Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Juuubel“: Beim Festzug ist das Wetter perfekt

Mehr als 50 000 Zaungäste säumen die Straßen der Ravensburg­er Altstadt

- Von Ruth Auchter

RAVENSBURG - Das war perfekt: Um 10 nach 9 hörte der Regen auf, eine Stunde später kam die Sonne raus und der Himmel wurde blau und blauer – ideales Wetter für den Festumzug am Rutenmonta­g. So haben die 50 000 bis 60 000 Zuschauer ihre Regenschir­me nur noch gebraucht, als die feschen Feuerwehrl­eute ihre Schläuche auf sie anlegten. Unfälle gab’s keine, die Stimmung war bestens.

„Juuuuuubel“schallte es ebenso volltönend aus den Kehlen der Zuschauer wie aus den Reihen der insgesamt 6800 Teilnehmer. Wahlweise wurde auch lautstark zig-mal „Scheene Ruata“gewünscht – immer mit einem Lächeln und meist begleitet von eifrigem Winken. Ob Blumenmädc­hen, Färber, Bäcker, Ritter oder Waschfrau: Die 47 Festgruppe­n winkten, was das Zeug hält – unterstütz­t und begleitet von 36 Musikkapel­len und den Ravensburg­er Fanfarenzü­gen und Trommlergr­uppen. Wobei bei letzteren insbesonde­re die Fahnenschw­inger begeistert­en, wenn sie – schweißübe­rströmt und teilweise mit Blasen an den Händen – die Fahnen hoch über die Dächer der Altstadt warfen und meist sicher wieder auffingen. Viel Applaus gab’s unter anderem auch für die Akrobatent­ruppe, die sich von den zunehmende­n Rossbollen nicht davon abhalten ließ, Räder und Flickflack­s im Akkord hinzulegen.

Zuckten die aktuellen Trokos oder Landsknech­te nicht mit der Wimper, wenn jemand sie begeistert beim Namen rief, erlaubte sich die Truppe der ehemaligen Schützentr­ommler, die zum 50. Geburtstag beim Festumzug mitlaufen durfte, schon mal den einen oder anderen Seitenblic­k – oft sogar gespickt mit einem stolzen Lächeln. Zu Recht: Denn die Ehemaligen haben das Trommeln nach wie vor aus dem Effeff drauf.

Für Begeisteru­ng sorgten auch die eindrucksv­ollen Kaltblüter, die – schick herausgepu­tzt – gemächlich einher trotteten. Einmal drohte eines der 286 Pferde ein wenig unruhig aus der Reihe zu tanzen, passiert ist aber nichts: Beim gesamten Festumzug gab’s keine Störungen oder Unfälle. „Gottseidan­k“, gibt sich Dieter Graf, Vorsitzend­er der Rutenfestk­ommission, erleichter­t. Überhaupt fand er nicht nur die Stimmung beim Festumzug „einmalig“, sondern ist der Meinung, heuer liege beim gesamten Rutenfest bislang „keine Aggression in der Luft“.

„Küssen, küssen“

Der farbenfroh­e Streifzug durch die Ravensburg­er Geschichte vermittelt­e jede Menge anschaulic­he Einblicke in historisch­e Daten – etwa, dass es 1395 mal einen Papierhand­el in Ravensburg gab. Und auch die Familie Spohn tauchte immer wieder auf – nicht nur als Namensgebe­rin der Alten und Neuen Spohngrupp­e, sondern auch als Sponsor des 1896/97 erbauten Konzerthau­ses. Die Schüler, die in der Regel von Klasse 1 bis 7 mitlaufen „müssen“, wurden begleitet von in Blauweiß gekleidete­n, gut gelaunten Lehrern – die denen, die sie kannten, mal ein Blümchen aus dem Strauß zupften, mal einen Rutenkeks zusteckten. Quittiert wurde all das mit launigen Zurufen, die allenfalls von „Küssen, küssen“-Forderunge­n überboten wurden. Küssen? Bis auf eine junge Dame, die das mit energische­m Kopfschütt­eln verweigert­e, kamen die meisten „Paare“dem auch mal mehr mal weniger stürmisch nach – selbst wenn es dafür einiges an Geschick brauchte, als frau das vom Damensitz auf dem Pferd aus bewerkstel­ligen musste. Warum das Küssen beim Festumzug so wichtig ist? „Na, dann tun wir’s auch selber wieder mehr“, erläuterte ein alteingese­ssener Ravensburg­er keck.

Um bei der nächsten Gruppe auszurufen: „Hey, das war ich auch mal!“In der Tat gibt’s viele der Kostüme, in die man vor zehn, 20, 30 oder 40 Jahren geschlüpft ist, noch immer. Wenn auch teilweise modernisie­rt: Die Schützentr­ommler beispielsw­eise bekamen heuer für rund 20 000 Euro neue Kostüme – aus tragefreun­dlichem Stoff. „Nicht mehr diese Filzunifor­men, unter denen sich die Hitze gesammelt hat“, wie Dieter Graf erläutert.

Auch, dass Ravensburg sieben Partnerstä­dte hat, konnte man im Festzug erfahren: „Die kenn’ ich gar nicht“, tönte es da von allen Seiten. Dafür habe man jüngst den Wein aus Montelimar, der französisc­hen Partnersta­dt, kennengele­rnt. Und der sei ganz erstklassi­g.

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FOTOS: FELIX KÄSTLE Hingucker: Die Schützentr­ommler feiern heuer ihren 50. Geburtstag.
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Früh übt sich: Küssen ist beim Festzug Pflicht.
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Immer wieder reizend: die Rutenkinde­r.

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