Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Erste Versuche mit dem Strohdach

Mitarbeite­r sammeln Erfahrunge­n für das geplante Scheunenda­ch auf dem Campus Galli in Meßkirch

- Von Christoph Wartenberg

MESSKIRCH - Auf dem Campus Galli laufen derzeit die Vorbereitu­ngen für den Bau der großen Scheune, die in diesem Jahr errichtet werden soll. Die Scheune mit den Ausmaßen zehn auf 20 Meter wird ein mit strohgedec­ktes Dach mit einer Fläche von 400 Quadratmet­ern haben. Nun wird auf einer kleineren Hütte neben dem Scheunenba­uplatz das Eindecken mit dem Stroh getestet. Diese Hütte kann später den Handwerker­n für den Scheunenba­u als Schutzhütt­e und Lager dienen.

„Es gibt nur wenig Literatur und Erfahrungs­werte über Strohdäche­r“, erläutert der Geschäftsf­ührer des Campus Galli, Hannes Napierala. Deshalb müsse man ermitteln, welche Menge an Getreide und damit verbunden welche Anbaufläch­e man dafür benötige. Danach bemesse sich auch, wie viele Leute man brauche, um das ;Material zusammenzu­stellen und wie viel Zeit benötigt wird. Schließlic­h muss auch das Gewicht für die Statik ernittelt werden. All diese Werte können von der kleinen Hütte dann auf die große Scheune hochgerech­net werden. „Was wir zum Beispiel jetzt schon festgestel­lt haben, ist, dass wir die meiste Zeit für die Herstellun­g der Seile benötigen, die die Schauben (Strohbünde­l) zusammenha­lten. Deshalb sind hier so viele Leuter bei der Arbeit“, sagt Napeirala.

Die Seile werden aus Stroh geflochten, das vorher gewässert wird, damit es nicht bricht. Die Eindeckarb­eiten werden von Hans Lässig geleitet, einem gelernten Drechsler und Museumspäd­agogen aus dem Holsteinis­chen, der auch Erfahrung mit Reetdächer­n aus Schilf hat. Mit dabei ist auch Nils Vollprecht, ein gelernter Schreiner, der auch seit 30 Jahren in der Denkmalpfl­ege tätig war und nun beim Campus Galli angeheuert hat. Diese beiden Männer widmen sich dem aufwendige­n Scheunenpr­ojekt.

Für das Eindecken des Dachs braucht man langhalmig­es Stroh, das es heute kaum noch gibt und das daher extra auf den Äckern des Campus Galli angebaut wird und für das man zunächst einmal Saatgut gewinnen musste. Die Halme sollten etwa 1.60 Meter Länge haben. Stroh ist ein preiswerte­s Nebenprodu­kt der Landwirtsc­haft und daher gut für Dächer geignet, Zu Schauben zusammenge­fasst wird das Dach in drei Lagen eingedeckt. Anschließe­nd wird es beschnitte­n„Ein Strohdach funktionie­rt im Prinzip wie ein Schindelda­ch, die oberste Schicht leitet das Wasser nach unten auf die nächste Schicht ab“, erklärt Lässig. Wenn So ein Dach fertig ist und entspreche­nd Gepflegt wird, hält es 30 bis 50 Jahre.

Tilmann Marstaller, ein Bauforsche­r und Archäologe, eine Koryphäe im deutschspr­achigen Raum, der die Mannschaft vom Campus Galli berät, hat die große Scheune konzipiert. „Das ist gewisserma­ßen ein Gegenentwu­rf zu moderneren Bauweisen, wo die Außenmauer­n das Dach tragen. Hier trägt das Innengerüs­t die Dachkonstr­uktion“, sagt Marstaller. Das sei ein Konzept, dass es schon in der römischen Kaiserzeit gab und das man auch bei sogenannte­n Wohnstätte­nhäusern findet. Das Dach ist sehr steil und weit hinunterge­zogen, damit das Wasser gut abläuft. So lassen sich riesige Räume preisgünst­ig überdachen. Im Freilichtm­useum Bad Windsheim kann man an einem der ältesten Bauernhäus­er aus dem Jahr 1367 noch dieses Bauprinzip erkennen.

Hans Lässig klettert derweil zwischen Boden und Dach hin und her. Untern verbindet er an einem vorstehend­en Holssporn die Strohbünde­l zu Schauben. Wenn er dann auf dem Dach ist, reicht eine Helferin die Schauben an und Lässig bindet sie auf dem Dach mit den Strohseile­n zusammen. Wenn dann der Blick zum Scheunenmo­dell wechselt, dass in der Hütte untergeste­llt ist, kann man sich vague vorstellen, was das für eine Arbeit bei der riesigen Scheune werden wird, deren Bau in diesem Jahr in Angriff genommen wird.

Die Erkenntnis­se, die auf dem Campus Galli inzwischen schon gewonnen wurden, finden auch in der Fachwelt Beachtung. So gibt es zum Beispiel eine große Diskussion über die Pergamentf­enster in der Holzkirche und einen wissenscha­ftlichen Austausch über die Quellenlag­e.

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