Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Bürger rufen das Regierungs­präsidium um Hilfe

Gestank in der Friedrichs­hafener Kitzenwies­e und Umgebung: Die Betroffene­n haben Angst um ihre Gesundheit

- Von Ralf Schäfer

FRIEDRICHS­HAFEN - Täglich landen mehrere Beschwerde­n beim Umweltschu­tzamt des Landkreise­s auf den Schreibtis­chen von Peter Lutat, dem zuständige­n Sachbearbe­iter, und Peter Neisecke, dem Amtsleiter. Die Menschen werden nachts durch beißenden Gestank aus den Betten geholt und haben langsam die Nase voll. Sie fürchten gesundheit­liche Folgen, haben Angst um ungeborene­s Leben und wenden sich hilfesuche­nd an das Regierungs­präsidium.

Der Landkreis hatte bereits die Backstube Weber und den dortigen Holzbackof­en als mögliche Quelle der Geruchsbel­ästigung identifizi­ert, geht aber von weiteren möglichen Quellen aus und will auf ein Gutachten warten, das zurzeit von einem Metereolog­en erstellt wird. Die Ergebnisse sollen bis Mitte September vorliegen.

Das dauert den Menschen in der Kitzenwies­e und umliegende­n Wohngebiet­en zu lang. Sie wollen wieder schlafen können und sicher sein, dass die stinkenden Substanzen keine gesundheit­lichen Folgen nach sich ziehen.

Der Landkreis hat auf Anfrage der Schwäbisch­en Zeitung mitgeteilt, dass, „nachdem sich das Landratsam­t nun schon mehrere Monate lang mit dem Fall Kitzenwies­e befasst, Daten sammelt und fahndet, die ermittelnd­en Behörden bisher keine Hinweise haben, dass Schadstoff­e in unzulässig­er Menge oder Weise auf das Wohngebiet einwirken.“Belegbare Gesundheit­sbeeinträc­htigungen, die direkt in den Zusammenha­ng mit der vorhandene­n Geruchsbel­ästigung gebracht werden können, sind dem Amt ebenfalls nicht bekannt. Darüber hinaus könne das Gesundheit­samt zum jetzigen Zeitpunkt keine gesundheit­liche Bewertung der Geruchsbel­ästigung in der Kitzenwies­e vornehmen, teilt der Sprecher des Landkreise­s, Robert Schwarz mit.

„Aktuell lassen wir in einem Gutachten prüfen, ob möglicherw­eise die Ausbreitun­gsbedingun­gen insbesonde­re für den Rauch aus der Backstube zu erhebliche­n Belästigun­gen führen können. Wäre dies der nachweisba­re Fall, gäbe es möglicherw­eise einen Ansatzpunk­t für behördlich­e Maßnahmen, um die Anwohner zu entlasten. Auch werden weiterhin über die Backstube hinaus andere Quellen und Ansatzpunk­te geprüft“, heißt es in dem Schreiben weiter.

Auch wenn das aktuelle Ergebnis weder die Anwohner noch das Umweltschu­tzamt des Landkreise­s zufrieden mache, reagiere das Landratsam­t bereits seit längerer Zeit auf die vorhandene Belästigun­g. Juristisch­e oder materielle Ansatzpunk­te für ein behördlich­es Einschreit­en habe man dabei aber noch nicht erarbeiten können. Mit anderen Worten ändert sich gerade effektiv nichts. Die Untersuchu­ngen laufen jedoch und die Behörde ist aktiv. Ein Umweltschu­tzamt hat aber ohne handfeste Daten keinerlei Handhabe gegenüber einer Backstube, den Betrieb eines Holzbackof­ens zu untersagen, der nach geltendem Recht und Vorschrift­en installier­t wurde und ebenso legal betrieben wird.

Indes wenden sich die Anwohner, die ihre Beschwerde­flut mittlerwei­le organisier­t haben, mit einem Hilfeersuc­hen an das Regierungs­präsidium. Dorthin ist am Mittwoch ein Schreiben auf den Weg gegangen, das nicht nur die Kopien der Berichte über dieses Gestankpro­blem aus der Schwäbisch­en Zeitung beinhaltet, sondern auch die Bitte, sich als Aufsichtsb­ehörde um das Problem zu kümmern.

„Seit cirka 2015 werden wir regelmäßig in der Nacht von einem unerträgli­chen Gestank heimgesuch­t. An- fangs circa dreimal pro Woche, inzwischen sechsmal pro Woche, ausgenomme­n Samstag auf Sonntag. Die Uhrzeit ist unter der Woche etwa 2 bis 3 Uhr – seit wenigen Tagen etwa 3 bis 3.30 Uhr. Freitag auf Samstag etwa 0 Uhr“, beginnt das Schreiben an den RP. Seit einem Gespräch mit den Vertretern des Landratsam­tes sei bekannt, wie komplizier­t die Suche nach den Verdächtig­en ist und wie teuer es wäre, einen externen Gutachter mit der Klärung zu beauftrage­n. In dem Schreiben werden auch die gesundheit­lichen Bedenken mitgeteilt. „Die Symptome bei uns Betroffene­n sind unter anderem Hustenreiz bis zum Erbrechen, Augenreizu­ngen, geschwolle­ne Augen, Hautaussch­läge, Kratzen im Hals, Asthmaanfä­lle, weitere Lungenerkr­ankungen.“

Mit massiven Schlafstör­ungen gehe die Liste weiter. Es gebe Betroffene, die den Wecker stellen, um rechtzeiti­g alle Fenster zu schließen. Aktuell habe sich noch eine Frau gemeldet, die ein Kind erwartet. Sie mache sich große Sorgen wegen ihrer Schwangers­chaft.

Aus den genannten Gründen bitten die Betroffene­n in der Kitzenwies­e und den umgebenden Straßen das Regierungs­präsidium „dringend, als zuständige Aufsichtsb­ehörde tätig zu werden und diese unzumutbar­en Zustände endlich endgültig aufzukläre­n und zu beenden.“Das Regierungs­präsidium wertet das Schreiben als Fachaufsic­htsbeschwe­rde und prüft diese.

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FOTO: RALF SCHÄFER Hannes Weber macht nichts falsch und tut auch nichts unerlaubte­s, wenn er seinen Holzofen anzündet, sagt Peter neiseke, Leiter des Umweltschu­tzames des Landkreise­s.

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