Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Im Fläppe
Sein Auftritt dauerte länger. Erst mal musste er von der Umkleidekabine quer den Hang runter zum Pilz, wie der Kiosk einst hieß, immer ebenso vorsichtig wie elegant zwischen und um die auf ihren Handund Badetüchern liegenden und sitzenden Badegäste herum tänzelnd. Sodann schritt er entlang des Ufers am Kinderbecken vorbei hinüber zu den alten Kleiderspinden, wohl wissend, dass auf der großen Liegewiese seine Bewunderinnen solo oder in männlicher Begleitung sonnenbadeten respektive genau beäugten, wie er und andere sich im Fläppe bewegten.
Da lag der Weiher in der Sommersonne, am Ufer gegenüber die Kuhweide, südlich das Moor samt Binsen in seiner ganzen Schönheit, und auf der Liegewiese taten alle so, als schauten sie nicht zu bei seinem Auftritt. Das weibliche Publikum zupfte gelangweilt an Bikinis rum und cremte sich da und dort ein bisschen ein, die männlichen Begleiter bliesen HB-, Lord-Extra oder Kurmark-Wolken in die Luft und zogen ihre Bäuche ein. Andere gaben ein artistisch anmutendes Ball-über-die-Schnur-Programm zum Besten.
Doch er stahl allen die Show, wenn er, braun gebrannt, in knapper, weißer Badehose, langsam das Treppchen runter ins Wasser stieg. Zügig kraulte er zum Turm raus, kletterte flink den Sprungturm hoch und präsentierte sich auf der Zehner-Plattform wie ein Olympiagott. Dabei war er bloß Ringer bei der SG Baienfurt, wenngleich bestens austrainiert und auf der Matte sehr erfolgreich. Ganz ohne verunstaltende Tattoos! Auf der großen Liegewiese im Fläppe gab’s Höchstnoten für den mutigen Springer!