Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Ausflug in die Welt der Zauberei
Riesenapplaus bei der Premiere des Ravensburger Rutentheaters
RAVENSBURG - Begeisterungsrufe und anhaltenden Riesenapplaus gab es bei der Premiere für die Akteure des Rutentheaters „Zauber um Zinnober“– Bewunderung für die Leistung der vielen Kinder und Jugendlichen von Theater, Orchester und Ballett. Beifall aber auch für die vielen guten Geister hinter der Bühne, ohne sie alle wäre dieser Hochgenuss nicht möglich.
„Hervorragend und detailliert mit dem nötigen Ernst umgesetzt, eine Höchstleistung der Schauspieler, ein weiteres Glanzstück von Regisseur Bodo Klose“, lobte Martina Zeller am Ende. Sie hat die Gesamtleitung des Rutentheaters und sprach gewiss im Sinne aller Premierengäste. Streckenweise war man so gefangen vom Geschehen auf der Bühne, dass man ganz vergaß, dass dieses Ensemble aus Schülern besteht. Alle spielten ihre Rollen so überzeugend und hochkonzentriert, sprachen scheinbar mühelos ihre Texte, die Mimik und Gestik stets das Gesagte unterstreichend. Perfekte Kostüme und Maske entführen in die Zeit der Aufklärung.
An den Anfang. Der Vorhang öffnet sich zum Festakt. Ruatelige Stimmung vermitteln die bezaubernden Rutenkinder mit ihrem Magister und der Festmarsch der Rutentrommler. Am Rednerpult Dieter Graf, der Vorsitzende der Rutenfestkommission. Er begrüßt die Premierengäste, weist auf die lange Tradition des Rutentheaters hin, die immerhin bis 1697 zurückgreift. „Dieses Brauchtum zu erhalten macht uns alle sehr glücklich. 90 Schauspieler, 80 Orchestermitglieder und 30 im Ballett, dazu unzählige Mitarbeiter im Hintergrund erfreuen uns im Theaterspiel.“Graf dankt auch allen Eltern für die Unterstützung.
Aus dem Orchestergraben erobert die Bohemian Rhapsody den Saal. Zwischen überproportionalen Büchern treten Schauspieler hervor, klein wirken sie angesichts der Dimensionen. Erste Lacher, als Großfürstin Katharina die Grobe ihr Gesicht nachgepudert bekommt. Ihre Majestät verlangt nach etwas Neuem. Man könnte in Oberschwaben die Aufklärung einführen, überlegt Premierminister Dr. Josef Krötel. In einer aufgeklärten ANZEIGE Welt allerdings ist kein Platz für Zauberwesen. Das Ministerium für Wahrheit und Klarheit, schlicht und zugleich wirkungsvoll belegt durch eine Tafel, plädiert für die Vernunft und gegen den Aberglauben.
Doch die Welt der Zauberer und Feen, man ahnt es, existiert dennoch. Fee Rosabelverde lässt einen Hut samt Perücke in die Luft fliegen, diesen Zauber muss sie noch loswerden.
Eine Romanze darf nicht fehlen
Kleine Zwiebelchen tanzen. Sie bekommen einen Extraapplaus, zu goldig sind sie aber auch. Sie sind eingebunden in die nächste Szene, als der flegelhafte Klein Zaches seiner Mutter, der Zwiebelbäuerin Liese Zachhuber, auf der Nase herumtanzt. Die überforderte Mutter weint, da erscheint die Fee Rosabelverde. „Wir schaffen das“, erklärt sie selbstbewusst mit „Merkel-Händen“, ein witziger Gag. In guter Absicht verzaubert sie den Tunichtgut. Fortan werden alle in ihm Großartiges sehen. Da sein Haar durch den Zauber zinnoberrot wird, heißt er Zinnober.
Jeder Zauber, und davon folgen noch so einige bis zum Ende, geschieht in einer Nebelwand. Die in die Handlung eingebundene Liebesgeschichte sorgt für zusätzliche Spannung. So ist in der Universitätsstadt Kemmerlang mächtig was los. Der Student Balthasar Tieck ist hin und weg von der Professorentochter Candida Terpin. In einem Liebesgedicht drückt er sein inniges Gefühl aus, doch Zinnober wird gelobt für den göttlichen Genuss. „Verse wie Liebkosung, dafür wird der Waldschrat bewundert“, ärgert sich Balthasar. Zinnober blendet die Angebetete, sodass sie ihre Gefühle nun ihm schenkt. Nur gut, dass es da noch einen hilfreichen Prosper Alpanus gibt, umgeben von Feen, Einhörnern, Libellen und Käfern, die man allesamt sogleich ins Herz schließt.
Der Wechsel zwischen der nüchternen, grauen Welt der Aufklärung und der Welt der Zauberei wird mit dem multifunktionalen Bühnenbild, Farbeffekten und Kostümen eindrucksvoll dargestellt. Natürlich täuscht Zinnober nicht nur Candida, er hinterlässt eine Spur der Blendung, nur wenige erkennen sein wahres, verlogenes Ich. Ein Stück, das allzu gut in die heutige Zeit passt. Mehr wird nicht verraten, schon gar nicht wie sich das Ende gestaltet. Zum Schluss dürfen alle auf die Bühne, Schauspieler, Musiker und Ballett. Und das Team an Erwachsenen.
Die Tänze der Zwiebelchen, getanzte Liebe in Gedanken, magische Wesen und Buchstaben wie Zinnsoldaten – entzückend und teilweise akrobatisch, lyrisch und kraftvoll, steuert die Ballettwerkstatt Bettina Owczarek bei. Unter Musikdirektor Harald Hepner sorgt das Jugendblasorchester der Musikschule Ravensburg mit einer herrlichen Musik und wunderbaren Melodien für Fröhlichkeit und Spannung.
Die Geschichte ist Autor Ekkehard Zeim zu verdanken. Er hat „Zauber um Zinnober“, ein Märchen von E.T.A. Hoffmann, mit viel Satire und Charme zu einem perfekten Drehbuch umgeschrieben. Regisseur Bodo Klose hat das Ganze mit Liebe zum Detail umgesetzt.
Stellvertretend für das gesamte Team die beiden Regieassistentinnen Barbara Lämmle und Susanne Bendel: „Wir sind wie eine Familie, eine eingeschworene Gemeinschaft. Das Rutentheater zieht einen so in Bann, dass man es nächstes Jahr wieder macht. Jetzt genießen und ernten wir die Früchte.“
Eine Bildergalerie Sie online unter
finden