Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Sorge um einzigarti­gen Naturraum

Der Grünzug des Reutebühl soll verkleiner­t werden – Stadträtin erhebt schwere Vorwürfe

- Von Oliver Linsenmaie­r

Der Grünzug des Reutebühl in Weingarten soll verkleiner­t werden.

WEINGARTEN - Ökologisch gesehen ist es der wohl ●wertvollst­e Fleck Weingarten­s. Das Gebiet um Reutebühl, Kreuzberg und Hallersber­g. Ob Amphibien oder Reptilien, Vögel oder Fledermäus­e, Pflanzen oder Insekten: Weiher, Wald und Wiese bilden einen einzigarti­gen Naturraum. Nun hat der Regionalve­rband in seiner Sitzung am vergangene­n Freitag in einem ersten Entwurf entschiede­n, dass der sogenannte Grünzug des Reutebühls verkleiner­t werden soll. Das wiederum würde es theoretisc­h möglich machen, in dem frei gewordenen Gebiet zu bauen. Daher befürchten nun engagierte Naturschüt­zer der SPD, die Stadt wolle die Situation ausnutzen, um neue Wohnungen zu schaffen. „Der OB sucht immer nach Einkommen durch Grundstück­sveräußeru­ngen“, erhebt Stadträtin Doris Spieß schwere Vorwürfe. „Es gab immer wieder Anzeichen, dass er immer noch den Dollar-Blick auf den Reutebühl hat. Er hat das noch vor.“

Rückblick: Schon seit vielen Jahren ist der Reutebühl ein Streitthem­a. Schon im Jahr 2010 hatte die Stadtverwa­ltung einen alten Hof im Reutebühl 18 an einen privaten Besitzer verkaufen wollen, der dort eine Villa errichten wollte. Doch durch Gutachten wurde das Gebiet als ökologisch wertvoll eingestuft, nicht zuletzt wegen schützensw­erten Fledermäus­en, so dass sich Widerstand gegen die Pläne formierte. Letztlich wurde der öffentlich­e Druck so groß, dass die Verwaltung das städtische Grundstück nicht verkaufte. Spätestens seit dieser Episode hatten Naturschüt­zer des Nabu und des BUND ein besonderes Auge auf den Reutebühl.

Daher kochte das Thema auch wieder hoch, als der Gemeindera­t im Jahr 2014 ein Grünraumko­nzept verabschie­dete. Auf den Reutebühl bezogen war das den Naturschüt­zern zu unverbindl­ich. Man habe es versäumt, feste Tabuzonen einzuricht­en, so das Credo des Naturschut­zbundes. Der Status „besonders schützensw­ert“aus dem Grünraumko­nzept reichte dem Nabu nicht aus. Sie forderten einen „geschützen Grünbestan­d“, den es aber bis heute nicht gibt. Und genau das fällt aktuell wieder ins Gewicht. Schließlic­h sind im aktuell gültigen Flächennut­zungsplan von 1995 sogenannte Baufenster für den Südwesten des Reutebühls ausgewiese­n. Das sind Flächen, die bei Bedarf als Bauland genutzt werden könnten. Allerdings hatte die Stadtverwa­ltung stets betont, dass diese Fenster als Ausgleichs­flächen dienen sollen, wenn an anderer Stelle Bauflächen ausgewiese­n werden. Dann würden die Fenster aus dem Flächennut­zungsplan gestrichen werden.

Keine Bebauung

Doch glaubt man der Stadtverwa­ltung ist das bald ohnehin kein Thema mehr. Aktuell arbeiten die städtische­n Planer an einem neuen Flächennut­zungsplan, der ab dem Jahr 2025 greifen soll. „Da fliegen die Baufenster raus“, versichert Stadtplane­r Jens Herbst. Bis dahin müssen sich die Naturschüt­zer auf den politische­n Willen verlassen. Zuletzt hatte sich Oberbürger­meister Markus Ewald zum Reutebühl in seinem Wahlkampf zur OB-Wahl im Jahr 2016 öffentlich geäußert und damals klar gemacht: „Eine Reutebühl-Bebauung wird es mir nicht geben.“Und genau das unterstrei­cht er auch jetzt noch auf SZ-Nachfrage. „Es ist der politische Wille der Stadtverwa­ltung und des Gemeindera­tes, dass der Reutebühl nicht bebaut wird“, erklärte Ewald. Man sei sich der ökologisch­en Qualität bewusst. Es gäbe keinerlei Intentione­n irgendetwa­s zu ändern: „Der Reutebühl bleibt so erhalten, wie er jetzt ist.“

Damit dass auch planerisch so kommt hat die SPD einen Antrag beim Regionalve­rband gestellt, den Grünraum im Reutebühl so zu belassen, wie er im letzten Regionalpl­an von 1996 festgesetz­t ist, um damit den Status Quo beizubehal­ten. „Wir fühlen uns verpflicht­et, diesen Antrag zu stellen“, erklärt Peter Didszun, der für die SPD in der Verbandsve­rsammlung sitzt und der den Antrag gestellt hat. Dieser sei zwar eingegange­n, erklärt Verbandsdi­rektor Wilfried Franke. Allerdings nicht mehr rechtzeiti­g, so dass er nicht mit in die Unterlagen eingearbei­tet wurde. Dennoch wurde er im Gremium behandelt – und abgelehnt (siehe Zweittext). Allerdings wird der Antrag im Zuge der Offenlegun­g des Regionalpl­anes Ende des Jahres erneut aufgegriff­en.

Unklarheit­en gibt es derweil an anderer Stelle. So konnten weder Regionalve­rband noch Stadtverwa­ltung sagen, um wie viel Fläche der Grünraum des Reutebühl im neuen Entwurf verkleiner­t würde. Da gäbe es die verschiede­nsten Möglichkei­ten, von möglichem Hochwasser­schutz bis hin zu Wohnraumpo­tentialen, erklärte Franke hinsichtli­ch vieler neuer Erkenntnis­se seit dem vorigen Regionalpl­an von 1996. Dabei betonte er aber auch, dass es sich im aktuellen Stadium nur um einen Entwurf der Verwaltung handele. Im Zuge der Offenlegun­g sollen dann Anregungen und Einwände von allen Seiten gehört und im Optimalfal­l natürlich auch eingearbei­tet werden. Zudem versichert­e OB Ewald, der nur von einer etwas klarer definierte­n Kante und minimalen Verkleiner­ungen der Fläche ausgeht: „Wir hätten kein Problem mit der Linie von 1996.“

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FOTO: REINHARD JAKUBEK
 ?? FOTO: REINHARD JAKUBEK ?? Oberbürger­meister Markus Ewald betonte im Wahlkampf zur OB-Wahl im Jahr 2016 öffentlich klar, dass es mit ihm eine Reutebühl-Bebauung nicht geben wird.
FOTO: REINHARD JAKUBEK Oberbürger­meister Markus Ewald betonte im Wahlkampf zur OB-Wahl im Jahr 2016 öffentlich klar, dass es mit ihm eine Reutebühl-Bebauung nicht geben wird.

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