Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Wenn das größte Problem zu viel Sonne ist
Wie Besucher und Teilnehmer der Hitze trotzen und warum im „Kindergarten“reichlich Bier ausgeschenkt wird
WEINGARTEN - Jahr für Jahr ist sie die alles entscheidende Frage beim Festzug am Welfenfestmontag, an dem 2500 Kinder und 44 Wägen durch die Weingartener Innenstadt ziehen: Wie wird das Wetter? Doch in diesem Jahr mussten sich die Verantwortlichen der Festkommission darüber keine Gedanken machen. Bei hochsommerlichen Temperaturen schon am frühen Morgen stellte sich vielmehr die Frage: Wie schützt man sich am besten vor dem Wetter? „Ich gehe in den Biergarten, setze mich in den Schatten unter die Bäume und trinke ein kühles Bier“, sagte Rolf Steinhauser, Vorsitzender der Welfenfestkommission. Doch hatte er auch leicht reden.
Schließlich liegen seine Aufgaben an diesem Tag besonders im repräsentativen Teil, wenn es gilt, sich mit den 170 Ehrengästen auf der Tribüne und später im Festzelt auf dem Festplatz zu beschäftigen. Seine Gelassenheit ließ es gar zu, dass die Ravensburger Rutentrommler seine Ansprache im Festzelt mit einer kurzen Darbietung unterbrachen. „Ich hoffe, dass wir nicht gestört haben“, sagte der Ravensburger Trommlerbeauftragte Kurt Schlachter und sprach von der „Generalprobe in Weingarten“.
Den Ravensburgern schon um Längen voraus war Festzugbeauftragte Ines Schilling. Zum dritten Mal meisterte sie die logistische Herausforderung mit ihrem Team. Nachdem der letzte Wagen, in diesem Fall die OB-Kutsche mit Markus Ewald und Rolf Steinhauser, den Endpunkt erreicht hat, fiel eine gewisse Anspannung ab. „Ich bin sehr zufrieden. Es hat alles super geklappt“, sagte Schilling und hatte auch bezüglich der hohen Temperaturen eine klare Meinung: „Zu heiß gibt es nicht. Außerdem wissen die Leute ja, dass es gutes Wetter gibt, wenn man in Weingarten festet.“
Doch hatte Schilling, im Gegensatz zu manch anderem Besucher, einen kleinen Vorteil. Schließlich trugen die meisten Kommissionsmitglieder an diesem Tag ihre Kreissäge, den Hut der Welfenfestkommision. Dieser schützt zumindest den Kopf vor zu viel Sonne. Allerdings wusste Horst Wiest, stellvertretender Vorsitzender der Kommission, zu berichten: „Da schwitzt man ordentlich darunter. Das ist kein Vorteil.“
„Möglichst wenig bewegen“
Wahrscheinlich deswegen verzichtete der braun gebrannte ehemalige Verwaltungsdirektor Günter Staud auf seine Kreissäge. Nach 35 Jahren Welfen- beziehungsweise Kinderfest-Erfahrung hatte er sich nur eine Mini-Version des Hutes ans Hemd geheftet. Da er seit seinem Ruhestand alles etwas gelassener angehen kann, blieb er ob der Hitze ganz entspannt. „Möglichst wenig bewegen, in den Biergarten sitzen und dort dann auch nur den Krug bewegen“, scherzte er.
Zustimmung erntete Staud von Plätzlerchefin Susanne Frankenhauser, die mittlerweile auch der Kommission beigetreten ist und ihren Kopf mit der Kreissäge schützte. Das sei aber natürlich nicht der Grund für ihre Mitgliedschaft. Vielmehr sei das Verhältnis zwischen Zunft und Kommission sehr gut, sodass es für sie selbstverständlich sei, das Welfenfest in vollen Zügen zu genießen. Auch sie empfahl den Biergarten zur Abkühlung, warf als Närrin aber die Frage auf, ob der sogenannte Welfengarten auch Welfengarten heißen würde, wenn das Welfenfest noch Kinderfest heißen würde. „Würde dann etwa im Kindergarten Bier aus Maßkrügen getrunken werden?“, scherzte sie.
Technische Hilfsmittel
Darüber konnte auch Rainer Beck, als Fachbereichsleiter zuständig für die städtischen Kindergärten, lachen. Schließlich war er dank eines Miniatur-Ventilators, der per Powerbank oder Tablet geladen wird, optimal ausgestattet. „Das ist die Empfehlung eines schwitzenden Mannes“, sagte er selbstironisch. Weniger gut vorbereitet schienen da manche Zuschauer. Mit langen Hosen und ohne Kopfbedeckung – geschweige denn Regenschirmen, die als Sonnenschirme hätten zweckentfremdet werden können – standen sie am Straßenrand und wechselten alsbald von der Sonnenseite in den kühlen Schatten.
Ehrentribüne bleibt verschont
Doch hatten sie auch unter der schwachen Performance der sogenannten „Jungspritzer“auf dem Festwagen der Feuerwehr zu leiden. Sie verschonten nicht nur die Festtribüne mit den Ehrengästen vor dem Rathaus, sondern sparten auch allgemein an Wasser. Doch gerade die Spendierfreudigkeit in Sachen Wasser war in den vergangenen Jahren stets eines der Highlights des Festzuges gewesen, wenn die Gäste hektisch ihre Schirme herausgeholt haten oder gar Gegenmaßnahmen, wie vom jetzigen Bundestagsabgeordneten Axel Müller, getroffen wurden. So wurde die ein oder andere Wasserschlacht geschlagen. Doch davon war in diesem Jahr nur wenig zu sehen.
Doch auch so hatten es die Kinder in diesem Jahr nicht leicht. Ob Mönchskutte, Ritterüstung oder historische Tracht: Manch einem Weingartener Schüler wird wohl gehörig warm geworden sein, unter den farbenfrohen Gewändern. Eine luftige Anpassung, durch Kürzen oder hochbinden, war aber keine Alternative. „Da müssen die Kinder durch. Das sind historische Gewänder. Die darf man nichts ändern“, sagte Horst Wiest.
Und so gab es in Weingarten bei solch hohen Temperaturen offensichtlich kein Allheilmittel. Jeder fand seinen eigenen Weg zur Abkühlung. Doch hatte zumindest Stadtoberhaupt Markus Ewald – bereits zum zehnten Mal als OB beim Welfenfest dabei – einen Rat parat, mit dem sich wohl alle anfreunden können: „Man trinkt einfach ein Glas mehr und löscht damit den Durst.“
Alle Geschichten, Bilder und Videos vom Welfenfest sowie Impressionen vom Festzug gibt es online unter: ww.schwaebische.de/welfenfest