Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Ich nehme mir jeden Tag etwas vor“
Ravensburgerin Sonja Reischmann hat mit 60 Familienmitgliedern 90. Geburtstag gefeiert
RAVENSBURG - „ Mit meinem Leben bin ich zufrieden, vor allem auch mit meiner Großfamilie“, sagt Sonja Reischmann wenige Tage nach ihrem 90. Geburtstag. Die Jubilarin, die nach dem frühen Tod ihres Mannes Eugen 1976 die unternehmerische Alleinverantwortung für das Modehaus Reischmann übernommen und dessen Entwicklung bis 1996 mitbestimmt hatte, feierte ihren Ehrentag bei guter Gesundheit zusammen mit 60 Familienmitgliedern, darunter sechs Enkelkindern und acht Urenkeln.
Es sei ihr nie langweilig geworden, nachdem sie sich 1996 aus dem aktiven Berufsleben zurückgezogen hatte, erzählt Sonja Reischmann. Sie habe das Golfspiel in Okatreute erlernt, nachdem sie beim Golfclub einen Schnupperkurs gewonnen habe. Zusammen mit Freunden und ihrem Lebensgefährten folgten Schiffsreisen, nach Norwegen, auf der Wolga, der Rhone und dem Mittelmeer. Auch wenn sie sich nach ihrem Abschied aus dem Berufsleben nie mehr in unternehmerische Entscheidungen eingemischt habe, sei sie dennoch in Gedanken immer im Geschäft geblieben.
„Wenn’s lange regnet, denke ich heute noch daran, dass so ein Wetter fürs Geschäft nicht gut ist“, sagt Reischmann. Der Rückzug aus dem Berufsleben sei ihr damals gut gelungen, auch deshalb, weil sie das Unternehmen Reischmann bei ihren drei Söhnen Roland, Wolfgang und Thomas stets in guten Händen wusste. Dass das Alter nur eine Last sei, bestreitet die gebürtige Ravensburgerin aus der Eisenbahnstraße. „Ich muss mich zwar einschränken in meiner Beweglichkeit und aufpassen, dass ich nicht stürze, aber ich nehme mir jeden Tag etwas vor und sitze nicht bloß rum.“
Dass sie regen Anteil am Familienleben wie an gesellschaftlichen Entwicklungen nimmt, bestätigt Tochter Sabine, selbstständige Informatikerin und zusammen mit ihrer Schwester Angelika auch Verwalterin der Sonja-Reischmann-Stiftung, die Kinder und Jugendliche fördert, womit auch das Gedächtnis an ihre 2005 verstorbene Schwester Sonja wachgehalten wird. „Unsere Mutter war eine Matriarchin, wusste aber wegen ihrer beruflichen Verpflichtungen nie so genau, wie’s bei den Kindern, speziell den Buben, in der Schule lief. Deshalb war sie gelegentlich überrascht, wenn sie einen Elternabend besucht hatte“, erzählt Tochter Sabine.
Beruf und Familie vereinen
Natürlich habe sie als Mutter von sechs Kindern manchmal ein schlechtes Gewissen gehabt, weil sie beruflich zwingend so engagiert gewesen sei, sagt Sonja Reischmann. Aber trotz beruflicher Anforderungen habe sie ihren Kindern auch das Skifahren im Bregenzer Wald beigebracht. Ein Versuch mit einem Hauslehrer für die Buben habe sich übrigens nicht bewährt. „Der suchte immer die Nähe unserer Haushaltshilfe“, erinnert sich die Jubilarin.
Sonja Reischmann blickt auf einen langen Lebensweg zurück, ausgehend vom elterlichen Zigarrengeschäft in der Eisenbahnstraße, von ihrer Ausbildung in der Kleiderfabrik Hecht in der Herrenstraße, ihrer Heirat 1954 mit Eugen Reischmann und der Zeit der Firma Reischmann in Fleischwangen (Gemischtwaren, Textilwaren, Groß-Sämereien, mit Gaststätte und großem Tanzsaal im ersten Stock), dem Wechsel 1961 nach Ravensburg sowie dem schrittweisen Ausbau des Modehauses weit über die Bachstraße in Ravensburg hinaus. „Ich schau die Wolken über dem Schussental und der Klosterkirche Weißenau an und denke dankbar über mein Leben nach“, sagt Sonja Reischmann.