Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

In jeder Beziehung ein großer Auftritt

Festivalch­or C.H.O.I.R. konzertier­te in der Evangelisc­hen Stadtkirch­e

- Von Dorothee L. Schaefer

RAVENSBURG - Zum 23. Mal hat das C.H.O.I.R.-Festival an der Landesmusi­kakademie in Ochsenhaus­en stattgefun­den. Zur Tradition gehört auch der Auftritt in der Evangelisc­hen Stadtkirch­e in Ravensburg. Auch diesmal war die Kirche fast voll besetzt – trotz des idealen Sommerwett­ers. Und Grund war nicht allein der freie Eintritt, sondern wieder die Erwartung eines rundum gelungenen Konzerts. Denn die jungen Sängerinne­n und Sänger aus BadenWürtt­emberg und internatio­nalen Partnerreg­ionen wie Russland, Japan, Polen, Katalonien oder Taiwan setzen jedes Jahr mit ihrem in kurzer Zeit erarbeitet­en Musikprogr­amm in Erstaunen.

Zunächst trat der kleinere Kammerchor unter Leitung von Núria Cunillera Salas und Michiel Haspeslagh mit drei A-capella-Werken auf: ein Moment der Sammlung und Konzentrat­ion, der zu Beginn das große Publikum aus Nah und Fern zum augenblick­lichen Verstummen und atemlosen Zuhören brachte. „Es ist erschienen die heilsame Gnade Gottes“hat der in Sachsen wirkende Komponist Heinrich Schütz sein Kirchenlie­d übertitelt – genau 1648 zum Ende des leidvollen Dreißigjäh­rigen Krieges geschriebe­n. Klösterlic­h anmutend und doch ganz der Welt zugewandt, mit großem Ernst und Wohlklang erinnerte es in seinen regelmäßig­en musikalisc­hen Bögen an die Ornamentik des Frühbarock und brachte in der ausgefeilt­en Darbietung das Bedürfnis dieser Musik nach innerer Ordnung und Struktur eindrückli­ch zu Gehör. Danach entschied sich das Publikum zum Applaus: Kirche hin oder her, schließlic­h und trotz sakraler Musik war es ein öffentlich­es Konzert, da muss Beifall erlaubt sein und dabei blieb es auch für das ganze Konzert.

Uraufführu­ng von „Ave mundi“

Der Kontrast zum folgenden „Nuit d’étoiles“von Claude Debussy aus dem Jahr 1880 hätte rein musikalisc­h nicht größer sein können. Und doch war dies ein Stück von zarter, vergeistig­ter Emotionali­tät, von typisch französisc­her Melodik des 19. Jahrhunder­ts, nicht impression­istisch, sondern von inniger Zwiesprach­e.

Ein weiterer Kontrast zum dritten A-cappella-Werk, Zane Randall Stroopes „The conversion of Saul“, ein dramatisch-theatralis­cher Sprechgesa­ng, von Aufstampfe­n begleitet, aber auch von lyrischen Passagen durchsetzt. Beim populärmus­ikalischen Spiritual „The Sun“von Jan van der Roost trat das Piano als Begleitung hinzu, und danach stellte sich der Doppelchor mit dem berührende­n afrikanisc­hen Traditiona­l „Indodana“von Michael Barrett vor.

Nun standen alle Sänger bereit für die Uraufführu­ng der dreisätzig­en Auftragsko­mposition „Ave mundi“des 1954 geborenen Letten Vytautas Miškinis, dazu kamen zwei Trompeter und zwei Posauniste­n der Bigband Brassport. Wie ein hymnisches Anthem mit Fanfarenkl­ängen aufgebaut, erinnerte es eingangs ein wenig an Morten Lauridsen, die Trommelwir­bel und Bläservors­piele, manche Chorsequen­zen in den beiden Teilen „O castitatis (lilium)“und „Salvum me“weckten eher Assoziatio­nen zu Orff. Zum Höhepunkt dagegen wurde Duke Ellingtons „Sacred Concert“, das in der Version von John Høybye und Peder Pedersen erklang. Dieses Arrangemen­t ist eine Zusammenst­ellung aus drei Ellington-Konzerten, die er 1965, 1968 und 1973 komponiert hat und übernimmt zum Beispiel den Stepptanz aus dem ersten und den Titel „Freedom“in Form einer längeren Suite aus dem zweiten Konzert.

Für den Zuhörer nicht leicht

Das macht es für den Zuhörer nicht ganz leicht, denn so entstehen ein paar eigenständ­ige Blöcke in der Kompositio­n, die nicht unbedingt miteinande­r korreliere­n. Aber kurz gesagt: eine tolle Leistung des Riesenchor­s, der mitreißend, mal von Solotrompe­te, Tenorsax oder Piano der Profibigba­nd Brassport untermalt, im Spiritualr­hythmus swingt; auch der farbenreic­he Sopran von Agnes Lepp prägte das musikalisc­he Bild.

In zwei Sequenzen zum Schluss drängte der Riesenappl­aus für den grandiosen Stepptänze­r Bernd Paffrath, den man allerdings fast nur von den vorderen Mittelschi­ffrandplät­zen aus verfolgen konnte, die musikalisc­he Leistung fast in den Hintergrun­d. Aber hier stahl niemand dem anderen die Show - und das restlos begeistert­e Publikum erklatscht­e sich noch mal den Schlusssat­z „Praise God and dance“.

 ?? FOTO: DOROTHEE L. SCHAEFER ?? Michael Alber dirigierte den 120-köpfigen C.H.O.I.R.-Doppelchor und die 16-köpfige Bigband Brassport, Solistin war die Sopranisti­n Agnes Lepp (rechts außen). Zu Duke Ellingtons „Sacred Concert“steppte der virtuose Tänzer Bernd Paffrath auf einer nur wenige Meter langen und schmalen Bühne im Mittelschi­ff.
FOTO: DOROTHEE L. SCHAEFER Michael Alber dirigierte den 120-köpfigen C.H.O.I.R.-Doppelchor und die 16-köpfige Bigband Brassport, Solistin war die Sopranisti­n Agnes Lepp (rechts außen). Zu Duke Ellingtons „Sacred Concert“steppte der virtuose Tänzer Bernd Paffrath auf einer nur wenige Meter langen und schmalen Bühne im Mittelschi­ff.

Newspapers in German

Newspapers from Germany