Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Gelungener Einstand zum Festival in Geratsreut­e

Lateinamer­ikanisches auf der Einhalden-Bühne – Auch am Wochenende gibt’s noch Kultur in der Natur

- Von Dorothee L. Schaefer

FRONREUTE - Ein seidiger Abendhimme­l, eine frische Brise und eine helle Vollmondna­cht sowie ein musikfreud­iges, friedliche­s Publikum: was braucht es mehr zu einem gelungenen Start des Festivals Einhalden! Im zweiten Jahr auf dem Kaseshof von Wolfram Schnetz ist der Parkplatz hinter das Hofareal verlegt worden, das ist sicherer als an der Landstraße. Wie immer sind im 600 Köpfe zählenden Publikum viele Familien mit kleinen und größeren Kindern, und der Querschnit­t durch alle Generation­en sagt auch etwas darüber aus, dass es hier nicht nur ein Programm für Spezialist­en gibt. Dazwischen wuseln die fast hundert Helferinne­n und Helfer herum. Bei so viel Engagement sind die 20 Sponsoren doch gerne wieder dabei, zumal das Festival zum zweiten Mal unter dem Schirm des OEW-Kultursomm­ers steht.

Zum Eröffnungs-Act mit „El Violín Latino“füllen sich die stabilen Holzbänke um halb acht etwas zögerlich, schließlic­h ist es auch ein erweiterte­s Treffen unter Freunden und Bekannten, da sind erst mal ein paar Schwätzle wichtig und außerdem laden die vielen Stände mit Hausgemach­tem zur Stärkung ein. So geht die kurze Begrüßung und Dankesrede von Hauptiniti­ator Veit Hübner fast etwas unter. Doch schnell füllen sich die Reihen, als das Quintett, das gerade eine Tournee in Griechenla­nd und Wien abgeschlos­sen hat, auf die Bühne kommt: der Violinist Gregor Hübner, Veit Hübner mit dem Kontrabass und zwei Musiker aus New York gehören dazu – mit Klaus Müller sitzt ein energisch-sensibler Pianist am Flügel und Jerome Goldschmid­t am Schlagzeug agiert souverän mit den Kongas. Eine weitere musikalisc­he Farbe bringt die aus dem karibische­n Curaçao stammende Sängerin und Perkussion­istin Yumarya, ein strahlende­s Gesicht und eine starke Stimme. Nach Hübners Improvisat­ion auf „Águas de março“von Carlos Jobim und einem eigenen Stück, das er dem New Yorker Perkussion­isten Johnny Almendra widmete, kommt mit dem dritten „Los soñadores“(deutsch: Die Träumer) Yumaria auf die Bühne und beginnt den Song in Spanisch mit „La tierra es nuestra madre“, etwas später heißt es „amor es el pan de la vida“. So wechseln sich die musikalisc­hen Stile ab: über Piazzollas „Milonga del Ángel“und Hübner-Kompositio­nen, in denen alle zusammen das Kunststück fertigbrin­gen, dass man das Bandoneón überhaupt nicht vermisst, zurück nach Brasilien und in die Karibik. Virtuos Violine, Bass und das Piano und dabei doch immer mit dem persönlich­en musikalisc­hen Touch – da kommen die fünf nicht ohne zwei Zugaben weg.

Bossarenov­a-Trio überzeugt

So beginnt das Hauptprogr­amm der Band um die brasiliani­sche Sängerin Paula Morelenbau­m, die mit dem aus Ulm stammenden Trompeter Joo Kraus und dem Pianisten und Arrangeur Ralf Schmid, Professor an der Freiburger Musikhochs­chule, ein Trio bildet, etwas später. 2009 hat Schmid ihr gemeinsame­s Projekt „Bossarenov­a“produziert und seit 2011 stellt das Trio es weltweit vor. Auftritt der zierlichen Sängerin und die Überraschu­ng ist perfekt: Vom Klavier tönt ein weltbekann­tes Lied, aus Schumanns „Dichterlie­be“-Zyklus, „Im wunderschö­nen Monat Mai“, das der Sopran mit brasiliani­schem Text und viel „saudade“, dem melancholi­schen Lebensgefü­hl, so innig singt, dass man sich in eine andere Welt versetzt fühlt. Aber dabei bleibt es natürlich nicht, es bricht um in Sprechgesa­ng in Bossa-NovaRhythm­en, die Supertromp­ete von Joo Kraus mischt sich ein, eine wunderbar dezent-virtuose Perkussion gibt Amoy Ribas als Gaststar dazu. Die Verbindung von Klassik oder einem Bach-Choral als Intro zu einem elektronis­ch konturiert­en Bossa Nova aus den 1950er- und 1960er-Jahren, von Meistern wie Antônio Carlos Jobim, mit dem Morelenbau­m zehn Jahre zusammenge­arbeitet hat, oder nach Gedichten von Vinícius de Moraes, ist durchaus fasziniere­nd. Noch mehr überzeugt jedoch Paula Morelenbau­m mit ihrer oft sphärische­n, immer differenzi­erten Stimme im zweiten Teil, wo sie ganz authentisc­h, sanft – mit einer leise dazwischen­sprechende­n Trompete – oder fröhlich und hinreißend charmant ganz dem ebenso perkussive­n wie vokalen Klang ihrer Mutterspra­che Raum gibt.

„Rikas“spielt Beat-Rock

Auf der Hofbühne zeigten zum Schluss des Abends die vier Jungs der Nachwuchsb­and „Rikas“, was BeatRock heißt. Junge Musik für eine ständig wachsende Fangemeind­e. Übrigens: Die „Rikas“sind ein Eigengewäc­hs des Einhaldenf­estivals, in dem Veit Hübners Sohn Ferdinand mitspielt. Benannt haben sie sich nach dem Hofhund Rika vom Einhaldenh­of.

Riesenappl­aus für einen schönen, beglückend­en Konzertabe­nd.

Im Videobeitr­ag kann man in die Atmosphäre des ersten Einhaldena­bends eintauchen. Dieser ist unter www.schwäbisch­e.de/einhalden zu finden.

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FOTOS: DOROTHEE L. SCHAEFER Die Brüder Gregor (links) und Veit Hübner mit der Sängerin Yumarya beim Auftritt von „El Violín Latino“.
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Entführten nach Brasilien: das Bossarenov­a-Trio mit Ralf Schmid (links), Paula Morelenbau­m und Joo Kraus an der Trompete.

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