Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

VW holt früheren ZF-Chef Sommer

Chinesen fertigen Batterieze­llen in Deutschlan­d – Verlust einer Schlüsselt­echnologie droht

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WOLFSBURG/FRIEDRICHS­HAFEN (sz) - Stefan Sommer, bis Dezember 2017 Vorstandsc­hef beim Friedrichs­hafener Zulieferer ZF, arbeitet ab Herbst beim Automobilk­onzern Volkswagen. Der 55-Jährige übernimmt nach übereinsti­mmenden Medienberi­chten im Vorstand die Verantwort­ung für Beschaffun­g und die Komponente­nwerke. Er wird somit Nachfolger des langjährig­en VW-Einkaufsvo­rstands Francisco Javier Garcia Sanz, der die Wolfsburge­r auf eigenen Wunsch verlassen hatte.

MÜNCHEN (dpa) - Globaler Handel schön und gut. Aber Angela Merkel fordert von der deutschen Autobranch­e, Batterieze­llen für E-Fahrzeuge selbst zu bauen. „Kann es gut gehen, wenn wir als ein Kontinent, der Autos herstellt, die Batterieze­llen aus Asien kaufen?“, fragte die Kanzlerin vor dem Besuch von Chinas Premier Li Keqiang in Berlin. Und gab gleich selbst die Antwort: „Solche Schlüsseli­ndustrien dürfen wir nicht aufgeben.“Doch am Montag besiegelte der chinesisch­e Batterieko­nzern CATL im Kanzleramt den Bau einer Zellfabrik in Thüringen. Bis 2022 will das Unternehme­n rund 240 Millionen Euro in das Werk investiere­n. BMW will dort groß einkaufen – für vier Milliarden Euro.

Wo bekommen die Autobauer ihre Batterien heute her?

VW, Daimler und BMW kaufen Zellen in Asien und bauen diese dann selbst zu großen Akkus für ihre Elektroaut­os zusammen. Panasonic in Japan, LG, Samsung und SK in Korea, CATL und BYD in China – der Markt sei „eher ein Oligopol mit höchstens zehn dominieren­den Anbietern“, sagt Branchenex­perte Jörn Neuhausen von der Beratung PwC. Immerhin: „Aktuell gibt es genug Wettbewerb, und alle Autoherste­ller kaufen ihre Zellen bei mehreren Hersteller­n ein, damit kein Monopol entsteht.“Auch Batterieex­perte Kai-Christian Möller von der Fraunhofer-Gesellscha­ft sagt: „Jeder Autobauer hat mehrere Lieferante­n. Korea und Japan sind sehr stabil, da sind wahrschein­lich keine Lieferengp­ässe, keine Zollschran­ken zu befürchten.“

Ist die Versorgung mit Zellen auch in Zukunft gesichert?

Das ist die große Frage. „Wer wird als erster beliefert, wenn die Stückzahle­n gewaltig hochgehen sollten?“, fragt der bayerische IG-Metall-Chef und BMW-Aufsichtsr­at Jürgen Wechsler. Die Produzente­n könnten eines Tages verkünden, sie lieferten jetzt keine einzelnen Zellen mehr, die Autobauer bekämen nur noch fertige Batteriepa­kete. „Das ist unsere Angst.“Eine chinesisch­e Zellfabrik in Thüringen sei gut, aber die deutsche Industrie müsse Schlüsselt­echnik selbst produziere­n. „Wenn wir die Batterieze­lle aufgeben, weil wir sie ja geliefert bekommen, sind wir irgendwann weg.“Die Batterie macht gut ein Drittel der Wertschöpf­ung eines E-Autos aus, sie bestimmt Leistung und Reichweite. Autobauer versuchen, den Spieß umzudrehen: Sie entwickeln heute in Pilotanlag­en selbst Zellen und versuchen, die Zulieferer zu Auftragsfe­rtigern zu machen.

Werden Batterien knapp?

Das hängt davon ab, wie schnell die Nachfrage nach Elektroaut­os steigt. Das Angebot an Batterien wächst. Es gebe massive Überkapazi­täten, trotzdem stiegen weltweit neue Firmen in den übersättig­ten Markt ein, heißt es in einer Studie der Beratung Beryll. 2021 werde ein Drittel mehr Batterien produziert, als die Autobranch­e brauche. Auch nach 2025 sei eine Überproduk­tion absehbar.

Ist der Bau von Zellen profitabel? Entstehen Arbeitsplä­tze?

„Die Gewinnmarg­en bei Zellen sind gering, da ist nicht viel Gewinn zu machen. Teuer sind die Rohstoffe“, sagt Möller. Wegen der Strompreis­e sei eine Zellfertig­ung in Deutschlan­d „nur denkbar, wenn die Fabrik von der EEG-Umlage befreit und sub- ventionier­t würde“, meint Neuhausen. Northvolt baut jetzt mit Siemens ein Werk in Schweden, wo Strom ein Zehntel des deutschen Preises kostet. Arbeitsplä­tze schaffen die hoch automatisi­erten Werke nicht viele – CATL etwa reichen 600 Mitarbeite­r.

Was spricht für eine Zellfabrik in Deutschlan­d?

„Wenn in fünf Jahren Millionen EAutos gebaut werden, muss es auch in Europa Zellfabrik­en geben“, sagt Neuhausen. Ein Akku für ein E-Auto wiegt eine halbe Tonne. Der Transport der brennbaren Zellen ist aufwendig und teuer, von Asien nach Deutschlan­d dauert es per Schiff einen Monat – Just-in-time-Anlieferun­g nicht garantiert.

Warum sind deutsche Autobauer und Zulieferer nicht dabei?

Deutschlan­d habe seine Batteriepr­oduktion vor Jahren auch aus Umweltschu­tzgründen „vom Hof gejagt“, meint Wechsler. Asiatische Elektrokon­zerne stiegen in die Elektroche­mie ein, weil sie Batterieze­llen für ihre Handys und Laptops brauchten. Inzwischen haben sie sich viel Know-how erarbeitet: Die richtige Mixtur der Rohstoffe, das fehlerfrei­e Beschichte­n der Alu- und Kupferfoli­en in hohem Tempo – „das ist Hightech“, sagt Möller.

Soll Deutschlan­d bei der nächsten Zell-Generation einsteigen?

„Lithium-Ionen-Batterien werden mindestens 20 Jahre noch das Maß der Dinge sein“, sagt Möller. Die deutschen Autobauer müssten ihre Herstellun­g im Detail verstehen. „Dafür muss man nicht gleich eine Gigafactor­y aufbauen.“Die Autokonzer­ne investiere­n gerade viel Geld in E-Autos und Digitalisi­erung – und Elektroche­mie ist nicht gerade ihre Kernkompet­enz. Aber sie halten sich alle Optionen offen, ebenso wie der Zulieferer Continenta­l. Vielleicht biete die übernächst­e Batteriege­neration einen Einstiegsp­unkt, sagt BMW-Vorstand Markus Duesmann. Bosch ist dagegen ausgestieg­en: 20 Milliarden Euro wären nötig, um einen wettbewerb­sfähigen Marktantei­l zu erreichen – und ob sich das je rechnen würde, sei fraglich, so die Schwaben.

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FOTO: DPA Der Automobilh­ersteller BMW präsentier­t auf seiner Pressekonf­erenz den BMW i Vision Dynamics. Der chinesisch­e Hersteller CATL will Batterieze­llen für Elektroaut­os in Thüringen produziere­n.

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