Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Tödliches Flammeninferno in Griechenland
Mehr als 70 Menschen sterben nahe Athen – Hauk warnt vor Waldbränden im Südwesten
ATHEN/STOCKHOLM/FRIEDRICHSHAFEN/BERLIN - Flammenmeere im Norden und im Süden Europas, steigende Waldbrandgefahr auch in Deutschland: Während die Retter in Schweden mehr und mehr die Oberhand über die schweren Brände gewinnen, hat Griechenland ein tödliches Inferno erlebt. Mindestens 70 Menschen sind im Feuer in der beliebten Urlaubsregion nahe Athen ums Leben gekommen, wie die Feuerwehr mitteilte.
Angesichts des anhaltend heißen und trockenen Wetters warnte Baden-Württembergs Forstminister Peter Hauk (CDU) am Dienstag vor Waldbränden: „Eine achtlos weggeworfene Zigarettenkippe oder ein aus dem Ruder gelaufenes Grillfeuer kann verheerende Folgen haben.“
Immerhin sei Deutschland auf den Ernstfall gut vorbereitet, es gebe Brandschneisen in den Wäldern und die Feuerwehr sei „sehr gut aufgestellt“, sagte Hartmut Ziebs, der Präsident des Deutschen Feuerwehrverbandes, der „Schwäbischen Zeitung“. „Nach menschlichem Ermessen sind solche dramatischen Brände wie in Schweden oder Griechenland bei uns nicht möglich“, erklärte Ziebs am Dienstag.
Wegen der hohen Temperaturen ist auch der Pegel des Bodensees auf einem so niedrigen Stand, dass die Passagierschifffahrt beeinträchtigt wird. So kann die Landestelle Bad Schachen bei Lindau ab heute bis auf Weiteres nicht mehr angefahren werden. Der Shuttle-Verkehr zu den Bregenzer Festspielen werde zwar weiterhin ab Bad Schachen verkehren, jedoch könnten Rollstuhlfahrer und stark gehbehinderte Menschen dort nicht an Bord gehen.
Dramatische Szenen spielten sich in Griechenland ab, die Regierung beklagte „eine nationale Tragödie“. Die Rettungskräfte fürchten, in den unzähligen abgebrannten Häusern noch weitere Leichen zu finden. Unter den Todesopfern sollen viele Kinder sein, berichtete das Staatsfernsehen ERT. Mehr als 160 Menschen wurden bei den Feuern verletzt. Etwa 1000 Ferienhäuser und Wohnungen fielen den Flammen in dem Pinienwald zum Opfer. Ministerpräsident Alexis Tsipras betonte, es gehe jetzt darum, noch zu retten, was zu retten sei, und zusammenzustehen: „Keiner soll ohne Hilfe bleiben – und nichts bleibt ohne Antworten.“Hilfe sei unterwegs von vielen EU-Ländern, erklärte EU-Ratspräsident Donald Tusk in Brüssel, Europa werde in den schweren Zeiten an der Seite Griechenlands stehen.
ATHEN (dpa) - Die Regierung spricht von einer „nationalen Tragödie“, Polizei und Feuerwehr nennen es das „schlimmste mögliche Szenario“. Selbst diese dramatischen Beschreibungen können das Grauen nach den verheerenden Waldbränden im dicht bewohnten Feriengebiet im Osten und Westen Athens kaum in passende Worte fassen. Mindestens 74 Menschen kamen in den Flammen ums Leben, viele von ihnen verbrannten bei lebendigem Leibe. Und das ist nur eine vorläufige Bilanz – Dutzende Menschen wurden am Dienstag noch vermisst. Ein riesiges Gebiet von gut 40 Quadratkilometern wurde zerstört. Doch es gibt auch eine gute Nachricht: Die meisten Brände konnten am Dienstag unter Kontrolle gebracht werden. Die schlimmsten Szenen müssen sich am Montag in der Region der Hafenstadt Rafina abgespielt haben, rund 25 Kilometer in gerader Linie östlich von Athen gelegen. Rettungsmannschaften entdeckten am Dienstagmorgen 26 Leichen an einem Steilhang.
