Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Gelungener Einstand zum Festival in Geratsreute
Lateinamerikanisches auf der Einhalden-Bühne – Auch am Wochenende gibt’s noch Kultur in der Natur
FRONREUTE - Ein seidiger Abendhimmel, eine frische Brise und eine helle Vollmondnacht sowie ein musikfreudiges, friedliches Publikum: was braucht es mehr zu einem gelungenen Start des Festivals Einhalden! Im zweiten Jahr auf dem Kaseshof von Wolfram Schnetz ist der Parkplatz hinter das Hofareal verlegt worden, das ist sicherer als an der Landstraße. Wie immer sind im 600 Köpfe zählenden Publikum viele Familien mit kleinen und größeren Kindern, und der Querschnitt durch alle Generationen sagt auch etwas darüber aus, dass es hier nicht nur ein Programm für Spezialisten gibt. Dazwischen wuseln die fast hundert Helferinnen und Helfer herum. Bei so viel Engagement sind die 20 Sponsoren doch gerne wieder dabei, zumal das Festival zum zweiten Mal unter dem Schirm des OEW-Kultursommers steht.
Zum Eröffnungs-Act mit „El Violín Latino“füllen sich die stabilen Holzbänke um halb acht etwas zögerlich, schließlich ist es auch ein erweitertes Treffen unter Freunden und Bekannten, da sind erst mal ein paar Schwätzle wichtig und außerdem laden die vielen Stände mit Hausgemachtem zur Stärkung ein. So geht die kurze Begrüßung und Dankesrede von Hauptinitiator Veit Hübner fast etwas unter. Doch schnell füllen sich die Reihen, als das Quintett, das gerade eine Tournee in Griechenland und Wien abgeschlossen hat, auf die Bühne kommt: der Violinist Gregor Hübner, Veit Hübner mit dem Kontrabass und zwei Musiker aus New York gehören dazu – mit Klaus Müller sitzt ein energisch-sensibler Pianist am Flügel und Jerome Goldschmidt am Schlagzeug agiert souverän mit den Kongas. Eine weitere musikalische Farbe bringt die aus dem karibischen Curaçao stammende Sängerin und Perkussionistin Yumarya, ein strahlendes Gesicht und eine starke Stimme. Nach Hübners Improvisation auf „Águas de março“von Carlos Jobim und einem eigenen Stück, das er dem New Yorker Perkussionisten Johnny Almendra widmete, kommt mit dem dritten „Los soñadores“(deutsch: Die Träumer) Yumaria auf die Bühne und beginnt den Song in Spanisch mit „La tierra es nuestra madre“, etwas später heißt es „amor es el pan de la vida“. So wechseln sich die musikalischen Stile ab: über Piazzollas „Milonga del Ángel“und Hübner-Kompositionen, in denen alle zusammen das Kunststück fertigbringen, dass man das Bandoneón überhaupt nicht vermisst, zurück nach Brasilien und in die Karibik. Virtuos Violine, Bass und das Piano und dabei doch immer mit dem persönlichen musikalischen Touch – da kommen die fünf nicht ohne zwei Zugaben weg.
Bossarenova-Trio überzeugt
So beginnt das Hauptprogramm der Band um die brasilianische Sängerin Paula Morelenbaum, die mit dem aus Ulm stammenden Trompeter Joo Kraus und dem Pianisten und Arrangeur Ralf Schmid, Professor an der Freiburger Musikhochschule, ein Trio bildet, etwas später. 2009 hat Schmid ihr gemeinsames Projekt „Bossarenova“produziert und seit 2011 stellt das Trio es weltweit vor. Auftritt der zierlichen Sängerin und die Überraschung ist perfekt: Vom Klavier tönt ein weltbekanntes Lied, aus Schumanns „Dichterliebe“-Zyklus, „Im wunderschönen Monat Mai“, das der Sopran mit brasilianischem Text und viel „saudade“, dem melancholischen Lebensgefühl, so innig singt, dass man sich in eine andere Welt versetzt fühlt. Aber dabei bleibt es natürlich nicht, es bricht um in Sprechgesang in Bossa-NovaRhythmen, die Supertrompete von Joo Kraus mischt sich ein, eine wunderbar dezent-virtuose Perkussion gibt Amoy Ribas als Gaststar dazu. Die Verbindung von Klassik oder einem Bach-Choral als Intro zu einem elektronisch konturierten Bossa Nova aus den 1950er- und 1960er-Jahren, von Meistern wie Antônio Carlos Jobim, mit dem Morelenbaum zehn Jahre zusammengearbeitet hat, oder nach Gedichten von Vinícius de Moraes, ist durchaus faszinierend. Noch mehr überzeugt jedoch Paula Morelenbaum mit ihrer oft sphärischen, immer differenzierten Stimme im zweiten Teil, wo sie ganz authentisch, sanft – mit einer leise dazwischensprechenden Trompete – oder fröhlich und hinreißend charmant ganz dem ebenso perkussiven wie vokalen Klang ihrer Muttersprache Raum gibt.
„Rikas“spielt Beat-Rock
Auf der Hofbühne zeigten zum Schluss des Abends die vier Jungs der Nachwuchsband „Rikas“, was BeatRock heißt. Junge Musik für eine ständig wachsende Fangemeinde. Übrigens: Die „Rikas“sind ein Eigengewächs des Einhaldenfestivals, in dem Veit Hübners Sohn Ferdinand mitspielt. Benannt haben sie sich nach dem Hofhund Rika vom Einhaldenhof.
Riesenapplaus für einen schönen, beglückenden Konzertabend.
Im Videobeitrag kann man in die Atmosphäre des ersten Einhaldenabends eintauchen. Dieser ist unter www.schwäbische.de/einhalden zu finden.