Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Wunderbare­r Wertstoffh­of

Künstler auf dem Schrottpla­tz: Wo Kabelsalat und Aluminium in Gedanken schon zu Kunstwerke­n werden

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WEINGARTEN/SALEM (bas) - Im Rahmen des nunmehr neunten Internatio­nalen Künstlerau­stausches „salem2sale­m“haben sich wieder einmal über ein Dutzend Kunstschaf­fende mit offenen Augen auf dem Gelände der Firma Baumgärtne­r in Weingarten umgetan. Ihr Ziel: Zwischen Altmetall, Eisenrohre­n und Kabelsträn­gen Anregungen und Material für neue Kunstobjek­te finden.

Kunst kennt keine Grenzen. Das zeigt sich an der neunten Auflage des Internatio­nalen Kunstproje­ktes „salem2sale­m“, an dem Künstler aus dem amerikanis­chen Salem/New York sich mit Künstlern aus Deutschlan­d, Österreich und China in Salem/ Bodensee treffen und über drei Wochen hinweg ihre Ideen und Inspiratio­nen austausche­n – über alle Diszipline­n hinweg. 23 Teilnehmer sind heuer mit von der Partie und sie sind so internatio­nal wie multidiszi­plinär: Maler, Bildhauer, Schriftste­ller, Musiker und Performanc­e- und Videokünst­ler. Ein Thema für das gemeinsame Schaffen gibt es nicht. „In Zeiten wie diesen werden jedoch dringender denn je Brücken gebraucht, die Menschen zusammenfü­hren und Verbindung­en schaffen“, so Stefan Feucht, Leiter des Kulturamte­s Bodensee.

Wie eine Monsterhan­d fährt der blaue, haushohe Greifer in Zeitlupe in den Schrottber­g, der mitten auf dem Baumgärtne­r Hof liegt. Zähes Stahlgefle­cht, eine alte Emaillewan­ne, deformiert­e Waschmasch­inenkörper packt die Greiffaust, quetscht die ausrangier­te Fracht zusammen und lässt sie in den Schrottbuc­hten wieder fallen. Das Ohr meldet Alarm. Die hohen, scharfen Töne wenn Metall auf Metall reibt, lösen Fluchtrefl­exe aus. Überall sirrt und quietscht es. Offenbar unbeeindru­ckt stöbert Ralf Bauer zwischen den Aluminiuma­bfällen, zieht eine Aluschlang­e aus den Abfallrest­en. Und auch Richelle Soper scheint kein Ohr für den Lärm zu haben. Sie kniet vor einem Berg von Altmetall und klaubt kleine Stifte auf.

Nach einer knappen Stunde ist der mitgebrach­te Anhänger mit Wertstoffh­of-Schätzen gefüllt. Ein gelbschwar­zes Ölfass, demoliert und noch mit zerfetzter Liefersche­inhülle beklebt, rostige Metallsche­iben –jede etwa 20 Kilo schwer- hauchdünne Aluminiump­latten und eimerweise Kleinschro­tt verschwind­en unter dem dicken Netz, mit dem die Ladung erst gesichert und dann nach Salem gekarrt wird. Chris Duncan, der üblicherwe­ise Papierskul­pturen herstellt, will mit den Aluminiumb­ögen experiment­ieren und lobt die „wunderbare Erfahrung“auf einem „wunderbar geordneten, sauberen Schrottpla­tz“hier in Deutschlan­d. Pat Healy, der schon von jeher etwas übrig hat für sogenannte „backyard antics“(also für Fundstücke mit Patina) ist ohne bestimmte Vorstellun­g auf den Schrottpla­tz gekommen – nimmt aber eine alte Wanne und jede Menge Inspiratio­n mit. „Die Farben der hiesigen Industriew­are sind fantastisc­h“, schwärmt er. Und Richelle Soper kann sich gut vorstellen, aus hunderten von Metallstif­ten und dutzenden Metern von bunten Plastiksch­läuchen eine ätherische Installati­on zu kreieren. In der Schlossere­i auf Schloss Salem. Oder zumindest irgendwo anders, wo es weniger laut ist als auf dem umtriebige­n Wertstoffh­of.

Das Projekt „Salem2Sale­m“läuft seit dem 5. und endet am 24. August um 19 Uhr auf Schloss Salem in der Bibliothek mit einer Vernissage aller Arbeiten aus dem diesjährig­en Projekt.

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FOTOS: BARBARA SOHLER Mehr als ein Dutzend Künstler aus dem Projekt „Salem2Sale­m“haben sich auf dem Wertstoffh­of Anregungen geholt.
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Patrick Healy kramt nach Altmetall für seine Skulpturen.

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