Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Vier Brücken im Landkreis sind marode
Alte Bauwerke müssen immer mehr schwerere Lkw aushalten – Investitionsbedarf in Sanierung und Neubau steigt
RAVENSBURG - Nach dem Einsturz einer Brücke im italienischen Genua mit vielen Todesopfern hat das baden-württembergische Verkehrsministerium den hohen Sicherheitsanspruch an Brücken in Deutschland betont. Im Kreis Ravensburg werden Brücken jährlich kontrolliert – dabei werden immer wieder „Sorgenkinder“entdeckt.
Dass eine Brücke hierzulande so marode wird, dass sie einstürzt, sei „kaum denkbar“, sagt der Straßenbauamtsleiter im Landratsamt, Simon Gehringer. „Wir haben ein enges Prüfraster und ersetzen die Brücken vorauseilend, bevor etwas passiert.“
Dünner Beton wird rissig
Die Probleme mit den durchschnittlich recht alten Brücken im Landkreis kommen Gehringers Einschätzung zufolge zum einen daher, dass die Nutzungsanforderungen gestiegen sind: Es seien immer mehr schwere Lkw unterwegs. Zum anderen sei vor Jahrzehnten weniger Beton über dem Brücken-Innenleben angebracht worden, als man es heute machen würde. Wenn der dünne Beton rissig wird, dringt Wasser und im Winter sogar Salz ein, der Stahl rostet und verliert an Tragfähigkeit. Die Straßenmeisterei nehme jährlich eine Sichtprüfung an den Brücken vor. Alle sechs Jahre werden Brücken intensiv von Ingenieuren untersucht, die Kriterien sind Standsicherheit, Verkehrssicherheit und Dauerhaftigkeit. Alle drei Jahre gibt es Zwischenprüfungen. Das bedeutet viel Arbeit: An Kreisstraßen des Kreises Ravensburg gibt es knapp 240 Brücken, mehr als ein Dutzend davon müssen laut Gehringer bald saniert oder sogar neu gebaut werden. Vier davon bereiten dem Kreis zur Zeit schon ziemliche Sorgen.
Die Neumühlbrücke in Argenbühl, eine historische Fußgängerbrücke von 1789 aus Holz, ist aktuell gesperrt. Der Grund: Ein Teil des sogenannten Widerlagers der Brücke im Wasser ist unterspült worden und weggebrochen. Unter dem Widerlager versteht man einen massiven Bauteil, auf dem eine Brücke aufliegt. In etwa zwei Wochen solle nach Angaben von Gehringer mit der Reparatur begonnen werden, damit das alte Mauerwerk keinen weiteren Schaden nimmt. Die Kosten sind laut Gehringer noch unbekannt.
Eine 92 Jahre alte Brücke in Argenbühl-Eglofstal ist so marode, dass sie mehrere Meter flussaufwärts neu gebaut werden soll. Die Brücke darf jetzt nur noch mit sieben Tonnen belastet werden, eigentlich ist sie für zwölf Tonnen ausgelegt. „Leider sieht man immer wieder 40-Tonner drüberfahren“, sagt Gehringer. Er richtet den Apell an Lkw-Fahrer, die Schilder zu beachten. „Die Brücke ist nicht akut einsturzgefährdet, aber jedes Fahrzeug, das darüberfährt, schädigt sie zusätzlich.“Der Brückenneubau und 600 Meter neue Straße kosten 1,2 Millionen Euro, die sich die Kreise Ravensburg und Lindau teilen, so Gehringer. Weil das Landratsamt Grundstücke aufkaufen muss, um den Straßenverlauf zu ändern, und die Besitzer bislang nicht zum Verkauf bereit sind, könnte sich der Baubeginn noch einige Jahre hinziehen.
An einer Brücke über die Untere Argen bei Isny-Unterried geht das Innenleben aus Spannstahl langsam kaputt – der Stahl liegt dort unter Spannung in der Brücke. Dasselbe Problem besteht an einer Brücke in
Leutkirch-Reichenhofen. Beide Brücken werden ersetzt. Kostenpunkt in Isny: 1,34 Millionen Euro. Welcher Zuschuss vom Land kommt, sei noch unbekannt. Für Reichenhofen rechnet das Amt mit Kosten von 680 000 Euro, davon übernimmt 300 000 Euro das Land.
Das Fördergeld stammt aus dem kommunalen Sanierungsfonds, den die Landesregierung aufgelegt hat. „Das ist eine tolle Sache, das hilft uns natürlich“, sagt Gehringer. 2017 hat der Landkreis nach Angaben von Gehringer 1,8 Millionen Euro ausgegeben – 1,3 Millionen Euro für Brückensanierung und 0,5 Millionen Euro für Ersatzneubauten. „Da ist noch mehr geplant“, sagt der Straßenbauamtsleiter. Bis 2020 steige die Ausgabe voraussichtlich auf zwei Millionen Euro pro Jahr, bis 2023 auf drei Millionen Euro pro Jahr.
Brücken an Autobahnen, Bundesund Landstraßen werden vom Regierungspräsidium Tübingen betreut. Im Durchschnitt der letzten drei Jahre wurden im gesamten Regierungsbezirk knapp zehn Millionen Euro für Sanierung und Ersatzneubau von Brücken an diesen Straßen ausgegeben. Im Kreis Ravensburg wurde dieses Jahr bereits die Brücke über die A 96 bei Kißlegg-Dürren saniert. Die Sanierung der B-32-Brücke über den Karbach in Amtzell läuft derzeit.