Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Im Notfall muss niemand alleine bleiben
Hausnotrufdienste sind für viele Menschen eine wichtige Hilfe – Tests offenbaren jedoch Mängel im Detail
BERLIN/DÜSSELDORF - Der Anruf erreicht den Sohn im Büro. Seine Mutter könne sich heute nicht allein verpflegen, weil sie nicht aus dem Sessel hochkomme, sagt die Anruferin vom Hausnotruf. „Ich fahre hin“, antwortet der Sohn – der auch Autor dieses Textes ist – und hilft seiner pflegebedürftigen Mutter in der Mittagspause. Die schnelle Information erleichtert in diesem Fall die Bewältigung des Alltags der Rentnerin. Der dahinter stehende Hausnotrufdienst kann aber womöglich auch einmal Leben retten, etwa durch den Ruf eines Notarztes nach einem Sturz des Kunden im Bad. Doch es gibt auch Mängel, wie die Stiftung Warentest jetzt herausgefunden hat.
Unabhängigkeit und Freiheit
Die eigene Wohnung und die vertraute Umgebung gehören für viele Ältere zu den wichtigsten Dingen auf Erden. Im Gegensatz zu Seniorenheimen stehen die eigenen vier Wände für Unabhängigkeit und Freiheit, so gut und lange es eben geht. Doch gerade Alleinstehende tragen dabei ein Risiko, falls sie plötzlich Hilfe benötigen. Ein Notrufdienst ist in diesem Falle eine gute Absicherung. Auf Knopfdruck wird der Kunde mit einer Notrufzentrale verbunden. Die Mitarbeiter dort können beispielsweise Angehörige oder Nachbarn informieren oder auch einen Rettungswagen herbeirufen. „Hausnotrufdienste eignen sich für Menschen, die ihre Selbstständigkeit erhalten wollen“, heißt es in einer Erklärung der Verbraucherzentralen, „jedoch durch Behinderung oder altersbedingte Beeinträchtigungen gefährdet sind und in Not das Telefon nicht rechtzeitig erreichen würden.“
Den Melder tragen die Kunden am Körper, zum Beispiel als Armband. Voraussetzung ist lediglich ein Telefonanschluss in der Wohnung. Über diese Leitung läuft der Notrufdienst. Nach Angaben der Stiftung Warentest sind bundesweit mittlerweile 900 000 Menschen an ein solches System angeschlossen. Der Service wird laut Verbraucherzentrale bundesweit in rund 350 Städten angeboten.
Die Kosten richten sich nach dem Leistungsspektrum. Über den reinen Notruf hinaus bieten die Dienste Extra-Services an, vom Erinnerungsruf zur Medikamenteneinnahme bis hin zur Schlüsselaufbewahrung. Der Basisdienst kostet zwischen 23 und 29 Euro im Monat. Bei Pflegebedürftigen steuert die Pflegekasse seit Juni 2018 statt der bisherigen gut 18 Euro nun 23 Euro bei. Zu den monatlichen Gebühren kommen einmalige Anschlusskosten, die zwischen 20 und 60 Euro liegen.
Doch über den Angeboten liegt auch ein dunkler Schatten. Die Stiftung Warentest hat die Dienste zum zweiten Mal nach 2011 getestet. Die in der August-Ausgabe der Zeitschrift „test“veröffentlichten Ergebnisse sind ernüchternd. Neun Anbieter, davon fünf gemeinnützige Verbände, haben die Tester auf die Probe gestellt. Kein Anbieter erhielt eine gute oder sehr gute Note. Am besten schnitt mit einem „Befriedigend“noch der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) ab. Das private Unternehmen Zembro wird als Schlusslicht sogar als „Mangelhaft“eingestuft.
„Kein Dienst ist uneingeschränkt zu empfehlen“, bedauert die Stiftung. Die wichtigste Aufgabe erfüllten dabei jedoch alle. Die fingierten Notrufe wurden bearbeitet, am besten vom ASB. Aber auch das Deutsche Rote Kreuz, der Malteser Hilfsdienst sowie die Johanniter schnitten hier gut ab. Schnelligkeit ist beim Notruf gefragt. Meist hätten die Callcenter den Ruf innerhalb weniger Sekunden angenommen, heißt es im Testbericht. Beim privaten Anbieter Zembro habe sich die Zentrale allerdings einmal gar nicht gemeldet, ein anderes Mal erst nach zwei Minuten.
Wie schon 2011 bemängeln die Prüfer auch diesmal ein zu geringes Einfühlungsvermögen der Notrufmitarbeiter. „Viele Anbieter gehen zu wenig auf die Bedürfnisse der meist älteren Kunden ein“, kritisiert die Stiftung. Sie sprachen etwa nicht laut genug oder verschwanden schon mal aus der Leitung.
Die starke Abwertung hat dennoch weniger mit der Praxis als mehr mit den Geschäftsbedingungen der Anbieter zu tun. In den Verträgen fanden die Tester deutliche Mängel und rechtswidrige Klauseln, etwa zum Haftungsausschluss. Die Verbraucherzentralen raten zu einer genauen Prüfung der angebotenen Verträge. So könnten in den Klauseln noch versteckte Kosten enthalten sein. Auch der Vergleich verschiedener Angebote wird angeraten.