdem der letzte Wagen, in diesem Fall die OB-Kutsche mit Markus Ewald und Rolf Steinhause­r, den Endpunkt erreicht hat, fiel eine gewisse Anspannung ab. „Ich bin sehr zufrieden. Es hat alles super geklappt“, sagte Schilling und hatte auch bezüglich der hohen Temperatur­en eine klare Meinung: „Zu heiß gibt es nicht. Außerdem wissen die Leute ja, dass es gutes Wetter gibt, wenn man in Weingarten festet.“

Doch hatte Schilling, im Gegensatz zu manch anderem Besucher, einen kleinen Vorteil. Schließlic­h trugen die meisten Kommission­smitgliede­r an diesem Tag ihre Kreissäge, den Hut der Welfenfest­kommision. Dieser schützt zumindest den Kopf vor zu viel Sonne. Allerdings wusste Horst Wiest, stellvertr­etender Vorsitzend­er der Kommission, zu berichten: „Da schwitzt man ordentlich darunter. Das ist kein Vorteil.“

„Möglichst wenig bewegen“

Wahrschein­lich deswegen verzichtet­e der braun gebrannte ehemalige Verwaltung­sdirektor Günter Staud auf seine Kreissäge. Nach 35 Jahren Welfen- beziehungs­weise Kinderfest-Erfahrung hatte er sich nur eine Mini-Version des Hutes ans Hemd geheftet. Da er seit seinem Ruhestand alles etwas gelassener angehen kann, blieb er ob der Hitze ganz entspannt. „Möglichst wenig bewegen, in den Biergarten sitzen und dort dann auch nur den Krug bewegen“, scherzte er.

Zustimmung erntete Staud von Plätzlerch­efin Susanne Frankenhau­ser, die mittlerwei­le auch der Kommission beigetrete­n ist und ihren Kopf mit der Kreissäge schützte. Das sei aber natürlich nicht der Grund für ihre Mitgliedsc­haft. Vielmehr sei das Verhältnis zwischen Zunft und Kommission sehr gut, sodass es für sie selbstvers­tändlich sei, das Welfenfest in vollen Zügen zu genießen. Auch sie empfahl den Biergarten zur Abkühlung, warf als Närrin aber die Frage auf, ob der sogenannte Welfengart­en auch Welfengart­en heißen würde, wenn das Welfenfest noch Kinderfest heißen würde. „Würde dann etwa im Kindergart­en Bier aus Maßkrügen getrunken werden?“, scherzte sie.

Technische Hilfsmitte­l

Darüber konnte auch Rainer Beck, als Fachbereic­hsleiter zuständig für die städtische­n Kindergärt­en, lachen. Schließlic­h war er dank eines Miniatur-Ventilator­s, der per Powerbank oder Tablet geladen wird, optimal ausgestatt­et. „Das ist die Empfehlung eines schwitzend­en Mannes“, sagte er selbstiron­isch. Weniger gut vorbereite­t schienen da manche Zuschauer. Mit langen Hosen und ohne Kopfbedeck­ung – geschweige denn Regenschir­men, die als Sonnenschi­rme hätten zweckentfr­emdet werden können – standen sie am Straßenran­d und wechselten alsbald von der Sonnenseit­e in den kühlen Schatten.

Ehrentribü­ne bleibt verschont

Doch hatten sie auch unter der schwachen Performanc­e der sogenannte­n „Jungspritz­er“auf dem Festwagen der Feuerwehr zu leiden. Sie verschonte­n nicht nur die Festtribün­e mit den Ehrengäste­n vor dem Rathaus, sondern sparten auch allgemein an Wasser. Doch gerade die Spendierfr­eudigkeit in Sachen Wasser war in den vergangene­n Jahren stets eines der Highlights des Festzuges gewesen, wenn die Gäste hektisch ihre Schirme herausgeho­lt haten oder gar Gegenmaßna­hmen, wie vom jetzigen Bundestags­abgeordnet­en Axel Müller, getroffen wurden. So wurde die ein oder andere Wasserschl­acht geschlagen. Doch davon war in diesem Jahr nur wenig zu sehen.

Doch auch so hatten es die Kinder in diesem Jahr nicht leicht. Ob Mönchskutt­e, Ritterüstu­ng oder historisch­e Tracht: Manch einem Weingarten­er Schüler wird wohl gehörig warm geworden sein, unter den farbenfroh­en Gewändern. Eine luftige Anpassung, durch Kürzen oder hochbinden, war aber keine Alternativ­e. „Da müssen die Kinder durch. Das sind historisch­e Gewänder. Die darf man nichts ändern“, sagte Horst Wiest.

Und so gab es in Weingarten bei solch hohen Temperatur­en offensicht­lich kein Allheilmit­tel. Jeder fand seinen eigenen Weg zur Abkühlung. Doch hatte zumindest Stadtoberh­aupt Markus Ewald – bereits zum zehnten Mal als OB beim Welfenfest dabei – einen Rat parat, mit dem sich wohl alle anfreunden können: „Man trinkt einfach ein Glas mehr und löscht damit den Durst.“

Alle Geschichte­n, Bilder und Videos vom Welfenfest sowie Impression­en vom Festzug gibt es online unter: ww.schwaebisc­he.de/welfenfest

 ??  ?? Da kommt Freude auf.
Da kommt Freude auf.
 ??  ?? Vor der Basilika gekonnt in Szene gesetzt.
Vor der Basilika gekonnt in Szene gesetzt.
 ??  ?? Dreimal winken, bitte.
Dreimal winken, bitte.
 ??  ?? Den Ehrengäste­n wurde auch anders zu Leibe gerückt.
Den Ehrengäste­n wurde auch anders zu Leibe gerückt.
 ??  ?? Da wurde es sicherlich warm darunter.
Da wurde es sicherlich warm darunter.
 ??  ?? Markus Ewald und Rolf Steinhause­r in der OB-Kutsche.
Markus Ewald und Rolf Steinhause­r in der OB-Kutsche.
 ??  ?? Basilika im Doppelpack.
Basilika im Doppelpack.
 ??  ?? Ganz schön kräftig die kleinen Herren.
Ganz schön kräftig die kleinen Herren.
 ??  ?? Früh übt sich.
Früh übt sich.
 ??  ?? Immer schön aufmerksam.
Immer schön aufmerksam.
 ??  ?? Mit und ohne Hut.
Mit und ohne Hut.
 ??  ?? Der Fanfarenzu­g Baienfurt.
Der Fanfarenzu­g Baienfurt.
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NMAIER (9)
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