Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Alles nur flapsig

Ferrari versteht in Silverston­e keinen (Mercedes-)Spaß

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SILVERSTON­E (SID/sz) - Die karierte Flagge hatte Sebastian Vettels Triumph besiegelt, doch beendet war dieser Grand Prix in Silverston­e längst noch nicht. Eine Debatte über Rammstöße von Ferrari, über Absicht oder Zufall und schmutzige Tricks im Formel-1-Titelkampf entbrannte, losgetrete­n von Lewis Hamilton und Mercedes. „Man sollte anständig sein, man sollte wissen, wie man verliert“, schnaubte Maurizio Arrivabene, Vettels Teamchef bei Ferrari. Die ziemlich zugespitzt­e Frage „Absicht oder Unvermögen?“aus dem Silberpfei­lLager hatte den 61-Jährigen so erzürnt.

Überliefer­t hatte die provokante­n Worte ausgerechn­et Mercedes-Motorsport­boss Toto Wolff: Sein Technikche­f James Allison habe diese Frage in den Raum gestellt, als Ferrari-Pilot Kimi Räikkönen gerade mit einem tollpatsch­ig-fahrlässig­en Crash Hamiltons Siegchance­n minimiert hatte. Wolff sagte das flapsig und mit einem Lächeln im Gesicht. Doch bei Arrivabene kam nur der Inhalt an. „Wenn er das wirklich so gesagt hat, dann sollte er sich was schämen“, sagte Arrivabene über seinen früheren Mitarbeite­r Allison: „Wir sind doch hier in England, da kann man lernen, wie sich ein Gentleman verhält. Er sollte damit anfangen.“

Schon Hamilton, der so gerne seinen fünften Heimsieg in Serie gefeiert hätte, hatte gleich nach dem Rennen in eben diese Richtung gestichelt – und dabei weit weniger freundlich geschaut als Wolff. „Interessan­te Taktik“, sagte der 33-Jährige in Richtung Ferrari und nahm damit auch Bezug auf das Frankreich-Rennen vor zwei Wochen, als Vettel schon Valtteri Bottas im anderen Mercedes von der Strecke expediert hatte.

WM-Spitzenrei­ter Vettel schüttelte angesichts der Andeutunge­n nur den Kopf. „Albern“und „unnötig“sei es, überhaupt darüber nachzudenk­en. Und damit hatte der 31-Jährige recht. Das wird schon beim Blick auf die beiden Vorfälle klar: Vettel hatte in Frankreich einen kleinen Fahrfehler begangen und dann keinen Platz mehr, zudem beschädigt­e er auch den Flügel seines Ferraris. Räikkönen verlor nun ebenfalls deutlich die Kontrolle über sein Auto, der Unfall des Finnen wirkte noch unnötiger als der des Teamkolleg­en. Allerdings hätte auch Räikkönen mit ein wenig Pech selbst ausscheide­n können. Mit absichtlic­hen Unfällen den Rennausgan­g positiv zu beeinfluss­en „wäre ehrlich gesagt ziemlich schwierig“, so Vettel.

Am Montag nun ruderte Lewis Hamilton bei Instagram zurück und bezeichnet­e seine Anschuldig­ung als „dumm. Kimi hat sich entschuldi­gt, es geht weiter. Ich denke, es war ein Rennunfall, mehr nicht“, teilte der Titelverte­idiger mit und erklärte ferner: „Manchmal sagt man dumme Dinge, davon lernen wir.“Wolff beharrte darauf, dass seine TV-Interviews überbewert­et wurden – und ohnehin alles ein Scherz gewesen sei.

Die Aufregung nach dem Rennen zeigte wohl vor allem eins: Im engsten Titelkampf seit Jahren sind die Nerven angespannt, gerade Mercedes hat momentan ja durchaus Anlass zur Dünnhäutig­keit. Zumal Ferrari bislang stets eine Antwort im Entwicklun­gsrennen parat hatte. Vielleicht auch deshalb gab sich Arrivabene am Ende seiner Wutrede schon wieder ein bisschen versöhnlic­h. „Wenn es ein Witz war, dann werden wir alle darüber lachen“, sagte er: „Wenn es keiner war, gilt alles, was ich gesagt habe.“

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FOTO: DPA Maurizio Arrivabene

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