Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Lateinamer­ikanische Rhythmen bringen Schwaben in Bewegung

Mitmach-Angebote für jedermann im Kreativpar­k Hirschgrab­en fordern Stimme und Muskeln

-

RAVENSBURG (bas) - Kreativpar­kProgramm im Hirschgrab­en: Die Initiative Ravensburg – also die Stadt, gemeinsam mit dem Wirtschaft­sforum – bietet ein paar Sommerwoch­en lang kostenlose Workshops im grünen Herzen der Stadt an. Für Alle, „die sich einfach ausprobier­en wollen“, wie die Einladung auswirft. Wer aber schleppt sich am brütend heißen Donnerstag­nachmittag um 17 Uhr in den Hirschgrab­en? Und was heißt „Tanzen, Singen, Zumba“?

Ein sichtlich mitgenomme­nes Amselmännc­hen hüpft kraftlos in den Schattenst­reifen, den die Hirschgrab­enmauer ins Gras wirft. Eine träge Taubenscha­r hat sich auf einem Stadthaus-Kamin niedergela­ssen. Ein paar recken die Hälse, als zwei kleine Jungs in Unterbuchs­en sich eine Wasserpist­olenschlac­ht liefern. Der Stadtverke­hrlärm scheint weit weg. Die bergbachkl­are Stimme von Schtine Ruoff hebt zu einem „Bina Mo – Bina Mo – Heee“an. Gleichzeit­ig hebt die Chorleiter­in die Arme, als wolle sie Sonnenstra­hlen einfangen. Acht Mit-Sängerinne­n haben sich zum Singen eingefunde­n, alle tun es Schtine nach. „Bina Moooo“hallt es von den steinernen Stadtmauer­wänden. Nicht einmal der grüne Efeuteppic­h, der seit Jahrzehnte­n unermüdlic­h die Mauern hochklette­rt, kann die Stimmen dämpfen. Es herrscht beinahe meditative Atmosphäre. Die Mutter der beiden Pistolen-Jungs applaudier­t schüchtern.

Nicht alle der kostenlose­n Freizeitan­gebote, die unter dem Logo „Kreativpar­k Hirschgrab­en“seit dem 14. Juni immer donnerstag­s stattfinde­n, sind spirituell. „Tonen“– also das Modelliere­n von Gefäßen – steht am 09. August auf dem Plan. Oder das Arbeiten mit dem „fasziniere­nden Werkstoff Ytong“, dem auch Teilnehmer mit wenig handwerkli­cher Erfahrung per Säge, Hammer oder Feile zu Leibe rücken und Skulpturen entlocken können. Unter freiem Himmel kreativ werden können Teilnehmer auch beim „Malen“, das noch einmal am kommenden Donnerstag stattfinde­t. Materialie­n und vielfältig­e Farben stehen zur Verfügung.

Schtine Ruoff braucht für ihren Workshop „Singen“nichts anderes als ihre Stimme. Keine Noten. Keine Stimmgabel. Nicht einmal Schuhe. Denn das feste Stehen auf der trockenen Grasnarbe, das erdet. Gibt Kraft, auch für die hohen Töne, zu denen sie die drei Sopranstim­men in ihrem spontanen Chor anspornt. Die von der Weltenbumm­lerin zusammenge­tragenen Lieder kann jeder schnell. „Singen mit den Ohren“, nennt sie das. Und weil sich ihre Teilnehmer­innen schnell trauen, schallt schon bald das Kinderlied „Lachend, lachend kommt der Sommer – über das Feld“als vierstimmi­ger Kanon unter der altehrwürd­igen Kastanie hinweg, hinauf auf den südlichen Marienplat­z.

Richtig heiße, schweißtre­ibende Körperertü­chtigung liefert im Anschluss an das Singen die „Zumba“Stunde. Mehr als 30 Frauen – und tatsächlic­h auch zwei Männer – nehmen der Anleiterin Caro Frick gegenüber Aufstellun­g, die mobile Box wird ausgericht­et, die letzten Schnürsenk­el werden festgezurr­t und jeder nippt noch an seiner Wasserflas­che. Dann hämmern lateinamer­ikanische Rhythmen aus dem Lautsprech­er, überfluten die Köpfe der Tänzer und pushen den Herzschlag binnen zehn Takten auf den Beat der Musik. „Ein Fitnesspro­gramm zu Latino-Musik“, versucht Caroline Frick, die eine Tanz- und Ballettsch­ule in Grünkraut betreibt, zwischen zwei Songs „Zumba“zu erklären. Das Beste daran sei: „Man macht Sport und merkt es gar nicht. Weil es so viel Spaß macht!“ Und tatsächlic­h sehen Popo-Wackeln und Ausfallsch­ritte, kurze Punches und breite Kniebeugen sehr viel mehr nach Tanzen als nach Workout aus.

Sport, der Spaß macht

Die lachenden wenn auch puterroten Gesichter nach bereits 20 Minuten „Zumba“geben Caro Fricks Einschätzu­ng recht. Das scheint außerorden­tlich Spaß zu machen. Und jung zu halten. Denn Josef, einer der beiden Hähne in der Zumba-Stunde, ist tatsächlic­h 75 Jahre alt. Ulrich, der zweite Mann der Zumba-Runde, hat gerade mal 59 Jahre auf dem Buckel und trägt zum Sonnenschu­tz einen Strohhut. Beeindruck­end geschmeidi­g ist der Taldorfer in den Knien und als Hobbytänze­r auch nicht bewegungss­cheu. Zwischen all den Frauen turnt er völlig selbstvers­tändlich. Die Meisten tragen Schlabbers­hirts über Speckröllc­hen, sind keine FitnessFre­aks. Sondern das Zielpublik­um, das der Kreativpar­k im Hirschgrab­en mit dem kostenlose­n Angebot ansprechen will. Nämlich jeden, der Lust hat.

Am Donnerstag, 9. August, lockt der Kreativpar­k wieder von 16 bis 19 Uhr mit Tonen, Malen und Ytong-Bearbeiten in den Hirschgrab­en. Eine Woche später, am 16. August, beschließe­n Anita Dekiert mit einfachen, traditione­llen Tänzen, Schtine Ruoff mit dem Workshop „Singen“und schließlic­h Caro Frick mit ihrer letzten FreiluftZu­mba-Stunde den diesjährig­en Kreativpar­k. Eine Anmeldung ist nicht erforderli­ch. Die Teilnahme ist kostenlos. Schtine Ruoff führt voller Herzblut die singende Truppe durch ihre Kreativ-Stunde im Hirschgabe­n.

 ?? FOTO: BARBARA SOHLER ?? Das Tanzen zu lateinamer­ikanische Rhythmen macht so viel Spaß, dass man den sportliche­n Nutzen ganz vergisst.
FOTO: BARBARA SOHLER Das Tanzen zu lateinamer­ikanische Rhythmen macht so viel Spaß, dass man den sportliche­n Nutzen ganz vergisst.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany