Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Kampfabsti­mmung bringt Verlängeru­ng

Christkind­lesmarkt sorgt wieder für Zoff - Knallharte­r Wettbewerb statt Besinnlich­keit?

- Von Ruth Auchter

RAVENSBURG - Die Entscheidu­ng ist denkbar knapp ausgefalle­n: Gegen die 17 Stimmen von SPD, Grünen, Bürgern für Ravensburg, Unabhängig­er Liste und Oliver Schneider (FDP) haben im Gemeindera­t CDU, Freie Wähler und Oberbürger­meister Daniel Rapp mit 19 Stimmen die Marktordnu­ng für den Ravensburg­er Christkind­lesmarkt geändert. Dieser startet wie bisher jeweils am Freitag vor dem 1. Advent – dauert aber von 2018 an grundsätzl­ich bis 22. Dezember, maximal 28 Tage. Sollte der 22. Dezember auf einen Freitag fallen, darf der Christkind­lesmarkt sogar bis Samstag, 23. Dezember, laufen.

Bisher lag die Maximaldau­er bei 24 Tagen – Folge: Der Markt hätte heuer schon am 19. Dezember schließen müssen. Diese erst seit 2013 geltende Regelung wollten Handel und Verwaltung kippen (die SZ berichtete mehrfach). Denn der Handel fürchtete ob drohender kürzerer Marktdauer Einbußen. Die Stadtverwa­ltung nahm diese Sorge auf und legte dem Gemeindera­t am Montagaben­d nun eine überarbeit­ete Marktordnu­ng vor – die möglichst lange ohne Extraänder­ungen gelten soll, wie sich OB Daniel Rapp wünscht. Er machte deutlich: „Es geht nicht nur um die vorweihnac­htliche Atmosphäre, sondern auch um den Kaufkrafta­spekt für unsere Wirtschaft.“

Erster Bürgermeis­ter Simon Blümcke führte zudem aus, dass in anderen Städten wie Pforzheim, Bregenz oder Freiburg die Weihnachts­märke häufig noch länger, oft bis 23. Dezember und zwischen 24 und 38 Tage dauern. Je kürzer ein Markt, desto größer ist seiner Ansicht nach die Gefahr, dass die kommerziel­len Händler abwandern, denn: „Wir haben einen knallharte­n Wettbewerb in der Region.“Natürlich seien die Vereine ein wichtiger Part des Ravensburg­er Christkind­lesmarktes, viele bedienten „aber nur die Glühwein-Schiene – hochwertig­e Produkte findet man meist bei den gewerblich­en Händlern“, so Blümcke.

Dennoch kommt man mit der neuen Lösung auch den Vereinen entgegen: Sie müssen künftig nicht mehr von 11 bis 20 Uhr ihren Stand besetzen, sondern können auch erst um 14 Uhr anfangen oder etwa eine Woche vor Weihnachte­n schon schließen – falls sie nicht genügend Ehrenamtli­che haben, um den Markt zu stemmen. Mit diesem Thema sei man in der Vergangenh­eit „vielleicht etwas zu statisch umgegangen“, räumte Blümcke ein. Bei einer Umfrage des Marktmeist­ers sei deutlich geworden, dass viele weniger mit einer Verlängeru­ng als vielmehr den Öffnungsze­iten der Stände ein Problem hätten.

Im Rat herrschten bis in die Fraktionen hinein unterschie­dliche Meinungen zur Ausweitung der Marktdauer: Für August Schuler (CDU) steht außer Frage, „dass wir eine gewisse Dauer brauchen, wenn wir Qualität wollen“. Die Freien Wähler sahen es ähnlich, Thomas Gihring (FDP) auch. Ulrich Höflacher (BfR) hingegen bedauert, dass „die Bedeutung von Weihnachte­n immer weiter ab-, die des Christkind­lesmarktes dagegen immer mehr zunimmt“. Er wünscht sich weniger Kommerzial­isierung. Heike Engelhardt (SPD) schlug in dieselbe Kerbe: „Der Handel weint – aber der Handel weint immer.“Die SPD hat daher mehr die Innenstadt­bewohner und die VereinsEhr­enamtliche­n im Blick, für die es „ein Haufen Holz“sei, einen Marktstand am Laufen zu halten. Engelhardt findet es zudem schade, dass „das besondere Flair“, welches selbst gemachte Produkte dem Christkind­lesmarkt früher verliehen haben, immer mehr verloren geht und „vielleicht irgendwann ganz fehlt“.

Özan Önder (Grüne) gab zu bedenken, nicht alle, vor allem kleinere Einzelhänd­ler, seien begeistert von einer Verlängeru­ng des Marktes. Ihm wäre daher 2018 ein Probelauf in Sachen Verlängeru­ng lieber gewesen. Auch Michael Lopez-Diaz (UL) möchte die Aufenthalt­squalität der Ravensburg­er Innenstadt in der Vorweihnac­htszeit nicht mit dem Christkind­lesmarkt gleichgese­tzt wissen. Oliver Schneider (FDP) befürworte­te ebenfalls zumindest am Tag vor Heiligaben­d Ruhe in der Altstadt. Wolfgang Metzger (FW) rückte außerdem zurecht, dass es den Anwohnern nicht um Abend- sondern um Nachtruhe gehe, sprich: Wenn eine Veranstalt­ung wie der Christkind­lesmarkt täglich schon um 20 Uhr zu Ende ist, „stört das niemanden“.

Nach langem Hin und Her wurde die neue Marktordnu­ng beschlosse­n. Inklusive einer von Rudolf Hämmerle (CDU) angeregten Ergänzung: Vereine oder gemeinnütz­ige Organisati­onen bekommen künftig einen Flohmarkt-Standplatz kostenlos.

„Der Handel weint – aber der Handel weint immer“, sagt SPD-Stadträtin Heike Engelhardt

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