„Der Einsatzleiter weinte“, berichtete ein Reporter vor Ort und beschrieb das ganze Drama: Die Opfer, darunter etliche Familien, hatten versucht, den Flammen zu entkommen und waren von ihren Häusern in Richtung Küste gerannt. Doch dieser Küstenabschnitt kann nur über einen schmalen Pfad erreicht werden, in dem dichten Rauch und in ihrer Panik fanden ihn die Menschen nicht. Die Flammen kamen von allen Seiten und schlossen die Menschen ein. Sie blieben stehen, umarmten sich ein letztes Mal und starben. Andere Reporter berichteten von einer Frau, die mit ihrem Kind in einem Haus in der Ortschaft Mati entdeckt wurde. Die Mutter hatte ihr Kind schützend mit ihrem Körper abgeschirmt, bevor beide verbrannten.
„Flammeninferno“, „Hölle“, „Schutt und Asche im Großraum Athen“– so lauteten einige Schlagzeilen der griechischen Presse am Dienstag. Waldbrände gibt es in Griechenland immer wieder im Sommer – sie gehören zum Alltag der Einsatzkräfte. Alle fragen sich, wie es zu der Tragödie kommen konnte. Der Zivilschutz hatte bereits am Sonntag vor großer Waldbrandgefahr gewarnt. Es hatte fast zwei Wochen lang nicht geregnet. Überall lag vertrocknetes Gras herum. Es herrschten Temperaturen um die 39 Grad Celsius. Am Montag kam starker Wind hinzu. Zunächst brach ein Brand im Westen Athens aus. Die Ursache ist der Feuerwehr zufolge noch unklar. Mehrere Häuser wurden zerstört, Opfer gab es zunächst nicht. Um die Mittagszeit kam die Katastrophe: Neue Feuer entstanden im Osten Athens. Die bereits stark ausgelasteten
Feuerwehrleute, die Löschflugzeuge und Hubschrauber mussten an zwei Fronten kämpfen.
Feuer im Urlaubsgebiet
Und die zweite Front – entlang der Ostküste Athens – ist ein riesiges Urlaubsgebiet. Pinienwälder überall und mittendrin verstreut Tausende Ferienhäuser und Wohnungen. Viele Athener haben dort ihren zweiten Wohnsitz, wo sie mit ihren Familien den Sommer verbringen. Die Flammen fegten mit hoher Geschwindigkeit über das Gelände. Tausende Menschen flüchteten in Panik. Wer Glück hatte, konnte den Strand erreichen. Viele gingen ins Wasser. Fischer holten sie am Dienstagmorgen aus den Fluten und aus schwer zugänglichen Küstenabschnitten.
Papst Franziskus sicherte den Opfern der Waldbrände in Griechenland seinen geistlichen Beistand z. Er
bete für alle Toten und ermutige die Hilfskräfte bei ihren Einsätzen, hieß es in einem am Dienstag vom Vatikan veröffentlichten Schreiben.
Das Staatsfernsehen (ERT) zeigte am Dienstag das Ausmaß der Katastrophe. Ganze Wohnviertel in den Ortschaften Mati, Nea Makri und Rafina mit völlig zerstörten oder schwer beschädigten Häusern. Hunderte verbrannte Autos, die ihre Besitzer auf der Flucht mitten auf der Straße abgestellt hatten. Verletzte Tiere, die herumirrten.
Ein schwacher Trost für die betroffenen Menschen: Die Regierung unter Ministerpräsident Alexis Tsipras will die Ursachen klären. Und die EU will den Menschen unter die Arme greifen. Mehrere Länder sagten die Entsendung von Löschflugzeugen zu. Heute wird zudem natürliche Hilfe von oben erwartet: Laut Wetteramt soll es stark regnen.