Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

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Zum Ende von Einhalden: Gespräche zum Thema „enkeltaugl­iche Landwirtsc­haft“

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FRONREUTE (bas) - Eine gute Tradition beim Einhalden-Festival ist die „Scheunenru­nde“, mit der das lange Kulturwoch­enende auf dem Kaseshof in Geratsreut­e am Sonntagnac­hmittag zu Ende geht. Der diesjährig­e Gast: Aktivist und Unternehme­r Johannes Heimrath, Initiator des Bündnisses für enkeltaugl­iche Landwirtsc­haft. Mehr als 80 Interessie­rte sorgten fast zwei Stunden lang für regen Austausch.

Selbstvers­tändlich gibt es sie, die Befürworte­r der Glyphosat-Nutzung und selbstvers­tändlich sind die landwirtsc­haftlichen Bedingunge­n in Vorpommern („mit Schlägen von 400 Hektar Gerste“), dort, wo der 65-jährige Heimrath mittlerwei­le eine biologisch­e Kräutertee-Produktion betreibt, andere als hier im beschaulic­hen Oberschwab­en. Und doch: Heimrath, der nach ausgiebige­r Vorstellun­g seiner Person und seines Hintergrun­ds zum Diskurs aufruft und alle Stimmen gelassen und souverän gelten lässt, hat recht. Zumindest darin, dass jeder Einzelne, ob Landwirt oder Verbrauche­r, selbst nachdenken und selbst entscheide­n muss, was er mit seinen täglichen Gepflogenh­eiten forciert oder mindestens unterstütz­t. Der Landwirt, indem er sich klarmacht, dass mit dem Einsatz von Pestiziden oder chemischen Düngemitte­ln auch der Boden des Nachbarn verseucht wird. Und der Verbrauche­r, dass er mit seinem Einkauf beim Discounter den Preisdruck auf Biobauern erhöht.

„Fruchtbare Dialoge führen“

Tomaten im Winter seien ebenso unnötig wie die Anschaffun­g von mehr unfair hergestell­ten Klamotten, macht Heimrath deutlich. KompostToi­letten seien auch in der Etagenwohn­ung möglich und eine solidarisc­he Landwirtsc­hafts-Genossensc­haft eine gute Sache. Die Artenvielf­alt gehe verloren, 80 Prozent der Insekten seien verschwund­en, die Hälfte aller Feldvögel habe man verloren, mahnt Heimrath. Und bei all dem Wissen und den Erkenntnis­sen, die er als Quereinste­iger mittlerwei­le gesammelt hat, ist er nach wie vor offen für Anregungen. „Wir müssen im Gespräch bleiben, fruchtbare Dialoge führen“, sagt er. Denn was er sieht und wahrnimmt, ist: Wir wollen das Gute und tun das Falsche. Sich selbst nimmt er davon nicht aus. Er sei die 900 Kilometer ins Schwäbisch­e mit dem Auto gefahren, gesteht er. „Im Grunde dürfte ich nicht hier sein, für 90 Minuten.“

Übergangsl­os oder besser folgericht­ig streift Heimrath das Thema „ökologisch­er Fußabdruck“: „Über fünf Hektar verbraucht jeder Einzelne, es dürften aber lediglich 1,75 sein.“Er fragt interessie­rt in die Runde, wie denn auf einem degradiert­en Boden Humus zurückkomm­en solle, und nimmt den Begriff der „konvention­ellen Landwirtsc­haft“genau unter die Lupe. Nach ziemlich genau zwei Stunden, in denen Heimrath durchaus auch Gegenwind erfährt, ist die Frage nach dem „wie können wir enkeltaugl­iche Landwirtsc­haft betreiben?“längst nicht beantworte­t. Das scheint aber auch nicht seine Absicht gewesen zu sein. Worum es ihm geht: Jedem muss bewusst sein, dass Gemeinwohl-Ökonomie wichtig, ja unerlässli­ch ist. Und ein generelles Nach- und Umdenken verlangt. „Trauen Sie sich, aufmüpfig zu sein und verrückte Fragen zu stellen!“, gibt er den Zuhörern mit auf den Weg. Und schließlic­h gibt er noch ein philosophi­sches Mantra aus: „Lasst uns die Geduld haben, auf eine Antwort zuzuwachse­n.“

Einem funktionie­renden Gemeinwese­n und unbequemen Wahrheiten ist Johannes Heimrath im Übrigen auch mit seinem Buch „Die Post-Kollaps- Gesellscha­ft: Wie wir mit viel weniger viel besser leben werden“auf der Spur. Und ganz im Sinne der Nachhaltig­keit kann das Buch nicht nur im örtlichen Buchhandel neu für 19,95 Euro oder gebraucht im Internet ab 8,24 Euro gekauft, sondern unter www.leihdirwas.de für 1,20 Euro 30 Tage lang ausgeliehe­n werden.

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FOTO: BARBARA SOHLER Johannes Heimrath will eine grundlegen­de Landwende auf den Weg bringen.

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